071: Die Naturgewalten verlangten im alten Abbach einen teuren Tribut

In der Vergangenheit war das Leben der Leute von Abbach trotz der schönen Lage am Donaufluss und auch trotz gewisser Vorteile am Wasser nicht immer nur das höchste Vergnügen. Es gab den „Donaudamm“ noch nicht, und die Wassermassen drangen mindestens zwei Mal im Jahr in den schutzlosen Ort. Ging im Winter auch noch der Eisstoß, wurden die dicksten Wände wie Streichhölzer weggefegt, wie es z.B. 1784 der Fall war, als die Giebelwand der Marktkirche eingedrückt wurde.

Aber auch gewöhnliche Hochwasser richteten überall großen Schaden an. So wird aus dem Jahr 1792 allein aus dem Rathaus, in dem sich die Wohnung des Geistlichen der Christophorus-Kirche, der Ratsaal, die Wohnung des Marktschreibers, die Marktwaage, das Brothaus, das Fleischhaus und die Schule befand, über einen Schaden von 82 Gulden 34 Kreuzern berichtet:[1]

„In des Messerers Wohnzimmer sind durch die vielen gehabten Wasser wie im ganzen Haus die Bretter verfault, dass ein Brett wirklich abgebrochen und der Ofen zu sinken angefangen, wodurch auch Feuergefahr zu befürchten gewesen. Und da auch der Fußboden sehr ruinös worden und man auch bei Aufrüstung dessen auf keine guten Sparren hoffen durfte, musste dieser Baufall ohne Verzug in Angriff genommen werden.

Beim Einziehen der Bretter und beim Aufrüsten hat sich gezeigt, dass alles verfault war und Würmer da waren, und man hatte Glück, dass nicht der ganze Boden durchgefallen ist.

Es mussten von Franz Xaver Aumer 4 Stämme Bauholz gekauft, diese von Kelheim auf dem Wasser transportiert, 23 Stück Bretter gehauen und von der Donau in das Rathaus getragen werden. Es war auch das Faulbodengewölbe vom Hochwasser ruiniert, und so mussten auch die Maurer Lorenz Gassner und Jakob Schmidpauer mit Handlangern 19 Tage arbeiten. Das Schulhaus, der Wiegboden, das Brothaus, die Kammer und die Kuchl des Messerers mussten geweißt und der Hafner im Ratsaal, Schulhaus und Brothaus beschäftigt werden. Für die Fußböden benötigte man Steine, Kalk und Sand. Der Schlosser Wolfgang Geigl und der Schreiner Balthasar Koch mussten bezahlt werden. Auch war eine Feuerspritze neu anzustreichen und ein Holzkasten für sie anzuschaffen. Eine neue Feuerspritze mit einem doppelten Drücker hat der Traxler Martin Geiger angefertigt.“

Wer könnte es nicht nachvollziehen, dass die Leute dieser Zeit in ihrer Ohnmacht vor allem die himmlische Feuerwehr zu Hilfe riefen. So berichtet die gleiche Jahresrechnung von dem Kreuzgang zum heiligen Sebastian mit der für ewig versprochenen Votivkerze nach Kelheim, von einem Lobamt zur Erhaltung der teuren Feldfrüchte, von einem Dankamt, weil die Felder glücklich ihre Frucht hervorgebracht hatten. Auch der heilige Florian wurde nicht vergessen, weil er sie nicht im Stich gelassen hatte.[2]

In erinnere, dass sich das Rathaus bis 1845 auf dem Platz des heutigen Gasthofs zur Post befand.

Ich sehe selbst noch vor meinem geistigen Auge, wie wir im Herbst in unserem Keller in der Hauptstraße 13 (heute Am Markt) für den Winter Kartoffel am Steinboden lagerten. Nach dem Winterhochwasser brauchten wir uns nicht mehr nach ihnen zu bücken; wir konnten sie von der Kellerdecke zupfen, wo sie sich inzwischen festgewurzelt hatten. Dies geschah noch um 1940.

[1] Kammer Rechnung 1792 , S. 26v – 29 und S.39
[2] a.a.O. S. 34v – 38

Von |2023-12-03T06:28:37+01:003. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

072: Die Wogen der französischen Revolution (1789) schwappten bis nach Abbach über

Der Hunger nach Gerechtigkeit auf der Welt wurde auf dem Hintergrund sozialen Unrechts schon immer von Fundis missbraucht. Ist es heute Al Kaida, war es, bevor das Pulverfass 1789 in Frankreich explodierte, der „Wohlfahrtsauschuss“, der den übermütigen Adel und die mit ihm assoziierten Kirchenfürsten brutal hinwegfegte, um das Kleinbürgertum, darunter leider auch den Mob, nach oben zu katapultieren. Es waren schon immer soziale Missstände, die letztlich zu schmerzlichen Exzessen führten!

Mit der Enthauptung Ludwig des XVI. (1793) wurde das Gewissen der meisten Franzosen und der Menschen in ganz Europa jedoch überfordert.

Schon 1792 (-1797) hatten sich England, Österreich, Preußen, Spanien, Rom, Neapel und Portugal gegen Frankreich zum 1. Koalitionskrieg verbündet. Auch das bürgerlich-liberale Direktorium, dem Napoleon angehörte (1795), brachte, wie zu befürchten war, keinen Frieden. Gerade Letzterer war es, der nach einem Staatsstreich die Fackel des Krieges nach Italien und Österreich warf, bis er 1797 Italien und Österreich im Frieden von Campo Formio seinen Willen aufzwang. Das große „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ war letztlich so klein, dass auch in Abbach noch der Boden bebte.

In der verlässlichen Quelle „Kammer Rechnung“ des Kurfürstlichen Markts Abbach finden wir folgende Einträge:

Dem Verehrlichen Sekretär Wagner sind für das Buch „Die geistlichen Rechte“ 2 Gulden 24 Kreuzer geschickt worden. Am 22 März (1795) wurden drei arme französische Geistliche unterstützt. Auch einem abgebrannten französischen Kloster haben wir geholfen, ebenfalls einem durch die Franzosen schwer Verunglückten[1]

Im Jahr darauf lesen wir: Einer verunglückten Baronesse aus Mainz, zwei Augustinern aus Mantua, zwei weiteren Geistlichen auf der Flucht, einem Verunglückten aus dem Romanischen, einem blödsinnigen (d.i. wohl verzweifelten. A.d.V.) Geistlichen mit Pass von Freising, einer durch die Franzosen verunglückten Handelssfrau, einen Kreuzpfennig für die gefangenen Christen, einem an Fuß und Arm blessierten Soldaten mit zwei blinden Kindern, für ein abgebranntes Kloster.[2]

Als es immer bedrohlicher wurde, wird gemeldet:

Vom 13. August bis 21. September wurde zur Abwendung der nahen Kriegsgefahr in der Marktkirche Rosenkranz gehalten (…). Am 21. September hat man auch einen Kreuzgang zu Unserer Lieben Frau nach Teugn verrichtet.

Aber immer wieder tauchen in der Rechnung die verunglückten französischen Geistlichen auf, denen unsere Liebe Frau wohl nicht sogleich geholfen hat.

Den Abschluss für dieses Jahr bildete die Bemerkung: „Laut Spezifikation hat man während des heurigen Durchmarsches und für das Quartier ungern für die k. k. Truppen 70 Gulden 29 Kreuzer auslegen müssen.“[3]

Auch aus der heutigen Gewaltmisere kommen wir nur durch einen Paradigmenwechsel heraus: Statt Eroberung – Unterwerfung müsste es Fürsorge-Verantwortung heißen. Nicht immer mehr Reichtum weniger darf das Ziel sein, sondern Völker, Klassen, Frauen, Natur, ja die ganze Erde müssen wir bescheiden und mit dem Willen der Veränderung nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit in unser Blickfeld rücken.

 [1] Kammer Rechnung 1795, S. 38v/39. Archiv 9.5.2.ab.

 [2] Kammer Rechnung 1796/1, S. 28v-37v. a.a.O.

 [3] Kammer Rechnung 1796/2 S.35 – 38. a.a.O.

Von |2023-12-03T06:27:20+01:003. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

073: Gemeindliche Dienste und besonders „Bauhofarbeiten“ ( 1748 bis heute)

Das hiesige Gemeinwesen funktionierte, seit es besteht, und wir davon Kenntnis haben, mindestens seit Kaiser Ludwig der Bayer dem Markt 1335 das „Freiheitslibell“ bestätigte, nach Recht und Ordnung.

Es hatte ungebrochenen Bestand, weil es politisch gut strukturiert war: Es gab den Kammerer (= Bürgermeister) und Vicekammerer (=Stellvertreter) mit weitreichenden, sogar richterlichen Vollmachten, je sechs Männer des Inneren und ebenso viele des Äußeren Rates mit genauen administrativen Aufgaben, zwei Gemeinderedner, die den Kontakt zur Öffentlichkeit und anderen einschlägigen Instanzen pflegten und einen äußerst gewieften, meist rechtskundigen Gemeindeschreiber. Das Band der Gemeinsamkeit drückte sich durch den Ausdruck die „Ratsverwandten“ aus. Bis auf den Gemeindeschreiber mussten die Räte im Zweijahresturnus gewählt werden, was jedoch nicht immer funktionierte, weil Wechsel schon sehr früh durch Veternwirtschaft beeinträchtigt wurden.

Es gab am Ort schon immer eine mehr oder minder ausgeprägte Verwaltungs- und Infrasrtruktur, die ihren Preis kostete. So wurden den Bürgern von Anfang an Beiträge abgefordert, die gut verwaltet und zweckdienlich verwendet werden sollten. Nach der Höhe der bezahlten Steuern bemaß sich der Einfluss der Bürger bis zum Stimmrecht bei Wahlen. Wer keine Steuern bezahlte, hatte nichts zu sagen.

Der Titel in der jährlichen Kammerechnung, die in (Bad) Ab(b)ach seit 1639 fast lückenlos existiert, und der uns in dieser Arbeit interessiert, heißt „Ausgab auf Gepäu und Reparation.“

Es muss angemerkt werden, dass es wegen der noch wenig ausgeprägten Gemeindestrukturen, wie öffentlichen Einrichtungen, Gebäuden und Wegen, noch keinen gemeindeeigenen Bauhof gab. Die Errichtung und der Unterhalt dieser Objekte und Gewerke wurden aber schon sehr früh als Gemeinschaftsaufgabe erkannt und gebilligt. Die Aufgaben wurden in der Regel an ortsansässige Handwerker, Taglöhner und Hilfsarbeiter vergeben. Nur für Spezialaufgaben, wie z.B. Reparatur der Gemeindeuhr, Erstellen und Eichen von Mess- und Gewichtsgeräten, Kaminkehren und Ähnlichem, zog man einen auswärtigen Spezialisten heran.

Ich greife zur Verdeutlichung des Haushaltstitels ´Bau und Reparatur´ das Jahr 1798 heraus. Er hat in den Kammer Rechnungen seit Beginn der Aufzeichnungen den gleichen Platz in der Reihenfolge und unterscheidet sich inhaltlich von Jahr zu Jahr nur gering. In Kriegs- und Notzeiten wurde er verständlicherweise sehr vernachlässigt. Die alle Jahre wiederkehrenden Hochwasser forderten den höchsten Tribut. Und nun Einträge im Einzelnen:

Beschüttung des Marktpflasters durch Bartlmä Daininger ½ Tag,

Zerschlagen der großen Steine auf dem Pflaster 3 ½ Tage,

Einsetzung einer Kleider Säule beim Thor,

Die Kühtränke ausschachten 2 ½ Tage.

