081: Grundlagen des gesunden Lebens – die Viktualien

Mehr und mehr legen wir Zeitgenossen großen Wert auf qualitäts- und preisbewussten Einkauf und Konsum von Lebensmitteln, nachdem sich die Überzeugung durchgesetzt hat, dass wir von einer Meute von Profiteuren ausgenommen, betrogen, vulgo beschissen werden, dass sich der Stecken biegt.[1]

Wir erinnern uns an jüngste Berichte von Gen veränderten Produkten, Ekelfleisch, falsch deklarierten Bio Produkten, Mogelpackungen, die nur halb gefüllt sind, oder gar nicht enthalten, was außen drauf steht. Wir können nur daran festhalten: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“ Es bedeutet keinen Trost, wenn ich daran erinnere, dass auch in A(b)bach schon immer in seiner Geschichte bestimmte Leute ihre Mitbürger für den eigenen Profit ausgenutzt und hinter das Licht geführt haben, und dass es auch schon immer deswegen heftige Kontroversen und Reklamationen gegeben hat.

Schon das „Freiheitslibell“ Abbachs von 1335 (erteilt von Kaiser Ludwig dem Bayern) setzt klare Regeln gegen Missbrauch: Bezüglich Fleisch: „Item, es haben auch die von Abbach den gebrauch, das man den mötzgern durch zwen burger das Fleisch schaut und setzt, nach gelegenheit der sachen.“ Zu Getreide: „(…), ob aber einer die burger mit überflüssigen wuecher beladen wolt (…) so soll dasselb bei denen von Abbach zu ermessigen nach billicher erkantnus gesetzt werden, und sollen die von Abbach zu strafen macht haben, wie dan von alter herkhomen ist.“ Zum Brot: Der Verkauf von einwandfreiem Brot war den Bäckern vorbehalten: (…) verbricht (ainer) das Brot (am stant) der soll umb ain schilling Lantzhut. Pf.ennig gestraft werden, und der kauf soll kain kraft haben bey verlierung des gelts, das er darumb ausgeben hat.“

In Einklang dazu, setzte nach Auskunft der Rats- und Verhörsprotokolle die Gemeinde über Jahrhunderte sogenannte Setzer ein[2], die von Amts wegen in regelmäßigen Zeitabständen im ganzen Markt für Ordnung zu sorgen hatten. Die Brot-, Fleisch- und Biersaz regelte das Angebot nach dem Bedarf, der Qualität, dem Gewicht bez. dem Maß und dem Preis. Bei Verstößen wurden schwere Strafen verhängt. Bezeugt sind als Strafen „ins „Bürgerstüberl, ins Loch, in die Geigen setzen, Schläge mit der Rute, in den Stock spannen, Geldstrafen, je nach Schwere des Vergehens.[3] Mangelhaftes Brot wurde zerschnitten, an arme Leute verteilt, oder den Schweinen gefüttert, schlechtes Bier wurde ausgeschüttet.

Es gab gemeindliche Bierkoster, Fleischbeschauer, Brotwieger. Daneben existierte eine eigene Handwerkskommisssion der Brauer, Schneider und Weber, Metzger, Müller und Bäcker, Schreiner und Kuffner wie Schuster, die nach einem eigenen Ehrenkodex ihre Produkte fertigten und ihre Angebote feilboten.

Außerdem spielten in frühen Zeiten auch noch die Gebote Gottes aus der Bibel und die allgemeine und persönliche Ethik wie die Botschaft der Kirche eine große Rolle: Es galt: „Maß und Gewicht kommen vor Gottes Gericht!“

Und trotzdem wurden die damaligen Menschen von ihren Mitbürgern nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten betrogen. Einige Beispiele:

1686[4]

In der Fastenzeit brachten alle vier Metzger kein Kalb- und Bratenfleisch in die gemeindliche Fleischbank[5]. Offenbar verschoben sie es unter der Hand. Da erteilte der Rat den Auftrag dergleichen Fleisch für alle zur Verfügung zu stellen. Sie folgten der Anordnung nicht, weswegen sie je zu einem Pfund Pfennig oder 4 Gulden 34 Kreuzer 2 Heller bestraft wurden.

Oder: „ Melchior Forster; Bürger und Pekh alhier hat man von Rats wegen um 1 PfundPfennig gewandelt, weil auf der Visitation der geschworenen Brotweger sein Roggenes Brot, und zwar ein 6 Pfund Leibl um ½ Pfund, dann ein 3 Pfund Leibl um 6 Loth zu leicht erfunden worden.“

Sodann wurde Urban Roithmeir, Metzger gestraft, weil er ¼ Rindfleisch ( vermutlich ¼ von einem Ochsen/Kuh) aus der gemeindlichen Fleischbank abgezweigt und anderwärts verkaufte, wo es einen besseren Preis gab. Der Amtskammerer verlangte die Rückerstattung, was aber nichts half. Darum wurde er um 1 PfundPfennig bestraft.

 1693[6]

„Urban Roithmer, Bürger und Metzger alhier, ist, weil er sich unterstanden hat, ein redo Schwein, welches er aber anbei von dem redo Abdecker auf der Au gekauft, in seiner Behausung zu stechen und solches hernach zum Verkauf nit einmal in die Fleischbank zu bringen, sondern auch noch dazu den amtierenden Amtskammerer Georg März, Gastgeber alda, anzufallen gewagt hat, doppelt bestraft worden, wegen seines Unrechttuns und wegen der Drohung, um 2 PfundPfennig.“

Oder: Sämtliche 4 Metzger wurden bestraft, weil sie m 21. und 22. April und öfter genug vorhandenes Rind- und Bratenfleisch nicht der Abbacher Bevölkerung zur Verfügung stellten, sondern die verfügbaren Kälber nach Regensburg wegen des besseren Preises zum Verkauf trieben.