Veith Grogauer hat die Kühtränke verbeschachtet und den Graben im Schenken geräumt, 9 Tage.

Andre Aumüller musste 3 Tage lang Bruckhölzer abhauen, 2 ½ Tage lang musste er diese Hölzer bei den Brücken auflegen.

Josef Scherer musste 1 ½ Tage Steine auf das Marktspflaster einräumen.

Der Zimmerermeister Georg Lehner musste mit zwei Äxten sechs Tage lang die Brückenprügel herhauen und zum Transport der Hölzer eine Radltrage herstellen. Dann musste er zum Bau der Brücke im Luger 20 Tage Zimmererarbeit leisten.

Der Mauerermeister Wolfgang Fux musste mit zwei Männern vier Tage lang große Steine für einen Durchlass des Mühlgrabens an der Landstraße beim Aumeier behauen, für die Ausbesserung des Messerers Wohnzimmer, Kammer und Kuchl musste er 2 ½ Tage arbeiten (NB. Der Geistliche war auch Gemeindeangestellter!), für das Ausweißen des Schulhauses und für die Besorgung des Kalks brauchte er 1 ½ Tage. Es waren auch Hafner, Schmied, Glaser und Schreiner zu bezahlen. Alles zusammen kostete in diesem Jahr 34 Gulden 30 Kreuzer.1

Natürlich war auch im 18. Jahrhundert nicht alles in paradiesischer Ordnung, und es gab auch damals schon Leute, denen nicht alles oder gar nichts passte. Einen solchen Fall möchte ich herausgreifen, weil er gerichtsmäßig wurde:

Es handelt sich um den Bierbräu Josef Pucher von hier, der als Grantler und Sakramentierer bekannt war, mit Mitbürgern und der Behörde ständig im Clinch lag.

Er weigerte sich, eine Strafe wegen Unbotmäßigkeit zu zahlen und machte in der Öffentlichkeit viel Wind gegen den Rat insgesamt:

Wenn der Rat eine Strafe festsetze, könne er diese nicht durchsetzen. Wenn er sie trotzdem festsetze, sei das, wie wenn ein Viehhüter sie verlange. Der entscheidende Mann sei ja immer der Marktschreiber, und die Ratsfreunde beschließen nach seinem Willen. In Landshut und Straubing seien seine Strafen immer noch gemildert worden, und wenn er dort nichts erreiche, sei ihm der Weg nach München auch nicht zu weit.

Gegen ihn könne man nichts ausrichten. Auch ein Gerichtsscherge dürfe sein Haus nicht betreten. Er mache es wie die Bauern von Köfering gegen die dortige Gräfin. Sie hätten sich mit Erfolg nach München gewandt. Er halte den Rat nicht für gültig sondern für untauglich, er betrachte ihn als einen Verwandtschaftsklüngel. Der lasse sich auch schmieren, alles sei ein Schmierentheater. Vor allem kritisiere er, dass Vater und Sohn Putz im Rat säßen, so wie Vater, Sohn und Heiliger Geist.2

Heute, im Jahr 2010, nach wesentlichem Anwachsen der zu erledigenden Aufgaben, nach unvergleichlicher Steigerung der Fertigungs- und Personalkosten, Differenzierung in Handwerk und Dienstleistung, besitzt der Markt einen eigenen Bauhof. Dort sind Spezialisten am Werk, gelernte Handwerker und geübte und erfahrene Hilfskräfte, die ihre Arbeit fachmännisch, kostenrational und bürgernah verrichten.

Momentan leitet den Bauhof Ludwig Hermann, der vor zwei Jahren den langgedienten Richard Hüber ablöste. Er meldete mir auf meine Bitte hin die Schwerpunkte des heutigen Bauhofs:

Straßenunterhalt und Instandsetzung, Pflege von Grünanlagen und Rasen mähen, Winterdienst, Unterhaltung der Gemeindehäuser, Schulen und Kindergärten, Spielplätze pflegen und mähen, Wasserläufe und Bäche unterhalten, Forstarbeiten durchführen und vieles Anderes.3

Bevor es Bestattungsinstitute gab, mussten die Leute vom Bauhof sogar die Gräber auf dem Friedhof ausschachten.

Auch die im heutigen Bauhof können es nicht allen recht machen, wenn sie sich auch große Mühe geben, zur Zufriedenheit aller nach den vorhandenen Mitteln und Möglichkeiten ihre umfangreiche Arbeit zu verrichten.

Die Anfänge des heutigen Bauhofs gehen auf Bürgermeister Emil Karl in den 1970er Jahren zurück. Der erste Capo der Bauhoftruppe war Ludwig Wachs, sen., der Vater des heutigen Bürgermeisters.

Die Standorte wechselten im Laufe der Jahre öfter: Es begann beim alten Rathaus an der Kaiser-Karl-V-Allee, dann kam das damalige Feuerwehrhaus an der Ecke Regensburger Straße und Straße nach Oberndorf, weiter bei Hermann in der Stinkelbrunnstraße, im Anwesen der Ottilie Wernthaler, Hinter der Vest, später im Kroppanwesen, wo heute das Altenwohnheim steht. Unter Bürgermeister Jakob Will wurde der Bauhof in den Jahren 1990/91 nach Gemling verlegt.4

1 Kammer Rechnung1798, S. 19v/20

2 Rats- und Verhörsprotokoll 29.4.1748. Archiv 8.5.1 (IX.1)

3 Bericht 20.01.2010 von Ludwig Hermann

4 Auskunft Richard Hüber, 21.01.2010.

Von |2023-12-03T06:22:12+01:003. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

074: Der „Polizeimeier“ zu Abbach

Will man jetzt gerade ein Gespräch via Telephon mit einem M(a)eier in Bad Abbach führen, entdeckt man gleich, dass es da, wie wohl überall, im Telefonbuch gewaltig „meiert“. Man tut sich schwer, den richtigen Adressaten herauszufinden, wenn man nicht gerade zufällig auch den Vornamen weiß.

Früher behalf man sich in einem solchen Fall zur Unterscheidung mit dem Hausnamen. Mein Großvater mütterlicherseits z.B. hieß Schmidbauer, aber alle sagten zu ihm Köglmeier. Das kam daher, dass auf dem Hof einmal ein respektabler Köglmeier saß. Und so hießen die Leute auf diesem Haus in Saalhaupt Jahrhunderte lang bis heute „Köglmeier“. Manchmal fügte man an den Familiennamen zur Unterscheidung auch die Berufsbezeichnung an, so z. B. der „Meier-Böck“, der „Meier-Wirt“ etc. Zu meiner Kinder- und Jugendzeit (1933 – 1950) gab es in (Bad) Abbach den „Polizeimeier“, Max Meier, sen mit seiner Hausfrau Walburga, Saugasse, später Straubinger Str.49 1/3, der letzte Bauernhof linker Seite Richtung Gemling, jetzt, nachdem das Anwesen verschwunden und ein Neubau errichtet ist, Römerstraße 36, mittendrin. Ich konnte mir nie einen Reim darauf machen, warum dies der „Poilizeimeier“ sei, nachdem der Mann kein Polizist, die verblichenen Vorfahren immer schon Bauern waren und auch keine persönlichen Wesensmerkmale auf den respektablen und autoritätsbehafteten Beruf des Gendarmen erinnerten. Die Letztgenannten waren zu meiner Zeit auch im alten Rathaus beheimatet und lebten dort mit ihrer Familie wie in Klausur, die der Kaste dieser Staatsbeamten fast angeboren schien. Erst allmählich löste sich diese Haus-Bindung für die größere Freiheit.

Jetzt aber im vorgerückten Alter, als Archivar von Bad Abbach, konnte ich nach eingehenden genealogischen Studien dieses Rätsel meiner Kinderzeit lösen:

Im Jahre 1796 tauchte in den Kammerrechnungen des Marktes Abach Georg Mayr auf: „Frey Resignierter Verwalter zu Wisend und Vicekammerer“, 1799 war er zum „Frey Resignierten Verwalter zu Wisend, Handelsmann, Amtskammerer (= Bürgermeister) und Rechnungsführer“ aufgerückt. Er führte auch ein Petschaftssiegel, manche werten es auch als Familienwappen, das er den Abacher Amtsakten in Siegelwachs aufdrückte. Man erkennt einen gefiederten Ritterhelm, der auf einem Schild mit vier quadratischen Feldern ruht. Aus einem Quadrat strahlt die Sonne, dem zweiten ein Stern, auf dem dritten wächst eine Blume und auf dem letzten befinden sich andere Gräser. Oben, zwischen dem Gefieder, thront ein Löwe, der einen Stock, oder eine Rute in den Pranken hält.

Ich erinnerte mich an mein Pädagogikstudium, Geschichte der Pädagogik, dass Stock und Rute, (virga et baculus, lat.) seit Johann Amos Comenius (1592 – 1670) als Kennzeichen der Lehrerzunft galten, wie die Brezel für die Bäcker. Es könnte aber auch sein, dass in diesem Fall die Rute an die Rutenbündel (Fasces, lat.) der römischen Quaestoren erinnert. Dann wären wir bei der Polizei des 18. Jahrhunderts, die vielleicht wie ihre barocken Dienstherrn, frühklassizistisch infiziert, die Rute gleichzeitig als Firmenschild der Pädagogen wie der Polizisten betrachtete. Das ist mir nun klar geworden: Der Name „Polizeimeier“ geht auf diesen Georg Mayr zurück, der in seinen Amtshandlungen in der Zeit des Max I. Josef zeitübliche, bei Gott heute unbrauchbare, Polizeiqualitäten bewiesen hat, vielleicht schon in Wisend, auf jeden Fall in Abach. In der Napoleonischen Zeit führte Georg Mayr die Bezeichnung „Administrator“, was schon mehr die Amtsautorität, nicht so sehr die persönliche Autorität, zum Ausdruck bringt.

Es sei hinzugefügt, dass Communal Administrator Georg Meier wegen Ablebens die Kammer Rechnung 1812/13 nicht mehr abschließen konnte, weil auch er dem Tod Tribut zahlen musste. Darum steht am Schluss der Vermerk: „Unterzeichnet im Namen der Wittib des verstorbenen Communal Administrators Mayr vom Sohn Alois Mayer.“[i]

(NB.: Die variierende Namensschreibweise kam in dieser Zeit auch in anderen Fällen vor, Das Amt wurde offenbar damals innerhalb der Familie vererbt und ging auch auf die Witwe über. )

074 Der Polizeimeier zu Abbach

[i] Rechnung über Einnahmen und Ausgaben der Communaladministration des Königlich Bairischen Markts Abbach, abgelegt für das Etatsjahr 1812/13, S. 26 v, S.31.

 Wir verdanken Georg Mayer immerhin eine interessante Notiz in der Kammer Rechnung 1799 S. 29v/30 aus der Zeit des 2. Koalitionskrieges und dem Jahr als Napoleon in Frankreich putschte:

„Lauth Spezification haben bey dem immerwährenden Durchmärschen k.k. und Russisch Kaiserlichen Truppen so viele Quartier (genommen), dass heuer wirklich 14 440 Mann übernachtet werden mussten, wobei aber sehr vieles vorkam. Auch dazu Heu, Korn und Haber liefern, ins Magazin führen und zu Ingolstadt schanzen müssen. Daher heuer ausgegeben 316 Gulden 41 Kreuzer 4 Heller.“

Man bedenke, dass der Markt Abach damals nur ca. 70, Schlossberg-Abach 20 Haushaltungen hatte !

Von |2023-12-03T06:20:39+01:003. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

075: Das Ortsbild von (Bad) Abbach – bis das Rote Kreuz kam

Im Jahre 2009 konnte der Markt Bad Abbach die Liegenschaften, die das BRK nach seinem Rückzug aus Bad Abbach in desolatem Zustand zurückgelassen hatte, käuflich erwerben. Diese Transaktion, wie der notwendige Abriss der hässlichen Gebäulichkeiten, wurden und werden öffentlich gefördert. Das Rote Kreuz, das besonders in den 1970er und 1980er Jahren architektonisch sehr rührig war, vernichtete ungebremst Erhaltenswertes und errichtete unansehnliche Zweckbauten, denen man nur wünschen kann, dass sie aus dem Ortsbild wieder verschwinden. Was ich der Erinnerung wert betrachtet hätte , was aber der BRK-Wind schon verweht hat, war das alte Badhotel. Zum Badbesuch der Landesmutter Maria Anna 1754 stand es schon, und bis in meine Jugendzeit war es der bauliche und gesellschaftliche Mittelpunkt des Marktes (Bad) Abbach.

075 Das Ortsbild von Bad Abbach bis das Rote Kreuz kam Foto Kurklinik

Als ich im Archiv eine Beschreibung des alten Schwefelbads suchte, das ich im Kern in obiger Ansicht abgebildet vermute, fand ich die Quartierliste vom 22. Mai 1754.[1] Damals beinhaltete das Haus der „(…) Baad und Preu Behausung in den oberen 2 Gaden (Stockwerken) das appartment, antechambre, Schlafzimmer, Baad Stuben, Tafelzimmer und die Hauskapelln, (..)“ Ein handschriftliches Papier zählt im Baad Haus 21 Zimmer, wie auch einen Zöchgaden, eine Wurstküche und eine übrige Küche, im anderen Haus (Brauhaus, jetzt das Personalgebäude in der Kochstraße, aber ohne obere Stockwerke) 10 Zimmer, dann einen Hofkeller mit 3 Nebenkellern und deren Zurichtung an Brettern (…)“

Was heute sprachlich Schwierigkeiten macht, ist das Wort „Gaden“. Da muss man schon das Bayerische Wörterbuch von Johann Andreas Schmeller bemühen. Bei ihm finden wir in Band 1 und 2 folgende Erklärung: „(…) Vor einem Jahrtausend bestunden in unserm Deutschland wol selbst die Burgen oder Höfe der Fürsten noch aus einer Verbindung von lauter einzelnen einstöckigen, nur einen Raum enthaltenden Gebäuden, wovon jedes für sich nach seiner Form und Bestimmung Gaden, Kementate, Sal, Palas, Stube oder Zimmer heißen konnte. 2.) ein Gemach ohne Rücksicht, ob es ein Gebäude, ein Stockwerk für sich bildet, oder neben anderen Gemächern nur ein Teil eines Stockwerks ist. (…)“.[2]

Nach meiner Interpretation und lebendigen Ortskenntnis handelt es sich bei „Zöchgaden“ im Gegensatz zum „Tafelzimmer“ um den alten Speisesaal, der in der Tradition der alten Abbacher Bürger Kursaal hieß, bis im Jahre 1978 der neue Kursaal in der Kaiser-Karl-V.-Alle gebaut wurde. Damals verschwand der alte Kursaal aus dem Bewusstsein, besonders der Neubürger.

Der alte Kursaal war zu meiner Kinder- und Jugendzeit (ca. bis 1960) gesellschaftlicher und kultureller Mittelpunkt des Abbacher Lebens. Hier fanden Tanzveranstaltungen und Theateraufführungen statt. An diesen Aufführungen war zu meiner Zeit meistens mein Vater als Geiger und Trompeter beteiligt, ich aber ( wegen meines kindlichen Alters als unerwünschter) Zuschauer und Zuhörer. Wir wohnten damals ja im Haus gegenüber im Haus Nößner, jetzt Bäckerei Müller Das Wirtshaus links neben dem Eingang war, es wurde zu meiner Zeit von den Wirtsleuten Alois Blenk und Anna Amann geführt, das am meisten besuchte Gasthaus in Bad Abbach. Was die Zimmer im oberen ersten Stockwerk betrifft, erinnere ich mich noch an den Rokokostuck an den Zimmerdecken. Beim Saal sind heute auch hässliche Anbauten und Umbauten zu sehen, die aber erst in den 1970er Jahren entstanden.

075 Das Ortsbild von Bad Abbach bis das Rote Kreuz kam Foto Kurklinik

Der Speiseaal um 1890 (Plakat/Archiv)

075 Das Ortsbild von Bad Abbach bis das Rote Kreuz kam Plakat Kurklinik

Ausschnitt aus einem Plakat der Lithographischen Kunstanstalt der Gebrüder Reichel, Augsburg um 1890.

Das Bild zeigt den ganzen ursprünglichen Bad-Komplex. Rechts herausgezogen der alte sog. Kaisersaal der nach dem Willen des Lenkungsausschusses 2011 nun dem Abriss zum Opfer fällt.

075 Das Ortsbild von Bad Abbach bis das Rote Kreuz kam Foto02 Speisesaal Kurklinik

075 Das Ortsbild von Bad Abbach bis das Rote Kreuz kam Foto03 Speisesaal Kurklinik

Speisesaal 1935. Erbaut lange vor 1730. Zum Abriss kam es 2011.

Es wäre noch über die Entstehungszeit des Badhotels inclusive Kursaal zu diskutieren.

Bei Dr. phil. et med. Johann Lehner (1623-74)[3] lesen wir, dass bereits 1465 im Wildpath ein aufgerichtes „Bad-Würthauß“ bestand, das allerdings „zimblich schlecht erbaut“ war[4]. Von Ludwig Michael Dietrichs (1754) allerdings wird berichtet, dass beim Bad-Wirt „Fleisch, Bier und Brod wohlfeil sind und man ein bequemes Wohnzimmer, nebst Mineral=Wasser so viel wie nöthig, Feuerholz, um wöchentlich 3 biß 4, monatlich 12 biß 16 Gulden“ erhält.[5] In den Jahren 1548 bis 1602 wurde von Hans Lienhart Kastner wahrscheinlich das gesamte Badanwesen zur oben erwähnten Form und im bekannten Umfang erweitert. [6]

Höhepunkte in Abach und dem Badanwesen waren der Kuraufenthalt Kaiser Karl des V. 1532 und der Landesmutter, Kurfürstin Maria Anna, 1754.

Es war bis in die jüngste Zeit Abbacher Tradition, dass im alten Kursaal diese erlauchten Herrschaften bereits gespeist hätten. Für Ersteren lässt sich allerdings der Beweis nur schwer erbringen.

In den Jahren, als das BRK am alten Bad-Hotel baulich zerrte, sollte auch der Kursaal der Spitzhacke zum Opfer fallen. Allerdings verhinderten einflussreiche Abbacher Bürger, obwohl das Haus nicht auf der Denkmal-Schutzliste stand, den Abriss, was nach Auskunft eines Insiders (Name dem Autor bekannt) dem damaligen Vertreter des BRK, Kurdirektor Schwarz, erhebliches Kopfzerbrechen bereitet habe.

Wir sehen hier das ehemalige Bad Hotel nach dem Umbau durch das BRK. Das steile Blechdach wurde notwendig, weil ein früheres Flachdach undicht war.

075 Das Ortsbild von Bad Abbach bis das Rote Kreuz kam Foto01 Speisesaal Kurklinik vor Abriss

Die Frontansicht von der Straße am Markt her ist sehr hässlich und bietet sich daher zum Abriss an.

075 Das Ortsbild von Bad Abbach bis das Rote Kreuz kam Foto02 Speisesaal Kurklinik vor Abriss

Das Fehlen des folgenden „Wolkenkratzers“ in der Ortsmitte wird den Bürgern Abbachs keine schlaflosen Nächte bescheren:

075 Das Ortsbild von Bad Abbach bis das Rote Kreuz kam Foto Klinik Bettenhaus vor Abriss

Lenkungsausschuss
Am Dienstag, 26. Januar 2010 ist ein eigens eingerichteter Lenkungsausschuss personell besetzt worden, dem man nur einen klaren Kopf und eine glückliche Hand bei der Überlegung, was aus den BRK Hinterlassenschaften werden soll, wünschen kann.

Hier die Mitglieder des Lenkungsausschusses: ( 07.02.2011):

Meier Josef, Gassner Ernst, Obermüller Konrad, Wagner Erich., Bürkstümmer Elfriede, Schmuck Ruth – Werbegemeinschaft, Brandl Manfred –Turismusverein, Eichinger Alfred – Einzelhandelsverband, Rauscher Raimund – Asklepios, Manglkammer Wolfram – Hotel- und Gaststätten, Schober Petra – Schober Architekten, Kraus Stephan – Schober Architekten, Wachs Ludwig – Bürgermeister, Wittmann Wolfgang – Bauamt, Brunner Georg – Verwaltung, Kaiser Tilmann – Kurverwaltung.

Dokumentation des Abrisses des obigen Badkomplexes vom 13. bis 26. April 2011 in ausgewählten Bildern unter II. (Geschichte) im Magazin/ Archiv. 18.2.3a

075 Das Ortsbild von Bad Abbach bis das Rote Kreuz kam Foto Klinik Abriss 01

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075 Das Ortsbild von Bad Abbach bis das Rote Kreuz kam Foto Klinik Abriss 04

075 Das Ortsbild von Bad Abbach bis das Rote Kreuz kam Foto Klinik Abriss 05

[1] Archiv 8.2.2. (VII.1)

[2] Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, Bd. 1 / 2 , Sonderausgabe, Oldenbourg , München 1985, Sp.871.

[3] Johann Lehner, Balnei Abacenses in Bavaria inferiore nova descriptio. Johann Baptist Lang V. Regensburg 21718. In: Dieter Wessinghage. Colloquia rheumatologica 37. Werk-Verlag Dr. Edmund Banaschewski. München-Gräfelfing. 1986, S. 23.

[4] Johann Lehner. A.a.O. S.34.

[5] Johann Michael Dietrichs. Abhandlung von dem berühmten Wild-Bade Abach. In: a.a.O. S. 39.

[6] A.a.O. S. 26.

Von |2023-12-03T06:18:28+01:003. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

076: Was sich in Abbach änderte, als Bayern ein Königreich wurde (1806)

Im Jahre 1983 musste ich als Konrektor an der Konradschule in Ingolstadt für die „Heimatkundliche Stoffsammlung“ des Staatlichen Schulamts die Periode des Herzogtums Ingolstadt didaktisch/methodisch aufbereiten. Für meine Arbeit schenkte mir der durch Presse, Rundfunk und Fernsehen bekannte Volksschriftsteller Georg Lohmeier sein unter dem Pseudonym Tassilo Herzwurm herausgekommenes Büchlein „Mein Königreich Bayern, Herzensbekenntnisse eines europäischen Provinzlers.“ Ich war nach der Lektüre von seiner Liebe zum Königreich und seinem Patriotismus so infiziert, dass ich ihm in meiner Arbeit inhaltlich und stilistisch nacheifern wollte. Es sei dahingestellt, ob es mir gelang.