Außerdem ist Barbara Hartlin, Bürgerin und Pökhin alhier bestraft worden, weil sowohl ihr Schwarz- als auch ihr Röcklbrot bei der jüngst vorgenommenen Visitation durch die hierzu verpflichteten zwei Brotwäger für zu klein erfunden wurden, und ein jedes nicht nur ganz derb, schwarz und wässrig und noch dazu nicht ganz ausgebacken gewesen ist. Sie erhielt einen Verweis, das Brot wurde ihr abgenommen, von den Wägern ausgebacken und an die armen Leute verteilt.

Genau so verhielt es sich bei Melchior Vorster. Er wurde hintereinander gleich zweimal in diesem Jahr abgestraft.

So lesen wir Jahr für Jahr in den Kammer Rechnungen Strafen für zahlreiche Missbrauchsfälle. Die Strafgelder galten als reguläre Einnahmen im Gemeindehaushalt und waren wahrscheinlich gar nicht so unerwünscht. Allerdings wurden diese Posten der Armenkasse zugeführt.

Ungefähr 120 Jahre später

1819

schickte das Königliche Rentamt zu Kelheim eine sehr detaillierte Satzliste an den Markt Abbach. Sie änderte sich von Monat zu Monat. Nehmen wir den Monat März/ April 1819:

Fleisch Satz
Das Pfund vom besten Ochsenfleisch 9 X 2 pf

„ geringeren Ochsenfleisch 9 X –

„ Kühfleisch 8 X 2 pf

„ Kalbfleisch 7 X –

„ Schaffleisch 7 X 2 pf

„ Schweinefleisch 18 X 2 pf

 Bier Satz
1 Maß Sommerbier beim Bräuer 4 X 2 pf

Wirth 5 X – pf

Dem Wirt waren geringfügige Schwankungen erlaubt !

 Brot Satz
Von Weizen:

1 Paar Semmeln zu 7 Loth 1 X (Kreuzer)

1 Polleibl oder Koppel zu 11 Loth 1 X

1 derlei zu 22 Lot 2 X

Von Roggen

1 Leibl zu 1 ½ Pfund 3 X 2 pf

„ „ 3 „ 6 X 4 pf

„ „ 6 „ 13 X – pf

„ „ 9 „ 19 X 4 pf

 Getreide Satz

1 Schäffel Weizen 2 Gulden (fl)

1 „ Korn 1 fl 30 X

Mehl Satz

Man unterschied natürlich zwischen Weizen- und Roggenmehl, weiter ,

schönes

mittleres

Nachmehl

körnisch

Backmehl.

1 Metzen  1 fl 56

1 fl 38

1 fl –

1 fl 16

54 X 11 pf

Am 6. und 11. Juni des gleichen Jahres wurde den Bäckern zu Abbach die Einhaltung der Satz vom Landgericht in Kelheim strengstens aufgetragen. Anschließend schickte die Behörde den k. Assessor Hanauer zur Viktualienpolizeivisitation. Da entdeckte er beim Bäcker Schwarz dass ein Semmelgebäck um ein ganzes Loth zu gering war. Die Gemeinde Abbach erhielt darum den Auftrag, den Bäcker Josef Schwarz wegen Polizeifrevel einzubestellen und um 5 Reichsthaler zu bestrafen. Die Gemeinde hatte Vollzug zu melden.[7]

Diese Einzelstrafe hatte offenbar in Abbach keine positive Wende bewirkt. Darum kontrollierte das Landgericht von sich aus weiter und stellte eine allgemeine Schlamperei unter den Bäckern fest. Prompt folgte der Lukas aus Kelheim:

„ Nachdem die Bäcker des Marktes Bad Abbach und insbesondere der Bäcker Preißer noch stets ungewichtiges, schlechtes und tarifniedriges Brot abbacken, der Magistrat des Markts Abbach diesen polizeilichen Betrug ungestraft duldet, keine kräftige und wirksame Strafe dagegen verhängt und die bisherigen Anmahnungen des hiesigen Landgerichts fruchtlos blieben, so fand man sich veranlasst die Pflichtverletzung der magistratischen Polizeiverwaltung der k. Regierung mit den betreffenden Akten vorzulegen. (…)“[8]

Die Regierung, die schon vorher eingeschaltet worden war, reagierte unmittelbar darauf:

„Da gemäß Anzeige vom 27. d. Monats der Magistrat zu Abbach keine hinreíchende Aufsicht über die Viktualien und namentlich das Brot führt, so dass daselbst die Bäcker ungestraft nach Willkür abbacken, die Taxe nicht schnell publizieren und überhaupt in dieser Beziehung keine Ordnung ist, so weiset man das k. Landgericht an, dem erwähnten Magistrat zu eröffnen, wenn man diese Missbräuche nicht beseitiget, öftere strenge und unvorhergesehene Visitationen nicht vorgenommen werden, man (…) den Magistrat mit empfindlicher Ordnungsstrafe zur Erfüllung seiner Pflichten anhalten werde. Zu diesem Behufe hat der Magistrat in seiner Anzeige über gepflogene Viktualien Visitation die Zahl und Zeit der stattgehabten Visitationen und den Erfolg genau anzugeben, und man erwartet von ihm, dass er hierin ferner nichts versäumen werde.“[9]

Ab da sah sich die Gemeinde zu Viktualien Visisitations Anzeigen gezwungen. Es liegt mir die Anzeige für das III. Quartal 1823/24 vor. Aus ihr erfahren wir die damals existierenden, regelmäßg visitierten Betriebe, die aber bis auf den Bäcker Schwarz ohne Tadel befunden wurden:

Bierbräuer

Georg Koller ( beim Bad)

Franz Koller (später Eckmann/Zirngibl)

Michl Meier (Schreiner- Gasthof Post)

Michl Kräml ( Kötterl)

Xaver Schellerer ( später Gerbel, von Eckmann einverleibt)

Georg Praller, Wirt (Prallergase)

Bäcker

Georg Preißer (Müller)

Josef Scharz (Hermann/ Jost)

Benedikt Fristenauer (Lang, jetzt Reinigung)

 Melber

Georg Dinauer ( Vordermüller/ heute Fischer Maria)

Michl Scherer (?)

 Krämer

Johann Zirngibl (Apothekergassl)

Batholomäus Meier Witwe (im damaligen Rathaus; Gasthaus zur Post)

Ludwig Mohr, Stift (?)