„Einen König täten wir schon mögen – aber kriegen haben wir uns bisher noch keinen getraut“, erklärte Lohmeier einmal.1 Das Bayerische Königreich sei „immer auch ein wenig Demokratie gewesen (.) wie die Lex Baiuwariorum es bereits andeutet“, heißt es im Klappentext zum genannten Buch als Begründung von Lohmeiers Sympathie für das Haus Wittelsbach.

Als aber im Jahre 1806 das Kurfürstentum Bayern unter Max IV. Josef durch Napoleons Gnade zum Königreich unter dem nunmehrigen Max I. Josef erhoben wurde, scheint gerade auf kommunaler Ebene das demokratische Element unter die Räder gekommen zu sein.

In den Jahren 1805 und 1806 wird in den Kammer Rechnungen noch der Färber Adam Dax als Amts Kammerer und Rechnungsführer alter Prägung genannt, dem die Gremien „Innerer und Äußerer Rat mit 2 Gemeinderednern zur Seite standen.

Aber am 29. September 1806 kommt eine Organisations Resolution im Namen Seiner Königlichen Majestät an den Markt Abbach, die entscheidende Veränderungen in den demokratischen Verwaltungsstrukturen erkennen lässt.

Die Mitglieder des Inneren und Äußeren Rats wollten, wohl in Kenntnis der neuen Richtung, die Kammer Rechnungen gar nicht mehr prüfen, sondern erteilten ihr Blankoeinverständnis mit dem Zahlenwerk durch Unterschrift, „weil (.) der Durchmarsch der k.k.französischen Truppen hinderlich war“ dieses zu beurteilen.

Mit den Abgabeprivilegien verfuhr man anfänglich noch nach Punkt 31 der Marktfreiheiten von 1335, wonach z.B. für die 14 als Mannlehen2 besetzten Gerichtshäuseln am Schlossberg (Friedlberg) nur 1 Regensburger Pfennig für „Wohn, Waid und Wasser“ zu bezahlen war.

Ab jetzt sollte es nur mehr ein Lehen geben, und zwar das des Königs. Die Bürger von Abbach kämpften noch lange um ihre Privilegien.

Als aber 1807 der Handelsmann Georg Mayr offiziell zum Bürgermeister gewählt war, änderte sich vieles. Auch 1808 bis 1810 galt Mayr noch als gewählter Bürgermeister, was zu erkennen gab, dass auch der Bürgerwille noch Berücksichtigung fand. Im Etats Jahr 1811 wurde er als Administrator der Communal Administration des Königlich Baierischen Markts Abbach bezeichnet, was eine veränderte Amtsautorität erahnen lässt.

Schon am 29. September 1806 ließ die Königliche Landes Direktion von Baiern im Namen Seiner Majestät des Königs die Begründung für die administrativen Maßnahmen über das Königliche Landgericht Kelheim an den Markt übermitteln. Man sollte sich diese Maßnahmen gut merken, indem man sie ab jetzt jedes Jahr als Vorbemerkung in jede Kammer Rechnung schreibe. Aber das dauerte bei den Abbachern eine Weile, bis man der Anweisung folgte. Der Auftrag des Königs von 1806 lautete:

Aus der Kammer Rechnung sehe man, dass der Markt nicht einmal den Unterhalt des Marktschreibers, des Magistrats und des Dienstpersonals bezahlen könne. Bei diesen Verhältnissen werde folglich nicht nur die Verwaltung der Justiz dem Landgericht Kelheim übertragen, sondern es werde die bisherige magistratische Form mit den Privilegien aufgehoben. Die Besorgung der Magistratsgeschäfte würden allein dem zum Bürgermeister gewählten Handelsmann Georg Mayr übertragen. Er unterstehe nur mehr dem Landgericht. Der Marktschreiber bekomme ab jetzt eine Pension von 200 Gulden und der Gemeindediener von 30. Dafür müssten sie aber für den Markt noch zur Verfügung stehen, wenn man sie brauche. Alle Taxen, Löhne und Emolumente seien einzuziehen, auch die bisher übliche Ratswahltaxe, und alles sei zur gewöhnlichen Zeit an das Expeditionsamt eizusenden.. Der Bürgermeister habe ab jetzt alles zu verfügen, was dem Landgericht zur Erfüllung und zum Vollzug der organischen Verordnung notwendig erscheine. 3

München den 29.Sept.1806

Es ist anzumerken, dass die bisher demokratisch gewählten Gremium des Inneren und Äußeren Rates abgeschafft waren. Dem Bürgermeister Mayr waren bei der Abwicklung des Landgerichts Abbach und der folgenden napoleonischen Kriegslasten fast unbeschränkte Vollmachten erteilt.

1818 erfolgte eine völlige Neuordnung der Bayerischen Gemeinden, in der den Bürgermeistern, die später Vorstände genannt wurden, wieder ein Magistrat beigesellt wurde.

 1 Donaukurier 8./9.1.1983

2 Mannlehen: Die seit 1803 (Auflösung des Landgerichts) leerstehenden Gerichtshäuser waren an verdiente, ältere Bürger ausgegeben, soz. als Altersrente.

3 Kammer Rechnungen 1808 –1813. Einleitung. Archiv 9.4.1.a.

Von |2023-12-03T05:58:31+01:003. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

077: Wie (Bad) Abbach das Königreich begrüßte

Man könnte nicht behaupten, dass die Abbacher über den Amtsantritt des neuen Landesvaters, des Kurfürsten Max IV. Josef, um 1800, besonders glücklich gewesen wären. Sie waren nach Karl Theodor gebrannte Kinder! Aber gewiss hat es ihren Stolz beflügelt, als sie ihn auf der Karriereleiter trotz Napoleons Hilfe eine Sprosse höher stolzieren sahen.

Man kannte den Slogan „Wir sind Weltmeister ( der Herzen)“ noch nicht, oder gar „Wir sind Papst“! Aber immerhin dachten und fühlten fast alle: „Wir sind ein Königreich“!

Die kleinen Leute konnten sich zwar keine Hoffnung machen, dass sich jetzt der soziale Himmel öffnen würde. Wegen des freigeistigen Ministers Graf Maximilian von Montgelas hatte sich die weiß-blaue Seligkeit sehr verflüchtigt. Dieser hatte den Bayern ihre Feste genommen, ihre Lebensweise und Lebenslust ausgezehrt. Erst nach seinem Hinauswurf am 2. Februar 1817 konnte Max I. Josef, wie er sich ab 1806 als König nannte, seine Vaternatur ins Spiel bringen: Er war ja eigentlich „ein König, der alle Tage um sechs Uhr aufstand und um zehn Uhr zu Bett eilte, für jeden zu sprechen war und es mit jedem gut meinte, nicht schwelgte und trank, aber derben Witz liebte, breites Lachen und handfeste Grobheiten (…)“.[1]
Bildnis Max I. Josef auf einer Medaille (Archiv Bad Abbach)

077 Wie Bad Abbach das Koenigreich begruestte Muenze

Richten wir endlich unseren Blick auf die aufjubelnde Abbacher Seele des Jahres 1806 : Dabei hilft uns komischer Weise ein Eintrag in der Kammer Rechnung des Jahres 1805.Es handelt sich wohl um einen Nachtrag an falscher Stelle.

 „Zur Feier des von unserem verehrten Landesvater aufgenommenen Königstitel und gemäß Amtsschreiben des gnädigsten Landgerichts Kelheim erhielten wir nachfolgende Proklamation: Es sollen alle Kräfte des Marktes aufgeboten werden.

Wir kauften folglich 10 Pfund Pulver zu je 50 Kreuzer zur Abschießung der Stückl, dann 1 ½ Pfund zu 1 Gulden 6 Kreuzer. Für die brangernden Kinder verschafften wir 20 Limonien und Sträuße zu 2 Gulden 6 Kreuzer. Den Schützen wurde um 2 Gulden 45 Kreuzer Trunk gereicht. Die Musikanten erhielten zwei Gulden, der Paukenträger 12 Kreuzer.“

Hier durfte also wieder einmal gefeiert werden. Feiern wir die Feste, wie sie fallen und verschleiern wir unbekümmert unsere Not!

Endlich sollte ich den „brangernden Kindern“ mein Augenmerk schenken. Aus dem eigenen Sprachgebrauch kenne ich das Wort „brangen“ noch im Zusammenhang mit dem „Prangertag“. Im Volksmund war zu meiner Kinderzeit das Fronleichnamsfest der Prangertag. Fast keiner gebrauchte ein anderes Wort. Aber heute wird es eher selten gebraucht. Da ziehe ich ratsuchend den alten Wasserzieher aus meiner Lehrerzeit heraus. Hier finde ich: prangen, mittelhochdeutsch brangen = sich zieren, prahlen; mh. prank = Prahlerei,. Prunk; Prangertag (Steiermark) = Fronleichnam; urv. lit. brangus = teuer[2]

Am Proklamationstag wurde also auch in Abbach fröhlich gefeiert, indem man sich und die Umwelt in Prunk versetzte, mit Kränzen auf dem Haupt, mit dem schönsten Kleid gewandet, in einer Welt von Blüten und Blumen, wie sie die Jahreszeit hergab, mit geschmückten Häusern und wehenden Fahnen.

Es war schön, dass wir jetzt ein Königreich waren!

Max I. Josef
Aus Bucher, Reinhold, Cham. Die bayerischen Bürgermeistermedaillen (…)

077 Wie Bad Abbach das Koenigreich begrueste Muenze 02

[1] Hubensteiner, Benno. Bayerische Geschichte. Jubiläums-Sonderausgabe 1980. S.258.
[2] Wasserzieher, Ernst. Woher? Ableitendes Wörterbuch der deutschen Sprache .Ferd. Dümmlers V. Bonn 171963, S. 339.

Von |2023-12-03T05:57:14+01:003. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

078: Abbach im 30-jährigen Krieg (1618-1648)

Mit diesem dunklen Kapitel unserer Heimatgeschichte befassten sich in Kurzform schon alle bisherigen Ortschronisten wie G. Markus Gandershofer (1832, S.58 – 60), Friedrich Zahn ( 1887, S.9), Maximilian Hengge ( 1924, S. 11), etwas ausführlicher Fritz Angrüner (1973, SS 71 – 74). So stellt sich allgemein die Frage, warum ich mich noch zusätzlich auf diese Geschichte einlasse.

Die Begründung lautet, dass ich in den Kammer Rechnungen von 1639 bis über 1648 hinaus eine Quelle entdeckte, die bei den Genannten keine Berücksichtigung fand. Sie glaubten dem Hinweis, dass die Registratur des Marktes Abach in den Kriegswirren verloren gegangen sei. Fritz Angrüner berief sich sehr auf das Wissen um die tragischen Vorgänge in anderen nahen Orten und im ganzen Land, was natürlich auch nicht uninteressant ist.

Aus dem „Abbacher Heimatbuch“ von Fritz Angrüner zitiere ich z.B. einen Passus, der an die Zustände noch lange nach dem Krieg erinnert: „Viele Jahre dauerte es, bis sich das flache Land wieder erholte. (…). Die Felder waren zum Großteil unbebaut und mit Strauchwerk angeflogen. Der Mangel an Leuten und Zugvieh machte sich bemerkbar. (…). Von denjenigen Urbarshöfen, auf denen sich Überlebende befanden, gaben die Grundherren Beihilfen zur Bemaierung;(…) den Untertanen wurden 1648 auch die Gilten erlassen. Die Leute mussten wiederholt von der Obrigkeit aufgefordert werden, ihre Anwesen aufzubauen und zu bemaiern.

Der Wert der Güter war tief gesunken, so dass die Bauern nur ungern die Arbeit auf ihren Höfen aufnahmen. Wie der Chronist berichtet, konnte damals eine halbe Hube (= 20 Tagwerk) um 45 fl gekauft werden. Die Häuser ohne Feld bot man um den Spottpreis von 8 fl feil und mit Grund und Boden um 10 bis 20 Gulden. (…).“[1]

Es dauerte bis zu 200 Jahre bis nach den Zuständen infolge des Krieges normale Verhältnisse eintraten. Mein Urvater Andre Gierstorfer, Schmied in Abach (jetzt Maria Lindinger), musste noch um 1790 Kriegsschulden bezahlen, obwohl in der Zwischenzeit schon wieder ein paar andere unselige Kriege stattgefunden hatten.

Es gab in diesen Zeiten jedoch auch den umgekehrten Fall, nämlich der Vertreibung aus den Häusern und Unterkünften:

Abbacher Bürger kamen im Krieg und durch die nachfolgenden Seuchen ums Leben. Ihre Häuser und sonstigen Liegenschaften lagen verwaist danieder. In und auf ihnen ließen sich andere Leute nieder, die irgendwo geflüchtet waren und nun in Abbach endlich sesshaft werden wollten, wobei sie die leerstehenden Häuser herrichteten und zu den ihrigen machten. Dies ging aber, einem Bericht von 1747 gemäß, nicht gut aus:[2] In einem Kammer Rechnung Buch heisst es:

Da gibt es Leute, die „ mehreren teils ohne Vorwissen des Magistrats in den Markt hereingekommen, eben diese aber der Bürgerschaft das ihrige, in specie aber alles Klaubholz, Graserei, auch zum Teil alle Feldfrüchte sträflich und heimlich abzufischen pflegen, mithin der Communität durchgehend zur Last allhier geduldet werden. Und nun Vermög Churfürstlicher Gnädigster Generalien, ohnedem alle unansässigen Inleuth in ihre Geburtsorte, oder, wo sie sonsten das Decennium ersessen haben, geschasst und verwiesen werden sollen.

So ist bei heutiger Ratssession von den hiesigen Beisitzern, namentlich dem Jakob Sailler, dem Johann Kinnberger, dem Josef Pözl, dem Johann Listl, der Eva Schwankin , der Maria Krumprechtin der obrigkeitliche Auftrag dahin gemacht worden, dass sie inner der Zeit der nächsten vier Wochen den Markt räumen und sich in ihre Geburtsorte, oder wo sie sonsten das Decenium ersessen, begeben sollen, damit man nicht von Obrigkeits wegen vorgreifen und ausführen lassen müsste.“

Nun aber direkt zu Ereignissen aus den Kriegsjahren ab 1639, als sich teils lästige, teils freundliche Truppen über Abbach hin- und herbewegten.

078 Abbach im 30 jährigen Krieg Ansicht Burgberg

Burg und Markt Abbach um 1650 – 1700. Das gotische Kirchlein steht nicht mehr, die barocke Kirche existiert noch nicht (1736). Man erkennt aber die Marktkirche und das Regensburger Tor.

 

1639

Quartierlasten: Unmengen Soldaten waren unterzubringen. Sie besaßen hierfür jeweils ein Churfürstliches Patent. Der Ort war so verarmt, dass er die 67 Gulden Landsteuer nicht aufbringen konnte. Wegen der abgebrannten Häuser und Ödstätten wurden schließlich 13 Gulden erlassen.

 

1641

Auf jedes Haus wurde eine Quartierteuer von 1 Gulden 12 Kreuzer gelegt; Witwen brauchten nur 36 Kreuzer zahlen. Ohne Rücksicht darauf schickte der Kurfürst am 21.2. wieder sechs Soldaten und einen Gefreiten des Edelstetschen Regiments, denen Rindfleisch, Brot und Bier zu reichen war. Das kostete wöchentlich 4 Gulden zwei Kreuzer.

Unversehens lagen dann ein Oberster Wachtmeister in Begleitung von vier Reitern, die ein Generalmarsch-Patent hatten, im Schloss. Jede Nacht verschlang einen Gulden 46 Kreuzer.

Deserteure wurden hart bestraft. Einem Abbacher Zimmermeister mit Gesellen und dem Mauerer Ortlieb wurden für die Errichtung des Halsgerichts (= Ausdruck für Galgen, A.d.V.), das Abschleifen desselben und das Aufmauern der Brücke dazu etwa 4 Gulden entrichtet. Immer wieder wurden Männer den Familien entrissen und nach Kelheim zur Musterung einberufen. Man hatte zu allem Leid auch noch zwei gefangene Türken im Gefängnis zu unterhalten.

 

1642

Der Gastgeber Thomas Huber und der Bürger Ulrich Schölkshorn wurden bestraft, weil sie keine fremden Leute mehr beherbergen wollten. Hans Amann hatte sich gar erfrecht, ohne Vorwissen des Kammerers den Prüfeninger Mönchen Geld zukommen zu lassen, was am Ort selbst abging. Der Geschmack für öffentliches religiöses und kirchliches Leben war im Abach dieser Zeit schrecklich verkümmert.

Reichere machten sich auch schon daran, ihre Häuser neu aufzubauen. Es wurden ihnen deswegen die Steuern gemindert, wie man bei Thomas Thürmeier und Hans Aumer sehen konnte.

Die Pflegskommission schickte auch einen gefangenen Leutnant und sechs gefangene Musketiere. Die warf man zu den gefangenen Türken und erhielt sie sparsam am Leben.

 

1643/ 1644

Laufend mussten durchziehende Soldaten und Offiziere freigehalten werden. Die Verzehrszettel des Gastgebers Georg Metz und des Schneiders Leonhard Ofner, sind u.a. ein Relikt dieser belastenden Ausgaben.

Am Sebastiani Tag standen plötzlich 20 Soldaten des Gutterischen Regimennts , die nach Regensburg wollten, im Ort und verlangten Bier und Brot. Am 24. Juni haben drei Reiter des Generals Johann Dreiertl übernachtet und tüchtig gezecht. Auch Gemeindeangestellte soffen aus Anlass der Ratswahl mit dem Rentmeister zügellos und vergeudeten 4 Gulden 12 Kreuzer 4 Heller.

Damit das Geld aber vor den nahenden Schweden wieder sicherer aufbewahrt werden könnte, musste der Schlosser von Abensberg die Markttruhe reparieren und zwei Schlösser neu anbringen. Er bekam dafür einen Gulden.

In diesem Jahr scheinen die Schweden wieder ganz nah in unsere Gegend herangerückt zu sein, denn man machte sich Sorgen um das noch vorhandene Geld, besonders um das der Christophorus Kapellen. Man schrieb um Rat an die Regierung in Straubing, wie man das Geld verstecken solle. Die Antwort lautete:

„(…) Wir haben Euren unterthänigsten Bericht empfangen und daraus vernommen, was Gestalten Ihr (.) anfraget, wie es mit St. Christophorus Capellen zu Abach aufliegentem Gelt zu halten sein möchte. Hierauf wisset Ir, die Gelter solcher Gestalt versichern zu lassen, damit das Gotteshaus künftig khein Gefahr oder Verlust zu gewartten hat, denn widrigen Falls man solch Verlust bei Euch selbsten suchen würde. Was uns anlangt, wollen wir hiermit verwilligen, dass ihr dergleichen, jedoch mit eingezogenen Hand, trachten möget. Am 7. Juli 1644. Johann Friedrich Frei und Edler Herr von Prinzgenau zu Wildenholzen und Vicedomb auch ander Churfürstl. Rhat der Rgierung Straubing.“[3]

 

1645/46

Der Hufschmied Hans Auer warf dem Rat die Einberufung auf den Tisch und sagte, er gebe es ihnen auf ihren Leib und auf ihre Seele, ihn umzubringen. Dafür wurde er streng gestraft.

Solches ist ein Zeichen der Verzweiflung, die alle erfasste, die keinen Sinn für diesen Krieg mehr sahen.

Das Landgericht endlich kaufte an Stelle des Marktes ein Artilleriepferd um fünf Gulden.. Dieses musste aber der Marktdiener wenigstens nach Landshut führen. Dabei sollte er gleich um den Nachlass der Landsteuer bitten.

Am 1. März lag dem Markt schon wieder ein Oberster Leutnant Wolpott unter dem kavalerischen Regiment samt seinem Reiter und einem Jungen auf der Pelle. Am gleichen Tag erschien Johann Strack, ein Feldwebel, mit sechs Reitern vom Zöllnerischen Regiment. Am 28. März sind 13 Soldaten, sieben von dem Zöllnerischen Regiment und sechs von den Obersten Rauschenberg, die guten Pass hatten, zu Mittag da gewesen; schon am Tag vorher waren vier Soldaten vom Obersten Wilhelm Forstmann präsent.

Am12. April rückten 10 Soldaten vom Obersten Rauschenberg an.

Am 1. Mai trafen zwei weitere Reiter vom Kolbischen Regiment ein und am 13. Mai 24 neu geworbene Reiter, die allerdings nur beim Durchmarsch verpflegt werden mussten. Am 5. Juni standen schon wieder fünf Soldaten vom Obersten Rauschenberg zum Bewirten an der Schwelle. So ging es das ganze Jahr über weiter.

Im neuen Jahr sah es nicht anders aus:

Am 30.1. tauchten zwei Soldaten des Generalquartiermeisters auf, am 18. Februar zwei flüchtende Geistliche, am 26.2. ein Armer von Adel aus dem Bistum Bamberg, am 1.3. ein vertriebener Schulmeister, dann kam der Soldat Hans Windel, der 11 Jahre gedient hatte, nach Hause.

Am 18. August oblag es Herrn Langer, wieder ein Artillerie- Pferd nach Regensburg zu führen. Für dieses musste man Sattel und Geschirr samt allem Zubehör anschaffen. Für den Knecht, der das Pferd benützen sollte, musste man um 1 ½ Gulden auch noch die Stiefel kaufen.

Es standen, wie jedes Kriegsjahr vorher und nachher, wieder 53 Gulden 20 Kreuzer auf der allgemeinen Schuldenliste, die der Rentmeister des Churfürsten servierte. Der Betrag wurde immer auf die Häuser umgelegt.

 

1648

Man hatte am Anfang noch keine Ahnung, dass es das letzte Kriegsjahr sein sollte, im Gegenteil: die Schweden brachen wieder über Nördlingen herein. In Abach schlug das kaiserliche Hauptquartier sein Zelte auf. Dieses schickte an einem Tag z.B. zwei Kuriere nach Abensberg und gleichzeitig trafen 12 Boten ein. Alle verlangten Brot und Bier, was man ihnen nicht verweigern durfte.