 Metzger

Heinrich Littig

Georg Bauer, Senior(Meier Metzger, Römerstraße; aufgelöst)

Georg Bauer, Junior (?)

Benedikt Zirngibl[10] (?)

Endlich wurde 1861/62 ein Visitations- und Straf Buch der Markts Gemeinde Abbach angelegt. Daraus sieht man, dass quartalmäßig geprüft wurde. Für den 20. März 1862 liest man z. B. „ Bei sämtlichen Bierbräuern, Bäckern, Metzgern, Krämern wurde heute die Viktualien Visitation vorgenommen und es hat sich hierbei nichts vorgefunden, was zur Strafeinschreitung Anlaß gegeben hätte.“[11] Es wurden auch die Schlachthäuser, Läden, Keller, Braustätten , Läden etc. visitiert. (siehe Visitations Buch bis 1879)

Angaben zu Maßen, die in den benutzten Akten laufend vorkommen:

1.) Hohlmaße und Gewichte:

(Münchner Maß)

1 Schaff = 4 Maß; 1 Maß = 7 Metzen; 1 Schaff ist also 28 Metzen.

(Abbacher Maß)

1 Schaffl ist 7 Abbacher Mutt

1 Mutt ist 7 Abbacher Metzen )

1 Schaffel ist 49 Abbacher Metzen.

Der Abbacher Metzen ist kleiner als der Münchner Metzen![12]

18. Jh.

1 Schaffl = 2 ½ Ztr.

1 Pfund = 560 gr.

1 Maß > 1 Liter. = 4 Seidel = 1,4,Liter

1 Seidl = ca. 1/4 Liter[13]

2, Längenmaße:

1 Zoll = 2-3 cm

1 Fuß = ca.30 cm

1 Elle = ca. 80 cm

1 Rute = ca. 10 – 12 Fuß

 3. Währungen

1 Pfund/Pfennig = 1 Gulden 8 Kreuzer 4 hl

1 Gulden = 60 Kreuzer

1 Kreuzer = 40 Heller

1876: 1 Gulden = 1,73 RM

 Die im Inventarium von 1677 genannten und von der Gemeinde aufgeführten Kontrollgewichte[14]

19 Pfund Eisengewicht ganz neu: 10-6-2-1 Pfund

1 Stück aus Messing zu 1 Pfund.

1 Loth = 1/32 Pfund = ca. 15 g ( kommt oft in Kammerrechnung 1686 vor)

Die im Inventarium von 1799 genannten und von der Gemeinde aufgeführten Kontrollgewichte:[15]

1 große Waage

2 Brot Waagen

1 Zwei Pfund und 1 1 Pfund Einsatz

19 Pfund Eisengewichte

203 Pfund in Steingewichten

1 mit Eisen beschlagenes Holzmaß

1 Metzen, ½ Metzen, 1/8 Maß.

1 Abbacher Mutt

1 Metzen = 37 Liter

1 Scheffel

1 Zinnernes Maß Maß

1 Seidl, Kannerl = ¼ Liter

[1] Die Redensart „dass sich der Stecken biegt“ erinnert an das „Kerbholz“, auf dem Fälle von Vergehen eingekerbt wurden, oder auf dem statt „aufschreiben“ eingeritzt wurde.

[2] Setzer von Satz = Satzung, die das Lebensmittel nach Qualität. Gewicht, Maß und Preis zu prüfen hatten.

[3] Rats- und Verhörsprotokolle 1767 S. 191v,192. Archiv 8.5.3.

[4] Kammer Rechnung 1686, S.6.u. 6v. Archiv 9.4.3.

[5] Die gemeindliche Fleischbank war die einzige legitime Fleisch Prüfungs- und Verkaufsstelle.

[6] Kammer Rechnung 1693S. 7-9. Archiv 9.4.3 Fortsetzung.

[7] Landgerichtsschreiben vom 11. Oktober 1819. Archiv 8.4.1.

[8] Schreiben des Landgerichts Kelheim im Regenkreise v. 24. April 1820. Archiv 8.4.1.

[9] Schreiben der Regierung in Regensburg v. 4.4.1820. Archiv 8.4.1.

[10] Visitations Anzeige 1823/24. Archiv 8.2.2 VII.6.

[11] Visitationsbuch . Eintrag vom 20.3.1862. Archiv 7.3.1.a.

[12] Martin Hem, Pfarrer. 1673- 1681. Zehent- Hausregister . Hängekartei aus Pfarrarchiv

[13] Archiv 9.4.3

[14] Kammer Rechnung 1677: Inventarium. Archiv 9.4.3.

[15] Kammer Rechnung 1799. Archiv 9.5.2.b.

Von |2023-12-02T20:36:53+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

082: Abbachs Wälder früher und heute

082 Abbachs Waelder frueher und heute

„Wer hat dich, du schöner Wald,

Aufgebaut so hoch da droben?

Wohl den Meister will ich loben,

Solang noch mein Stimm erschallt.

Lebe wohl.

Lebe wohl, du schöner Wald!“[1]

 

Müssen wir bei dieser Hochstimmung, die das Gedicht erzeugt, es nicht mit Dankbarkeit zur Kenntnis nehmen, wenn die Mittelbayerische Zeitung von der „wundersamen Waldvermehrung“ berichtet, die heutzutage geschehe?[2] Das Blatt fügt aber gleichzeitig hinzu, dass dies leider nur Kraft Definition passiere, weil auch Ödflächen, Waldblößen, Pflanzschulen, Wildäsungsflächen etc., die mit Strauchwerk versehen sind, heute als Gehölz bezeichnet würden.

In der Jetztzeit, gemeint sind die Jahre um 2010, ist Bad Abbach nach den Eingemeindungen von 1973 bis 1978 wieder reich an Waldeigentum. Dieser Besitz ist aber hauptsächlich aus den Beständen der Dörfer Oberndorf, Poikam, Lengfeld, Saalhaupt, Peising und Dünzling eingebracht worden.