Georg Valtin schickte man wegen der 23 Göllnerischen Reiter mit einer Bittschrift zur Regierung nach Straubing, was jedoch für die Katz war. Alles vergeblich! Auch Simon Pöll ritt zuerst zum bayerischen Hauptquartier nach Schierling und dann zur Kriegsverwaltung nach Stattamhof. Jeweils mit der Bitte um Schadenersatz. Aber man erfuhr immer nur eine Abfuhr. Schade um das zusätzlich ausgegebene Geld! Man könnte die Liste der Betteladressen fortsetzen, wenn es nicht zu ermüdend wäre.

Man wollte in diesem Jahr in Abbach eine Schiffbrücke über die Donau schlagen, wohl um die Kriegszüge umzuleiten. Aber da war die Zustimmung der Behörden in Ingolstadt und Kelheim einzuholen. Ob die Genehmigung erteilt wurde, ist nicht berichtet.

In dieser Zeit gab es nur mangelhafte Nachrichtenwege. Man musste sich immer mit Kundschaftern aus der Klemme helfen. So ritt am 21. Mai Georg Ibler nach Neustadt, um zu eruieren, ob die feindliche Armee über den Lech gegangen sei. Am 30. August schickte der Markt den Schreiner und den Ibler wegen der Friedenskontribution nach Salzburg und Ingolstadt. Michael Artinger sollte in Regensburg erfragen, ob anrückende Reiterscharen wieder – was Gott verhüte – den Ort passieren.

Immer und immer wieder hatte man es mit ganzen Soldaten- und Reiterschwärmen zu tun, die den Leuten das letzte Essbare wegschnappten.

Der Bader Hans Sandtner wurde nicht damit fertig, geschädigte (= verwundete) Soldaten zu verbinden.

 

1649/50

Die Nachkriegszeit gehörte vornehmlich den fremden und entwurzelten Bettlern, die wie Heuschrecken über den Markt hereinfielen. Dabei starben viele an Entkräftung. Der Christof Hofmann auf der Au (= Ortsteil von Abach), Abdecker, musste am 9. Mai drei tote Bettelmenschen begraben, einen in Peising und zwei hier am Ort.

Dem Amtmann Stern vom hiesigen Landgericht ging wegen unterschiedlichem Stockhauen die Arbeit nicht aus. Er musste für seine „Arbeit“ von der Gemeinde noch ordentlich bezahlt werden!

Am 11. Juni wurden ein armer Bettelbub und ein armer Schulmeister aus Rohr aufgegriffen. Man konnte all den verarmten dahertreibenden Elendskreaturen ein paar rettende Brocken nicht verwehren.[4]

Schon am 29. November 1644 hatte „Von Gottes Gnaden, Hl. Röm: Reichs Ertztrugseß und Churfürst Maximilian, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Obern und Nieder Bayern, allen und jeden unserer nachgesetzten Obrigkeiten und Gerichtsbeamten, sodann Prälaten, Ritter und Burgerstandt, wie auch insgemain allen anderen Unsern Beamten, Inwohnern und Unterthanen, in Städten , Märkten und auff dem Lande, nit weniger denen Personen, so anderer Orten sesshaft, aber in Unseren Landen Güter, Rent, Gült, oder Einkommen haben(…)“, mitgeteilt, „wie wir der schweren, und gleichsam nunmehr unerträglichen Kriegs- und Landsdefensions Außgaben (…)“ her werden müsssen. Hierbei kam keiner aus, ob arm oder reich. Die Beträge reichten den Verhältnissen angemessen von Kreuzern über Gulden für die Betuchteren und zum „zehnten thail“ des Einkommens oder Besitzes der Privilegierten. 1645 trat die „Extraordinari Kriegshilf“ dann in Kraft.[5]

078 Abbach im 30 jährigen Krieg Ansicht Dokument

078 Abbach im 30 jährigen Krieg Ansicht Abbacher Kleinigkeiten

[1] Angrüner Fritz. Abbacher Heimatbuch 1973, S.73

[2] Ratsprotokolle 1747, S. 199. 24.7.1747. Archiv 8.5.3. [2]

[3] Brief der Regierung in Straubing an den Markt Abach vom 7.7.1644. Archiv 8.4.2 (II.2).

[4] Auszüge aus den Kammer Rechnungen 1639 – 1662. Archiv 9.4.2.

[5] Kriegs- und Landesdefensionsdekret von 1644. Druck. Archiv 8.2.3.c (nach Maßnahme St).( vorl. Rep. 8.4.3.a.)

Von |2023-12-03T05:52:54+01:003. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

079: Dienstboten in A(b)bach in der sogenannten „guten alten Zeit“

Man erinnerte sich zu allen christlichen Zeiten an das Bibelwort „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen!“ Damit war auch schon ausgedrückt, dass Kranken und Hilflosen geholfen werden muss.

In der Kurfürstenzeit verfuhr man mit Arbeitsunwilligen rigoros. Hier ein Beispiel: In einem Rats- und Verhörsprotokollbuch von 1767 wird einem Vater die Ausweisung seiner Tochter angedroht, wenn er sie nicht in den Dienst gibt: „ Sebastian Reithner (.) wird hiermit obrigkeitlich aufgetragen, dass er seine Tochter längstens bis hl. Lichtmessen in Dienst schicken soll, außer dessen man solche aus dem Markt schaffen thäte.“[1]

Im Falle eines Dienstverhältnisses wachte das öffentliche Auge sehr darauf, dass auch alles rechtens zuging, und sich kein „schlampiges Verhältnis“ entwickelte: Auch dazu ein Beispiel: Peter Permander, bürgerlichem Schuhmacher, wird hiermit allen Ernstes aufgetragen, dass solcher die Barbara Hüllnrainerin, lediges Mensch, aus dem Haus in einen Dienst schaffen solle, als außer dessen in der Zeit von 8 Tagen die Möbeln auf die Gassen geworfen würden und er Permander die andiktierte Straf bezahlen müsste.“[2]

Oder: „Der Catharina Forsterin, bürgerlicher Musikantin von hier, wird hiermit allen Ernstes aufgetragen, dass sie dem ehemaligen Glasergesellen ( ein Mitmusikant? A.d.V.) keinen Unterschlupf mehr gestatten solle. Im Weigerungsfall soll sie und ihre Tochter auf nochmaliges Abraten öffentlich in die Geigen gestellt werden“[3]

Die Dienstboten selbst und deren Eltern achteten vor Dienstantritt sehr darauf, ob der neue Dienstherr und seine Ehewirtin einen guten Ruf hatten, und wie man als Mensch respektiert war. Auch Verpflegung und Unterkunft spielten eine Rolle. Letztere unterlag bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts sogar der öffentlichen Kontrolle. Bei allgemeinen gemeindlichen Hausbesichtigungen wurde festgestellt und in Protokollen vermerkt, ob die Gesindekammern abgesperrt werden konnten. Dies sollte sittlich verwerflichen Übergriffen der Dienstherren und männlicher Mitarbeiter, sowie dem Tatbestand der strafbaren Kuppelei vorbeugen. Es kam vor, dass sich der künftige Dienstherr schon mit Absichten eine attraktive Dienstmagd aussuchte. Außereheliche Kinder waren nicht selten! Verniedlichend nannte man solche Verhältnisse „Das Hausbrot essen“.[4] Nicht selten machte eine soziale Schief- oder Notlage in der Herkunftsfamilie Mägde gefügig.

Für folgenden Fall aus dem Pfarrhof 1835 nehmen wir an, dass Ähnliches nicht aktuell war. Es handelt sich lediglich um eine Entlohnliste aus der Landwirtschaft. Der Pfarrer sollte sich mit dem Verdienst der Dienstboten korrekt verhalten, wollte er als Vorbild glaubhaft sein:

Der Baumann ( Verwalter/ 1. Knecht) ) Michael Renner bekommt einen Jahreslohn von 45 Gulden. Nach der Ernte 4 Gulden 48 Kreuzer Trinkgeld. Von jedem verkauften Schaff Getreide erhält er 6 Kreuzer. Täglich bekommt er eine Maß Bier. Es gibt für ihn ein jährliches Darangeld von 2 Gulden 24 Kreuzern, dazu 1 Pfund Schuhschmiere. Der andere (zweite) Knecht Michael Franzmüller bekommt einen Lohn von 32 Gulden, für ein Paar Schnürschuhe 4 Gulden, für die Leinwand 3 Gulden, ein jährliches Drangeld von 1 Gulden 21 Kreuzern. Dazu 1 Pfund Schuhschmiere.

Der Knecht Georg Blaicher erhält einen Lohn von 40 Gulden, 2 Hemden ( 8 Ellen), ein feines und ein grobes – und 5 Ellen zu Beinkleidern und Jäckchen, jährliches Drangeld 1 Gulden 12 Kreuzer, ein Pfund Schuhschmiere. Die Große Dirn bekommt einen Lohn von 25 Gulden, für ein Paar Schnürschuhe 3 Gulden, für einen Rock 4 Gulden, 10 Ellen feine und 10 Ellen gröbere Leinwand oder dafür 4 Gulden, 1 Viertel Wachs, 1 Pfund Schuhschmiere, jährliches Drangeld von 1 Gulden 12 Kreuzern. Die Kleine Dirn Magdalena Kiendl bekommt einen Lohn von 20 Gulden, für ein Paar Schnürschuhe 3 Gulden, für einen Rock 4 Gulden, 10 Ellen feinere und 10 Ellen gröbere Leinwand, oder dafür 4 Gulden, 1 Pfund Schuhschmiere und ein jährliches Drangeld von 1 Gulden.

Die Kleinmagd Gertraud Ett l(….) (Text verdorben)

Die Köchin Katharina Muhr bekommt einen Lohn von 45 Gulden, zum Namenstag 2 Gulden 42 Kreuzer, zum neuen Jahre 2 Gulden 42 Kreuzer, ½ Pfund Wachs.[5]

NB. Wachs benötigte man außer zu religiösen Zwecken auch zur Beleuchtung von Zimmern und für die Laterne. Elektrische Beleuchtung gab es noch nicht.

Beim Pfarrhof handelte es sich um einen beachtlichen Betrieb:

Es waren 3 Knechte, 3 Mägde und eine Köchin im Dienst des Pfarrers.

Es bleibt zu bemerken, dass der Gulden 60 Kreuzer hatte. Im Jahr der Umstellung vom Gulden zur Reichsmark 1875/ 76 wurde .der Gulden mit 1, 71 RM getauscht.

Den Realwert des Lohnes der Dienstboten betreffend siehe Folgendes:

1816/17 war ein Hungerjahr wegen Misswuchs.[6] Nach anfänglich astronomischen Lebensmittelpreisen schraubte die Regierung diese durch eine neue Satz (=Satzung) herunter.

Für längere Zeit, jedenfalls ab 1819 und in den Folgejahren, galten folgende Lebensmittelpreise. Dies zur Relativierung der Gehaltsliste des Gesindes.

Es galt:

1 Pfund bestes Ochsenfleisch 10 Kreuzer

1 Pfund geringeres 9 Kreuzer

1 „ Kuhfleisch 8 Kreuzer

1 „ Kalbfleisch 9 Kreuzer

1 „ Schweinefleisch 12 Kreuzer 2 Pfennige

1 „ Schaffleisch 7 Kreuzer 2 Pfennige

Für das Überschreiten der Preise wurde eine Geldstrafe ( z.B. 5 Reichstaler für den Metzger) angedroht. Die Satz wurde laufend aktualisiert. Für die Maß Sommerbier durfte der Brauer 4 Kreuzer 2 Pfennige verlangen. Der Wirt 5 Kreuzer.