In einem Liegenschaftsverzeichnis von 1899, das wegen des Baues der Distriktstraße nach Obertraubling über den Gesamtgründefundus der Gemeinde Abbach erstellt worden ist, befindet sich außer Ödungen leider kein ausgewiesener Wald.

 

Natürlich sieht der Naturfreund, wenn er sich in den Gefilden Abbachs bewegt, oder sich auf Pilzsuche begibt, dass sich rings um den Ort viele Wälder erstrecken. Dazu ist aber ebenfalls festzustellen, dass sich nach der Bodennutzungserhebung von 1946 141.44 ha Forst und Holzungen im Privatbesitz befinden; 1955 waren es sogar 149.75 ha.[3]. Eigentlicher Gemeindewald wird lediglich mit 68 qm beziffert.

Über den aktuellen Stand des Jahres 2010 (Laufzeit des Gutachtens von 2002-2021) sieht es im gesamten Gemeindegebiet ( Privatwald + Gemeindewald ) Bad Abbachs folgender Maßen aus:[4]

Gemarkung

Gesamtfläche in m2

Waldfläche in m2

Anteil in %

Bad Abbach

 7.753.690

  578.811

7,46

Dünzling

13.893.883

4.925.058

35,45

Lengfeld

 9.952.800

3.239.401

32,55

Oberndorf

 3.642.005

1.297.619

35,63

Peising

10.420.130

3.305.324

31,72

Poikam

 3.832.267

  688.339

17,96

Saalhaupt

 5.793.639

1.300.939

22,45

Summe

55.288.414

15.335.491

27,74

Ödland, Unland/Gemeindegebie

 

168.095 m2

   
               

 

Speziell der Gemeindewald Bad Abbach umfasst heute 9 Distrikte, die sich auf 6 Gemarkungen verteilen:

Distrikt I         Abbacher Wald                      8,30 ha

Distrikt II       Peisinger Teile                        1,70 ha

Distrikt III      Saalhaupter Teile                   0,85 ha

Distrikt IV      Lengfelder Teile                     2,55 ha

Distrikt V       Poikamer Teile                       1,90 ha

Distrikt VI      Geisreibe                               2,25 ha

Distrikt VII    Steinschütt                             1,40 ha

Distrikt VIII   Weinberg                                0,40 ha

Distrikt  IX     Donauhänge                           6,00 ha

Summe                                        25,35 ha

Standort der Waldteile
I.1 Schloßberg
I.2 Höckberg („Aumeierhölzl“)
I.3 Kuchenloch ( Kurpark/Quellbereich)
II.1 Limmenberg (Keltenschanze)
II.2 Fuchsloch
III. Marterfleck (bei Saalhaupt/ an der Autobahndurchfahrt in Richtung Dünzling)
IV.1 Katzstein (bei Frauenbrünnl)
IV.2 Unteres Holz (zwischen Dantschermühle und Steinballe)
IV.3 Steinballe (über den Löwen in Richtung Lengfeld)
IV.4 Oberholz (bei Alkofen, links der B 16)
IV.5 Bei Alkofen (Nähe Teufelsfelsen/Alkofen)
V.a+b in Poikam von der Donaubrücke in Richtung Kapfelberg
VI.a Geisreibe (über den Felsen, Weg von Kalkofen über den Galgenberg nach O.dorf)
VI.b Geisreibe (nahe Graßlfing)
VII.a+bSteinschütt (nahe Graßlfing in Richtung Matting)
VIIIa+bWeinberg (an den Berghängen in Oberndorf; am „Dunkeltalweg“ nach Matting)
IX.1 Thurm (Oberndorf in Richtung Matting; vor Hanselberg)
IX.2 Koppenfels (Oberndorf, nach dem Hanslberg, an der Straße nach Matting)
IX.3 Im Aufa (letzter Wald vor Matting)[5]
Der Dünzlinger Teil liegt in der Gemarkung Thalmassing an der Kreisstraße R3 und umfasst 6766 m2.
Höhenlage
der weit verstreuten Distrikte reicht von 360 bis 460 m NN

Das Laubholz
nimmt 63% (12,76 ha) der Holzbodenfläche ein. Es handelt sich um

Eiche 20%

Bergahorn 16%

Sonstiges Laubholz 16%

Buche 10%

Esche 1%

Der Wald erfüllt folgende Funktionen:

Bodenschutz, Wasserschutz, Immissionsschutz, Heilquellenschutzgebiet, Klimaschutz, als Biotop, für das Landschaftsbild, Lärmschutz, für die Erholung. 3,90 ha sind rechtskräftig als Bannwald ausgewiesen.

Schon im „Freiheitslibell“ von 1335 ist auf den Wald um Abbach Bezug genommen: Ich zitiere:“Aichel halb Item ist es auch von allter herkhumen, das ein Jeder burger unseres markhtes abbach mit seinen schweinen, so er das Jar an seinem trog zogen hat oder kauft in sein hauß zu verbrauchen, dieselben all sollen zu der zeit der Aichel solche Ir schwein an die zwey hölzer Aedten und Heckhperg zur mastung an alle werung unnd Irr anzuschlahen[6] macht haben, unnd von denselben, so er ob seinem trog erzogen, so er nit all verbraucht, zu verkhauffen macht haben. Es sollen auch außwendig fremdt schwein an solche hölzer , zu schlahen nit begunt sein oder werden, darmit wir die unsern erhalten mögen.“[7]

Schweres Eichenholz wurde in der Folgezeit offensichtlich für Brücken- und Wasserbau über Gebühr ausgebeutet, weil z.B. 1743 in Abbacher und des Landgerichts Forsten nicht einmal mehr geeignetes Eichenholz zur Herstellung eines Galgens aufzutreiben war. Eichenholz war üblicherweise für alle öffentlichen Bedürfnisse aus hiesigen Beständen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Bei der Hinrichtung des Josef Glötzl fanden sich hier keine geeigneten Eichenstämme mehr! In den Akten heißt es:

„ (….)So hat (…) der hiesige Herr Pflegsverweser Georg Josef Fischer das zum bevorstehenden Galgenbau erforderliche Holz von den Bauern zu Gemling, Probstgerichts Niederlinthardt, gekauft, weil in dem hiesigen Gerichtdistrikt kein taugliches Eichenholz zu haben war. Er ließ es von den Bauern von Weichs hierher fahren (…)“[8]

Es gab im Freiheitslibell sogar einen eigenen Waldauftrag. Er nennt sich Höltzer und Schleg halb
Es ist wieder auf die beiden Gemeindewälder „Edn und Heckberg“ Bezug genommen. Wenn der Förster des Pflegers in irgend einer Irr (Distrikt, A.d.V.) Bäume schlagen ließ, durften die Bürger Reisig, Stengel- und Klaubholz wegtragen Die „abgemaißten“ Schläge[9] sollten 2 Jahre Ruhe haben und nicht betreten werden. In dieser Zeit durfte man auch nicht hinhüten.

Die Bauern und anderen Bürger, vor allem Handwerker, sollten sich dort Holz, speziell Brennholz zu zumutbaren Preisen kaufen können. Es galt als ausgemacht, dass der Schlossförster in den beiden Wäldern Stämme für Stege, Brücken, Tore, sogar für den Galgen und zum Bedarf in Kriegsläuften,[10] anweist.

In einem Akt von 1803, der die Regesten der Gemeinde aufzählt, finden wir auch eine Grenzbeschreibung vom 9. und 10. März 1626. Hier werden die Grenzen des churfürstlichen Landgerichts beschrieben. Dieses Dokument zählt die grenzbegleitenden Wälder verschiedener Herrschaften und Holzeigentümer, auch angrenzender Gemeinden, auf, woraus man schließen kann, dass sich um Abach umfassender und dichter Wald erstreckte.[11] Ein großer Teil davon gehörte auch der Kirche, z. B. dem Prälaten zu St. Emmeram in der Saalhaupter Flur und dem Kloster St. Clara in der Lengfelder Gegend.[12]

Auch „das herzogliche und kastnerische gehilz“ findet Erwähnung und zwar zwischen den „Salhaubter gründt bis auf die Schnaithartter holzwachs“. Der Höckberg, heute fälschlicher Weise Hebberg genannt, war noch dicht bewaldet!

An anderer Stelle im gleichen Akt[13] finden wir den Iststand des Gemeindewaldes von Abbach des Jahres 1801 wie folgt:

„Ein Holzwachs bey abach, der ättnperg (auch ädnperg) genannt, stößt an die Peisinger Gmeind und Oberndorfer Jungholz, ungefähr 350 Tagwerk groß.“ Dann: „Item der Höckperg, vom Holzwachs hinter dem Schloßbirg bei 30 Tagwerk groß, nebst mehren anderen Holzgründen zu Salhaupt, nämlich der Prenberger (bei 10 Tagw.), das Herrnholz (bei 16 Tagw.) der Sattlpoger (bei 13 Tagw.) und der Partschlag.“

In Oberndorf befand sich ein Weinberg von 6 Tagwerk, der bis zur Säkularisation dem Herzog gehörte. Dort musste es auch Eichen geben, weil in Ratsprotokollen von einem jährlich wiederkehrenden Schweinetrieb dorthin die Rede ist, wenn immer „die Eicheln reif sind.“.[14]

Die „Früchte“ des Gemeindewaldes bildeten u.a. die Existenzgrundlage der kleineren Gütler und armen Leute von Abbach. Sie machten davon reichlich Gebrauch und verteidigten ihre garantierten Rechte gegenüber den Begüterten und den Schlossherren.

Schon aus einem Papier bald nach dem 30-jährigen Krieg lesen wir von unbefugten Eingriffen in solche Rechte:

Da gibt es Leute, die „ mehreren teils ohne Vorwissen des Magistrats in den Markt hereingekommen, eben diese aber der Bürgerschaft das ihrige, in specie aber alles Klaubholz, Graserei, auch zum Teil alle Feldfrüchte sträflich und heimlich abzufischen pflegen, mithin der Communität durchgehend zur Last allhier geduldet werden.“[15]

Oder an anderer Stelle. Es handelte sich um eine Beschwerde von Cammerer und Rat von Abbach bei der Regierung in Straubing gegen die Schlossherren, speziell die abhängigen Weichser Bauern:

„Im übrigen hat Cammerer und Rat wegen des durch den churfürstlichen Pflegsverwalter jüngstlich beschehenen Jurisdiktionseingriff vor und angebracht, dass sich die Urbars Untertanen, absonderlich die Weixer Streurecher an dem Höckberg enthalten und besser auf den Ötenberg ausweichen sollen. Deshalb ist ihm, dem Pflegverwalter, bereits die Nottdurft anbefohlen worden.“[16]

Die Sache war jedoch auch 1676 noch nicht ausgestanden: „Von Cammerer und Rat zu Abbach contra das Churfürstliche Landgericht alda 1776.

Um das schöne Eichengehölz auf dem Höck- und Ätenberg ist schade, da die Herren Beamten, die sich doch ihr Brennholz an schlechterer Gattung, z.B. Fichten, besorgen könnten, indem sie zu viele Eichen und Buchen abhauen lassen. Indem sie das Geäcker und sehr schöne Gehölz abräumten, haben sie der armen Bürgerschaft ihren zustehenden Nutzen am Geäcker, Streurechen und anderem zum Schaden entzogen. Das ist noch nicht genug, sondern sie wollen auch, dass jene Bürger, die Eicheln sammeln und Äste klauben, von Landgerichts wegen gepfändet und gestraft werden, so wie es vorher nie gewesen ist. Ein solches Zutun hat immer dem Markt zugestanden“.[17]

Aus Akten im Archiv erfahren wir, dass Abbacher Bürger schon im 17. Jahrhundert von der Gemeinde Brennholz kauften. Besonders die Bäcker, die ja für ihre Backöfen einen großen Bedarf hatten, werden in solchen Zusammenhängen genannt. Ich zitiere den Fall des Bäckers Urban Krauß, der sich aus der Oberndorfer Gegend Brennholz in seinen Hof liefern ließ. Ein Fall aus dem Jahr 1662:

„Hans Haffner, Marktschreiber, klagt gegen Urban Krauß, Bürger und Bäcker alhier, dass er in dem Oberndorfer Gehölz 2 Maß gehautes Holz gehabt (…) weil er aber mit dem Holz nicht zufrieden (…)“ begehre er eine neue Fuhre.