Es wurde auch das Gewicht und der Preis für die 1 und 2 Kreuzer- Semmel, das Ein und 2 Kreuzer Röckel und für den 1 Metzen- bis 1/16- Metzenlaib (von 40 Kreuzern bis 2 Kreuzer 2 Pfennige) genau festgelegt. Ebenso für das Mehl aus Weizen (Schäffl 11 fl 27 X) und Korn (Schäffl 8 fl 30 X)[7]

Später in der Zeit des Kaiserreichs ( nach 1871) führte die Gemeinde zum Zwecke der Ordnungskontrolle, der gerechten Entlohnung und wegen anderer sozialer Gesichtspunkte ein „Verzeichnis über die in der Gemeinde befindlichen Dienstboten“ ein.

Das Buch war alphabetisch geordnet und gut übersichtlich.

Gefragt war nach:

1.Vor- und Zuname, 2.Heimat, 3.Alter, 4.Jahreslohn, 5.Name des Dienstherrn und Hausnummer, 6.Zeit des Diensteintritts, 7.Austritt, 8.Zeugnis.

Über den Jahreslohn fehlen schamhafter Weise meistens die Angaben! Einige Beispiele:

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Danner Georg

Elsendorf

58

150 M

Blaimer, Donaumüller

Febr.1886

Hüber Theres

Pfatter

19

80 M

 Max Gerbl

Gaststätte

25.7.1870

Seit 25.7.1878 bei Franz Meier, Metzger

Gutes

Zeugnis

Pfeifer Magdalena

Abbach

16

60 M

Lehrer Förstl

25.7.1879

Sehr gutes Zeugnis

Reisinger Theres

Eichhofen

19

50 M

Josef Aumeier Hs.Nr.12

2. Februar 1879

Lichtmeß

2. Febr. 1880 zu Georg Schlauderer Vordermüller zu 80 M

Sehr gutes Zeugnis

 

[8]

Der Dienstbote/ die Dienstmagd hatte seinerseits/ ihrerseits ein Dienstbotenbüchlein zu führen, das er/sie beim Antritt einer neuen Stelle vorweisen musste. Beim Dienstende war vom Dienstherrn ein Zeugnis auszustellen und einzutragen.

1892 führte die Gemeinde von sich aus bindende Lohnsätze  für den Geltungsbereich Markt Abbach und die unmittelbar darauf eingegliederte Gemeinde Abbach-Schloßberg  ein:

  1. für einen männlichen Arb. über 16 Jahren jährlich  420 M
  2. „       „      „                   „     unter  „    „            „      240 M
  3. „       „      weibl.           „      über  „    „            „      300 M
  4. „       „      „                   „      unter „    „            „      180 M.[9]

Unterlagen für das, was man sich für das Geld zu dieser Zeit kaufen konnte, fand ich in den Akten leider nicht! Die Reichsmark, auch Goldmark, stand gut im Kurs!

[1] Rats- und Verhörsprotokolle vom 28.12.1767, S.202. Archiv 8.5.3.

[2] Rats- und Verhörsprotokolle vom 12. Nov. 1768, S. 240. Archiv 8.5.3.

[3] Rats- und Verhörsprotokoll vom 12. April 1776, S.44. Archiv 8.5.3. Forts.

[4] Wohnungslisten. Archiv von Bad Abbach, Ortsteil Lengfeld. VIII.5.1.2

[5] Pfarrarchiv. Pfarrer Holzinger ( 1829-1838).

[6] Hubensteiner, Benno. Bayerische Geschichte. Süddeutscher Verlag.München 1980, S. 256.

[7] Schreiben des königlichen Rentamts Kelheim an den Markts Magistrat Abbach v. 14. Jan./ 1 und 9.Febr./ 7. und 22.März/./26. April 1819..

[8] Dienstbotenbuch. Archiv Bad Abach,XI.21.2.3.a.

[9] Statutenbuch der Gemeinde Abbach-Schloßberg für die Jahre 1863/64- 1892.

Von |2023-12-02T20:41:49+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

080: Bevor die Aufklärung (18. Jahrh.) Abbach erreichte

Folgende Berichte erstatte ich ohne Schuldzuweisung oder Wertung, sine ira et studio sozusagen, aber aus geschichtlicher Redlichkeit. Mir persönlich tut ja bei meinen Berichten heute nichts mehr weh, was ich von mir nicht zu allen Zeiten behaupten konnte. Man muss die Ereignisse auch mit ihrem „Sitz im Leben“ sehen. – „Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen“ – Die damals Betroffen werden solche Sachen schmerzlich und ärgerlich empfunden haben.

Im Gefolge des 30-jährigen Krieges kamen Menschen verschiedener Religionen (z. B. Türken) und Konfessionen in den Markt. Protestanten waren im erzkatholischen Markt Abbach rar, weil sie nicht gut geduldet waren. Noch 1850 lebten nach einem Bericht von Pfarrer Martin Otto nur sieben Evangelische in Au, Gemeinde Abbach- Schlossberg, nämlich die Familie Ziegler auf der früheren Donaumühle, dem heutigen „Waldfrieden“. Sie gehörten zur Oberen Pfarr in Regensburg.

1714 wird berichtet, dass ein lutherischer Mann, der hier das Leben ließ, nicht im Bergfriedhof bestattet werden durfte, sondern neben dem Leprosen- oder Armenhaus an der Straße nach Oberndorf ohne besondere Zeremonie vergraben werden musste. Dafür bekam der Totengräber Reithner 18 Kreuzer.[1]

1733 wird über Verstöße gegen die geschlossene, heilige Zeit von Peter und Paul berichtet, über Tanzen und Zechen der jungen Leute: „ Zumalen von der Bürgerschaft vor und angebracht worden, dass Johann Wallner, Bürger und Bierbräu wider die gnädigst emanierte General- und löbliche Polizeiordnung die Zechleut am jüngst vergangenen heiligen Peter und Paul Fest über die Zeit und besonders die jüngeren Personen mit ihrem Tanzen geduldet hat. Deswegen ist er erstmals, aber mit ernstlichem Verweis um ½ Pund/Pfennig bestraft worden“ In gleichem Zusammenhang wurde gegen Johann Caspar Yberl verhandelt. Ihm als jungen Bürger und Meier wurde sogar angedroht, „ wenn er sich weiters unterstehen sollte, die Zechleut so spät über die zeitliche Abboth aufzuhalten, wird er alle Zeit doppelt gestraft“ werden.[2]

Was folgt, ist ein Fall von Unmenschlichkeit unter dem Mantel der angeblich guten Sitte und der heiligen Religion:

„Obwohl Andreas Schels, bürgerlichem Maurer der Orten, 1738 unter Androhung von 3 Pfund/ Pfennig (Pfund/Pfennig = ca. 1,5 Gulden) vom Magistrat verboten worden ist, dass er seiner schwangeren Schwester, die erst schon eines Kindes geschwängert wurde, keinen weiteren Aufenthalt gestatten solle, und weil er aber dessen ungeachtet seine Schwester sogar Kindsmutter werden ließ, hat man diesen erwähnten Pönfall (= Straftatbestand) nicht nur (bei Gericht, A.d.V.) eingebracht, sondern zusätzlich noch einen ernstlichen Verweis gebend um 3 Pfund/Pfennig bestraft.“[3]

Im folgenden Fall handelt es sich um rückständige Zinsen für Geld, das die Christophorus und Corporis Christi Bruderschaft ausgeliehen hatte. Es ging um Androhung einer Beschwerde an die Regierung in Straubing. Daraus sieht man: Die Pfarrei im Verein mit dem Magistrat klagte an, und der Staat vollzog die Strafen. Zweckehe von Thron und Altar!

„1.bei heutig gehaltener Ratts Session sind der Bürgerschaft unter anderem Kaiserliche allergnädigste Regierungsbefehle publiziert und expliziert worden.

2. ist denjenigen Bürgern, welche schon viele Jahre hiero Zinsen zu der Würdigen Stancti Christophori Capellen und Lobsamen Corporis Christi Bruderschaft ausständig sind, hiermit allen Ernstes aufgetragen, dass sie solche nach der Arntzeit ( = Erntezeit) und nach diesem Herbst herüber um so gewisser bezahlen sollen, als man außer dessen gezwungen wär, diese Restanten beim Wohllöblichen Rentamt Straubing zu überschreiben, und hierüber gleichwohl die anbefohlenen Exekutionsmittel abzuwarten, damit man sich von Magistrats wegen außer Gefahr und Verantwortung sehen kann.“[4]

 Hier nun erfahren wir vom Zwang auf unliebsame und daher ungeduldete Mitbürger:

„Martin Stuber, Häusler auf der Au, ist der Gestalten in Punkto Diebstahl graviert worden, dass er in Folge gnädigsten Regierungsbefehls vom 28. November 1746 wirklich auf dem öffentlichen Pranger mit einer in Nacken gesteckten Ruten geschlagen und hernach sowohl der Lande zu Bayern als auch der Oberen Pfalz relegiert wurde.

Und weil er nun gegenwärtig wiederum die Landshuld erhalten hat, aber unter einer ehrlichen Gemeinde der diesortigen Bürgerschaft, als ein öffentlich gezeichneter Mann, der schon unter des Scharfrichters Händen gestanden ist, nicht mehr geduldet werden kann, wird ihm von Magistrats wegen obrigkeitlich aufgetragen, dass er innerhalb der Zeit eines Viertel Jahres entweder selbst verkaufe, und das bürgerliche Haus mit all seinen Zugehörungen, das er besitzt, so gut als er kann veralieniert, oder im Unterbleibungsfall gewärtigen muss, dass man von Magistrats wegen vorgreifen, folglich das Eine wie das Andere eidlich schätzen und dem mehr Bietendem verkaufen werde.“[5]

Es existierte eine schizophrene Moralvorstellung, die den Vollzug der Todesstrafe billigte, aber die notwendige Hilfe zur Vermeidung eines Unglücks beim Aufstellen des Galgens mit Strafe belegte. Es handelt sich um den Metzger Simon Berghammer aus Oberndorf, der 1747 von der Metzgerinnung wegen seiner Hilfe Berufsverbot erhielt, weil er sich kultisch und gesellschaftlich durch das Berühren des Galgens gleichsam zum Unberührbaren erniedrigt habe. Erst mit Hilfe der Regierung in Straubing konnte er wieder am normalen Leben Teil haben:

„Nachdem Simon Perghamber, Metzger zu Oberndorf, und eingezünfteter Mitmeister eines Handwerks der Fleischhacker alhier bei seinem Handwerk nit mehr gut erkannt und zum Ausschluss gezwungen werden sollen, weil er in abgewichener Zeit , da hiesigen Orten, das Hochgericht erbaut worden, seine Hand angelegt hat, eben diese seine Beihilf aber anderst nit als zur Verhütung des größten Unglücks, und darumben geschehen, damit niemand wegen der allzu schweren Bäume beschädigt, oder wohl gar erschlagen werden möchte, allermaßen die Zimmerleut zu der Erhebung viel zu wenig gewesen, etc.“ , darum erteilte ihm die Regierung gnädig Absolution.[6]

An das Sonn- und Feiertagsverbot war offenbar sogar das Rindvieh auf der Weide gehalten:

„Denen mit Mandat versehenen Bürgern wird der vor zwei Jahren schon wegen des Hütens unter der Kirchenzeit erfolgte gnädigste Befehl noch einmal publiziert, und in Konformität dessen obrigkeitlich aufgetragen, dass sich selbe unter der Kirchenzeit an Sonn- und Feiertagen zu hüten nicht unterfangen sollen, sondern sich selbst vor Strafen bewahren sollen (…)“[7]

Es folgt ein Fall von Sitte.: Am 26.6.1749 war Georg Scheuerer aus Weichs als Zeuge in einem delikaten Fall gerufen: „ Unter heutigem Dato hat man auch einen Befehl wegen des Badens und wegen des Hütens unter der Kirchzeit an Feiertagen publiziert, endlich auch wegen der verdächtigen Liegestätten beiderlei Geschlechts. Der anwesenden Bürgerschaft hat man den Auftrag getan, dass sie sich in Konformität dessen gleichwohl selbsten außer Straf setzen soll.“[8] In solchen Zusammenhängen ging eine ernste Aufforderung mehrmals an den örtlichen Bader, den man wegen seines Berufes ohnehin schon wegen Unsittlichkeit in Generalverdacht hatte.