Der Fortgang des Prozesses lautet: Die neue Fuhre wird geliefert.

Krauß wollte das ganze Holz zwar bezahlen, aber nur einmal den Fuhrlohn. Das Gericht entschied, wenn er das Holz zweimal zahlen könne, sei ihm auch zuzumuten, den Fuhrlohn zweimal zu entrichten.[18]

Über den Kurfürstenwald in der Abacher Gemarkung ist noch zu berichten. Es handelt sich bei diesem Teil des Kurfürstenwaldes um Orts nahen Wald, weil ihn die Gemeinde Abbach nach der Säkularisation aufkaufte und ihn allmählich an interessierte Bürger weiterveräußerte.

Für die oben erwähnten ferneren Pflegerwälder zwischen Saalhaupt und Schneidhardt hätte man hier zu Ort keine Interessenten gefunden. Nach meiner Kenntnis befand sich der Abbacher Teil des Kurfürstenwaldes am Mühlberg und reichte über den heutigen Waldfrieden zur Dantschermühle. Es wird nämlich oftmals von Prozessen wegen Holzdiebstahls berichtet, bei denen die nahen Weichser Bauern oder der benachbarte Dantschermüller als Augenzeugen aufgerufen wurden.

Im Jahre 1803 wurde der Kurfürstenwald, insgesamt 376 Tagwerk ( 1 Tagwerk = 1/3 ha, A.d.V.), um einen Preis von 11.116 Gulden an den Markt Abbach verkauft. Der Kaufschilling betrug pro Tagwerk 29 Gulden 33 Kreuzer 6 30/47 Heller. Der Schlauderer zu Weichs kaufte und bezahlte auf Anhieb 12 Tagwerk für 354 Gulden 45 Kreuzer 7 31/47 Heller. Den Rest verteilte die Gemeinde auf 85 Teilhaber zu unterschiedlichen Anteilen, je nach finanzieller Leistungskraft. Die Holzanteile mussten dann nach Kaufsumme bemessen versteuert werden.

Es wurde nach Waldklassen unterschieden. Es gab die Klassen Jungwald, Schwarzwald, Fällwald, wobei die letztere die teuerste war.[19]

[1] Joseph von Eichendorff. Der Jäger Abschied.Gesammelte Werke in zwei Bänden. Bertelsmann Ausgabe.Gütersloh, ?, S.97.

[2] MZ.20./21.3.2010, S.10.

[3] Bodennutzungserhebungen von 1946 und 1955. Archiv X.21.1.1.b.

[4] Karola Kettner, Dopl.Forstwirt. Forstbetriebsgutachten für den Gemeindewald Bad Abbach. Beiblatt.

[5] Forstbetriebskarte für den Gemeindewald Bad Abbach. Stand Oktober 2001. Bauamt Markt B. Abbach.

[6] Anschlahen = hintreiben

[7] Gandershofer, Reprint S. 104.

[8] Rats Protokolle 1737 – 1749. Archiv 8.5.3

[9] abmaißen = abhauen, überhauen. Schmeller. Bay. Wörterbuch, Oldenbourg 1988. Register 2/2 S. 1232

[10] Gandershofer. A.a.O.

[11] Regesten, 1801, S. 24. Archiv 8.3.1. (XI.I).

[12] a.a.O.

[13] Regesten 1801, S.6

[14]Kammer Rechnung 1673, S.24v, Archiv 9.4.2. Forts. Kammer Rechnung 1677, S. 34v.Archiv 9.4.3.

[15] Ratsprotokolle 1747, S. 199. 24.7.1747. Archiv 8.5.3.

[16] Kontrakt aus dem Umrittsprotokoll des löblichen rentamts Straubing an den Markt Abbach.Archiv 8.4.1 (V.1)

[17] Übergriff des Schlosses auf das Holzrecht der Bürger de anno 1674. Archiv s.o.!

[18] Ratsprotokolle 1645 – 1653. Klage gegen Urban Krauß wegen verweigerter Zahlung. 7.3. 1662. Archiv

8.5.2.b.

[19] Kurfürstenwald, Verkauf 1803. Archiv 8.1.2.b.(VI.I.).

Von |2023-12-02T20:12:50+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

083: Fehlinformationen – Versuch einer Korrektur

Nichts hält sich länger als unbewiesene Gerüchte! Manche von ihnen haben es sogar bis zur Druckreife gebracht. Ich betrachte es als meine historisch wissenschaftliche Pflicht, mich mit diesen Sachen auseinander zu setzen, um die Geschichte des Ortes von Fabeln zu reinigen.

Hypothese:
In Eiglstetten habe es einmal eine Kirche und einen kirchlichen Friedhof gegeben:

Antwort:
In Eiglstetten gab es nie eine Kirche und nie einen kirchlichen Friedhof. Die Pfarrei hieß vor 1433 (Diözesanmatrikel) sicher und nach dem Bau des Pfarrhofes in Abbach 1518 (Grundstein), gelegentlich zwar, noch „Pfarrei Eiglstetten“. Eiglstetten war eine Urpfarrei. Das Bergkirchlein auf dem Schlossberg zu Abbach war in der Romanik und Gotik Schloß- und Friedhofskirche, nie Pfarrkirche! Die Pfarrkirche der Pfarrei Eiglstetten war in Peising. Sie war dem hl. Georg geweiht und ist bereits 814 urkundlich erwähnt. (Widemann. J., Tr.64) Um diese Kirche lag dem Seelenverständnis der damaligen Zeit entsprechend auch der christliche Friedhof. Man wollte im Schatten der Kirche beerdigt sein und nicht auf dem freien Feld. Das half gegen alle Anfeindung des Bösen, auch nach dem Tod.

Die Skelettfunde unter der Tenne zu Eiglstetten rühren aus Kriegsläuften oder Seuchen nach dem 30jährigen Krieg her.

Hypothese

Abbach sei der Lieblingsort König/ Kaiser Heinrich II. gewesen.

 

Antwort

Diese Annahme hat eine sehr alte Tradition und geht auf Aventin zurück. Er stützt sich offenbar auf die Schenkungsurkunde Heinrichs von 1007, in der er Ahabah an das neu gegründete Bistum Bamberg schenkt.

Anlässlich der 1000-Jahrfeier der Ausstellung dieser Urkunde untersuchte ich sie genau.
Das einzige Mal, wo sich das Wort geliebt (dilectus –a –um, lat.)befindet, bezieht es sich auf Eberhardus, Episcopus Bambergensis, Eberhard, den Bischof von Bamberg, der von Gott geliebt ist.
Man muss wissen, dass Aventin mit Dr. Hopsinger, damals Besitzer des Bades, familiär verbunden war. Aventin war Taufpate der Tochter Hopsingers, der natürlich den Badeort mit wichtigen Daten aufpolieren wollte.

Es muss aber festgestellt werden, dass der Schreiber obiger Urkunde nicht einmal das Herzogtum und den Gau angeben konnte, oder wollte, in dem Ahabah lag.
Vielleicht hatte aber Aventin noch andere Quellen für seine Liebesgeschichte. Er habe noch zwei Steintafeln mit historischen Daten gekannt, die aber vom Donaustrom verschlungen worden seien.
Mit dieser Antwort ist nichts über Abbach, den Geburtsort des Kaisers gesagt. In diesem Punkt sind sich die Forscher allerdings auch nicht ganz einig. Aber eine Menge Indizien und Indikatoren weisen darauf hin, dass er auf der Stammburg seiner Vorfahren geboren wurde und auf ihr seine Kindheit verbrachte.

Hypothese:

Die alte Burg in Abbach habe sich auf dem Höhenniveau, bzw. Plateau des jetzigen Bergfriedhofs befunden. Beweise seien die vielmals gefundenen Mauerreste bei statt gehabten Grabungen.

Antwort:

Die neue Burg von 1224 ff auf dem Gipfel des Schlossberges ist in den Akten des Archivs vielfach und eindeutig bezeugt. Daran besteht auch kein Zweifel.

Die alte Burg stand ebendort, wo auch die neue hinkam. Dies wurde eindeutig bewiesen beim Bau der Wasserreserve für die Hochdruckwasserleitung im Jahre 1928 (Zeitungsartikel vom 14. Mai 1928. Titel: „Althistorischer Boden“.) Es war eine Kelheimer Altertumsforscher-Kommission unter Leitung von Professor Rieger bei den Grabungen und Sprengungen in der Nähe des jetzigen „Hungerturms“ beteiligt. Siehe meinen Aufsatz „Wasserleitung“ in Heimatheft 32/2006. S. 47f! Oder den Zeitungsbericht selbst im Bildordner „Historische Aufnahmen von Abbach, Archiv XVIII.22.4.

Zu den Mauerresten im oberen Friedhof: 1736, im Jahr des Baus der barocken Pfarrkirche, ist im Notizen-Buch der katholischen Pfarrei eine Sepultur (Friedhof) für 500 Personen im Markt Abbach + der Menschen auf der Burg bezeugt. Der Friedhof stammt aus der Zeit vor 1736. Es ist berichtet, dass der Friedhof nicht eben war, sondern eine Berg- und Talbahn. Er musste immer wieder aufgedoppelt werden, damit die Särge unter der Erde blieben und es bedurfte einer Stützmauer, weil sonst die Gräber den Berg herunter gerutscht wären. Diese Stützmauer blieb bei den drei folgenden Erweiterungen, die ebenfalls immer wieder neuer Stützmauern bedurften, erhalten. Die jetzige plane Fläche wurde erst 1851 um teures Geld (1000 fl) hergestellt. Im Boden befinden sich auch Fundamente Reste des wohl romanischen Seelhauses, das 1505 von Pfarrer Eberhard Fabri schon restauriert wurde. Dieses war groß, konsekriert und diente als Messkirche. Die Existenz des Seelhauses ist der Beweis, dass an dieser Stelle schon immer ein Friedhof war. Es musste 1849 abgerissen werden, damit der jetzige neugotische Kirchturm Platz finden konnte.

Die Qualität von Stütz-Mauern zeigte man mir, als im Jahre 2006 der Graben für die Wasserleitung am Leichenhaus ausgehoben wurde. Mauerdicke mehr als 1 m ! 1881/82 wurde nämlich ab dem jetzigen Missionskreuz zum Leichenhaus hin erweitert.

Auf der Friedhofshöhe stand lediglich das Torwächterhaus, außerhalb des Friedhof links, das zur neuen Burg gehörte.

Hypothese: In der Oberndorfer Tradition und Phantasie existieren die Burgställe „Oberstrang“ und „Niederstrang“. Bis zum Tod des Pfalzgrafen Otto VIII. sollen beide Burgen noch bestanden haben.

Nach der Zerstörung der Burgen durch Ludwig den Kelheimer 1208 hinterließ dieser leider keine Pläne über die Stellen, wo er das Ortsbild so ungünstig verändert hat. Es sollte ja sogar, wie die Legende sagt, das Gedächtnis an diese Orte ausgelöscht werden. Darum wird seitdem über Platz und Lage der Burgen heftig spekuliert.

An den gedanklichen Planspielen nahm schon 1929 G. Rieger, Kelheim, und Fritz Angrüner ( Chronik von Oberndorf , 6. Teil), als er Lehrer in Oberndorf war, regen Anteil.

Hobby-Archeologen von heute sollen sogar schon mit Schaufel und Pickel ans Werk gegangen sein, um die Frage nach dem Standort der Burgen definitiv zu beantworten Für Niederstrang hat man sich sogar auf die Kirche geeinigt, was natürlich purer Blödsinn ist.