An anderer Stelle heißt es:

„Auf Pflicht gemäßes Anbringen des diesortigen Ratsdieners, dass bei der Schererischen Bierbräuin und Witwe eine fremde Weibsperson , so schwanger und nicht sagen will, wer sie sei, sich aufhalte, hat man von Magistrats wegen ihr Schererin den ernstlichen Auftrag getan, dass sie bemelte schwangere Weibsperson von nun an nit mehr gedulten, noch nimber aber bei ihr Kindsmutter werden lassen solle.“[9]

Der nächste Eintrag handelt von einer Verletzung der Feiertagsruhe:

„Dionys Volger, bürgerlicher Hintermüller wird hiermit von Magistrats wegen allen Ernstes verwiesen, dass er am verwichenen St. Mathias Tag und während des hl. Gottesdienstes das Gemahlte von und zur Mühle geführt. Dabei wurde ihm nebst 1 Pfund/Pfennig Strafe aufgetragen, solches künftig zu unterlassen und zu ferneren Strafen nicht Ursach zu geben.“

Weiter: „Obigem Volger und Thomas Ranftl, Vordermüller, wird von Obrigkeit wegen geschärften Ernstes verwiesen, dass sich solche unterstanden haben, am jüngsten Quatembersonntag während des Gottesdienstes die Mühle umlaufen zu lassen, sohin knechtliche Arbeit zu verrichten. Dabei wurde ihnen bei einer Strafe von ½ Pfund /Pfennig aufgetragen, zukünftig solches zu unterlassen.“[10]

 Wie wir sehen, hafteten Eltern für ungezogenes Verhalten ihrer Kinder beim Gottesdienst mit Geld: „ Anton Becks Sohn hat sich unterstanden, in der Marktskapelle unter dem Rosenkranz sich mit Lachen und Stoßen ungebührlich aufzuführen. Also wird dem ein solches allen Ernstes verwiesen, die künftige Unterlassung aufgetragen, und von damalen mit 17 Kreuzern für die Kapelle bestraft.“[11]

Es geht auch um die österlichen Pflichten:

„Annoch von tituliertem Herrn Pfarrer von hier unterm 6. dieses Monats Anschreiben anhero erfolgt, dass Georg Punk, Traxler, Martin Mackl, Maler und Susanna Spanner, Witwe, alle drei Bürgerspersonen, ihre österliche Pflicht heuer unterlassen, zum größten Ärgernis der Pfarr und des ganzen Marktes diese nicht verrichtet haben. Dies aber will alle Ehrbarkeit und das Kirchengebot. Dies wurde ernstlich verwiesen und der geschärfte Auftrag gemacht, dass sie nach vorhergängiger Beicht, welche sie an einem anständigen Ort verrichten können, doch davon ein glaubwürdiges Attest beibringen müssen, künftigen Sonntag in der Pfarrkirchen öffentlich kommunizieren sollen, umso mehr, als bei Widerspenstigkeit sie von einem hochwürdigsten Consistorium in den Bann getan und ihrer Kirchenstraf unterworfen würden, vormalen aber gebüßt würden, Punk und Mackl im Stock, die Spannerin Witwe in der Geigen.“[12]

Die Vernachlässigung bestimmter kirchlicher Funktionen, die man vorher übernommen hat, wurde mit Geld bestraft:

„Weil sich Herr Johann Michael Adam und Herr Andreas Luxi weigerten, bei den Bruderschaftsgottesdiensten zu erscheinen, sohin das Himmeltragen vernachlässigt, wurden nebst Verweis um 1 Pfund/Pfennig, 2 Pfund/Pfennig und 17 Kreuzer 1 Heller bestraft.“[13]

Die Heiligung des Sonntags war striktest aufgetragen und auch Bürgerpflicht:

„Nachdem man vernommen, dass der bürgerliche Wagner Franz Kammermayer und der Leinweber Martin Geser in keinem pfarrlichen Gottesdienst sich sehen lassen, vielmehr an dessen Statt in den Hölzern herumfahren und in ihren Häusern allerhand verbotene Zusammenkünfte halten, welch alles einem Bürger gar nit anständig, vorab ihm Kammermayer das Holzdurchsuchen, welches bei seiner Bürgeraufnahm untersagt worden ist, verboten. Auch wird ihnen ihr schlechtes Betragen von Magistrats wegen verwiesen, künftig eine bessere Aufführung, fleißigerer Besuch der Kirche an Sonn- und Feiertags Gottesdiensten und auch aufgetragen, dass sie das öftere Holzgehen meiden sollen, außerdem, wenn in all diesen Stücken keine Besserung verführet werde, man ihnen das Bürgerrecht aufkündigen, ihre Häuser verkaufen werde. Folglich müsse man sie als Männer, welche ihren ihnen vorgetragenen und abgeschworenen Pflichten nicht nachkommen, aus dem Markt schaffen.“[14]

In Streitsachen jedweder Art war die Rechtsvermutung zunächst automatisch beim Pfarrer. In diesem Falle ging es um die Zehentgarben. Der Pfarrer klagte gegen alle Bierbräuer, insbesondere gegen Josef Schiekofer. Sie wollten die Zehentgarben nicht binden und das Getreide offen auf den Feldern liegen lassen, weil der Pfarrer keinen ordentlichen Gottesdienst halte und so dem ganzen Volk Ärgernis gäbe. Dafür könne der Pfarrer das Getreide selbst binden und es auch selbst abholen.

Der aber verlangt vom Magistrat, diesen Renitenten die eigenen Scheunen zuzusperren, bis sie ihre Pflicht getan hätten. Der Pfarrer hatte Erfolg mit seinem Verlangen. Die Beklagten mussten die Zehentgarben binden, sie unweigerlich abfolgen und wenn ein Schaden entstünde, für diesen aufkommen.

Wenn den Leuten wegen des schlechten Gottesdienstes ein Schaden entstünde, sollten sie sich an ein ordentliches Gericht wenden.[15]

 Wenn man auch in die Kirche ging, war die Pflicht noch nicht restlos erfüllt. Dazu gehörte noch Folgendes:

„Und weil sich Mathias Pucher, Adam Werner, Simon Schells, Martin Geser, Josef Scherrer. Mathias Kain, Michael Valter, Martin Ertl, Franz Kammermayer, Johann Gruber und Mathias Treyttmayer, alles Bürger, unterstanden, während des am 12. Jenner gemachten Schluss – und pfarrlich festtäglichen Gottesdienstes nicht zum Opfer zu gehen (um ihr Schärflein einzuwerfen, A.d.V.), wurde ihnen allen solches Unrechttun allen Ernstes verwiesen und wurden sie um 1 Pfund 3 Kreuzer bestraft.“[16]

Mit den Rechten der Frau war es nicht weit her. Die Frau war nur beschränkt geschäfts- und testierfähig. Es gab für vermögende, einflussreiche und resolute Frauen schon im Mittelalter Ausnahmen[17], aber in der Regel setzte es sich durch, dass bei Gericht und bei Abschluss von Verträgen „die Beistandsleistung“ eines Mannes vorgeschrieben war.

Ein Beispiel unter vielen: „Josef Quirin Nikendey, Marktschreiber und landschaftlicher Unteraufschläger zu Abbach und neben dem dessen Ehegattin Anna Rosalia, und zwar letztere unter Beistandsleistung ihres Gefatters, Herrn Georg Schuhschmied, des Inneren Rats und Lederers zu Abbach, selbst anwesend etc (…)“[18]

Traute man der Frau weniger Verstand zu? Das Wahlrecht der Frau entdeckte ich noch dazu in den Akten zum ersten Mal bei der 1.Reichstagswahl in der Weimarer Republik 1919.

Die Aufklärung hat außer etlichen Exzessen Segen über die Menschheit gebracht. Bis auf ganz wenige Ausnahmen ist sie sicherlich in den vergangenen drei Jahrhunderten auch bei den gegenwärtigen Abbachern angekommen. Wo das nicht der Fall ist – ein paar Eiferer und Fundamentalisten gibt es nach meiner Kenntnis immer noch – regelt das in absehbarer Zeit die Natur auf ihre unumgängliche Art restlos.. Bedauerlicher Weise kann ich das vielleicht aber wegen meines vorgerückten Alters nicht mehr erleben.

[1] Kammer Rechnung 1714, S. 27v.

[2] Ratsprotokoll v. 2.4.1733, S. 253

[3] Ratsprotokoll v. 26.11.1738, Archiv 8.5.3.

[4] Ratsprotokoll v. 6. 8.1742. S. 90. Archiv 8.5.3.

[5] Ratsprotokoll v. 5,6,1748. Archiv 8.5.3.

[6] Ratsprotokoll v. 24.7.1747, S.200. Archiv 8.5.3.

[7] Ratsprotokoll v.5.6.1748. Archiv 8.5.3.

[8] Ratsprotokolle 1749 – 1751, S. 315. Archiv 8.5.2.b.

[9] Ratsprotokoll v. 23.2.1748. Archiv 8.5.3.

[10] Ratsprotokoll v. 3.4.1767. Archiv 8.5.3.

[11] Ratsprotokoll v. 26.10. 1768, S. 243v. Archiv 8.5.3.

[12] Ratsprotokoll v. 6.5.1772. Archiv 8.5.3. Forts.1.

[13] Ratsprotokoll v. 12.4.1776. Archiv 8.5.3 Forts.1.

[14] Ratsprotokoll v. 4.2.1774. Archiv 8.5.3, Forts.1.

[15] Ratsprotokoll v. 27.7.1774,. Archiv 8.5.3. Forts. 1.

[16] Ratsprotokoll v. 15.4.1777. Archiv 8.5.3, Forts. 1.

[17] Dobschenzki, Jennifer Vanessa. Sie Stellung der Frau im Rechts- und Wirtschaftsleben der Reichsstadt Regensburg (1245-1400). Spitalarchiv Regensburg.2009, S.66.

[18] Briefprotokolle 1756 – 1763, S.43. Archiv 8.6.3.

Von |2023-12-02T20:38:42+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare
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