Antwort:
Meine Antwort ist wieder eine Hypothese, die es zu verifizieren oder zu falsifizieren gilt: Ihr neigte auch schon Fritz Angrüner zu, indem er auf die mutmaßlichen Spuren am Hanslberg, auf den sog. „Thurmacker“ verwies.

Ich selbst habe bei meinen Recherchen zu den Wäldern rings um Bad Abbach eine neueste Plankarte studiert, auf der ein Geviert von ca.25m x 30m, eingezeichnet ist. Auf ihm soll der Erinnerung nach ein etwa 30 m hoher Turm gestanden haben, in bester strategischer Lage.

Schon früher habe ich in den Grundkatasterakten von Oberndorf den Acker mit der Bezeichnung „Thurm“ festgestellt. Hier vermutete Angrüner, und ich stimme ihm zu, die Burg Niederstrang. In der neuesten Waldkarte erkenne ich nicht nur einen Turm, sondern den Ergebnissen von wissenschaftlichen Grabungen folgend eine ausgedehntere Anlage. [1]

Außerdem bin ich der Überzeugung, dass sich „Ober“ und „Nieder“ nicht nach NN, oder Meereshöhe richtet. „Oberstrang“ sozusagen auf der Anhöhe und „Niederrstrang“ im Tal. Nein es richtet sich nach dem Lauf der Donau. Von Oberndorf aus gesehen ist „oben“ etwa Abbach oder Poikam, „unten“ oder „nieder“ z. B. Matting. Diese Annahmen stützten die Matrikelbücher der Pfarrei Matting des 17. und 18, Jh., als es noch von Kloster Prüfening aus pastoriert wurde, in denen Oberndorf das „Obere Dorf“ von Matting genannt wird (siehe auch Schenkungs-Urkunde von 1138: Ob Dorf!), und das sich bis nach Graßlfing erstreckte.

 

Mir liegt auch noch ein Holzschnitt vor, der „Oberndorf bei Regensburg“ zeigt. Die Arbeit wurde um 1870 in der „Leipziger Illustrierten“ abgedruckt. Auf dem Holzschnitt sehe ich „oben“, d.h. in Richtung Abbach, die Burgruine Oberstrang eingezeichnet. Dieser Holzschnitt entstand gewiss gemäß einer alten Tradition, oder vielleicht existierte im 19. Jahrhundert die Ruine „Oberstrang“ neben einem neueren Gebäude liegend sogar noch.

083 Fehlinformationen Versuch einer Korrektur

Außerdem fand ich kürzlich eine Akte von 1827, die besagt, dass Pfalzgraf Otto von Wittelsbach am „Stubenstein“ oder „Stumpfstein“ der Kopf abgeschlagen worden, und dieser dann in die Donau geworfen worden sei.[2] Das hieße, dass sich die Aussage auf dem Holzschnitt, auf dem beim Stubenstein eine Burgruine liegt, und die Aussage dieser Akte decken.

Die Ermordung Ottos von Wittelsbach in dem vermutlich ehemaligen Burgstall am Stubenstein ist sicher die Tradition des 19. Jahrhunderts und vielleicht sogar von früher. Damit könnte das Oberndorfer Geheimnis gelüftet oder wenigstens verkleinert worden sein.

Es ist sicher sinnlos in den Weinbergen nach Fundamenten zu graben. Dort gibt es Fundamente genug, z. B. das Sommerhaus des Christian Ziegler von Abbach, das dieser um 1830 gebaut hat, als er den Weinbau zu Oberndorf revitalisieren wollte. Auch dieses Haus wurde abgerissen, was durch seine Nicht-mehr-Existenz bewiesen ist. Dazu bedurfte es keines Racheakts. (Siehe Chronik von Christian Ziegler!)

Hypothese:

Flur- und Straßennamen in Bad Abbach hielten sich streng an historische Bezeichnungen und Vorgaben.

Antwort:

Es gibt in dieser Hinsicht haufenweise Falschmeldungen und Irrtümer, die der Korrektur bedürften. Grund für diese „Errungenschaften“ sind offensichtlich Schriften unkundige und leseunfähige Berater der beschließenden Gremien gewesen.

Beispiel 1:

Ein Weg vom Schlossberg zur Kochstraße heißt heute „Schnadergasse/Haselbrunnweg“. Er müsste „Schlauderergasse/Haselbrunnweg oder Schuderergasse heißen“, weil er vom Schlossberg zur Vorderen Mühle und zum Haselbrunnen, später Röhrlbrunnen führte. Heute sind die Familien Fischer und Berghofer Besitzer. Auf der Mühle lebten einige Generationen lang Inhaber mit Namen Schlauderer. Schuderergasse, weil das Anwesen Schuderer am Ende dieses Berg-Weges lag (Heute Manglkammer) Der Haselbrunnen wurde wegen Jauchegefahr unter Bürgermeister Röhrl verlegt, daher „Röhrlbrunnen“.

Für die Bezeichnung „Schnadergasse“ stand offensichtlich – wie ältere Abbacher sich schmunzelnd erinnern – die Ehefrau des Heinrich Held (der „Gock“), Franziska, Pate. Sie war in Sachen Kommunikation ein Naturtalent, das sich mit den Jahren zur einer Größe entwickelte!

Übrigens sei an dieser Stelle auch gleich ein anderer Denkfehler bereinigt: Der „Kochzipfl“ oder die Kochstraße ist nicht nach dem Virologen Robert Koch benannt, sondern nach der jetzt ausgestorbenen Schreinerfamilie Koch, die sich durch vielerlei öffentliche Ämter (Bürgermeister, Räte) und soziales Engagement in Abbach verdient gemacht hat. Es bedurfte keines eigenen Verwaltungsaktes zur Straßenbezeichnung, sondern auf dem ehemaligen Ritter-, jetzt Manglkammer Haus ( heute Kochstraße 91) hatten die Kochs ihre Schreinerei, mit der sie im 19. Jahrhundert in die „Saugasse“ oder „Straubingerstraße“, jetzt Römerstraße (nach Abriss Kirchenparkplatz) zogen.

Beispiel 2:

Landläufig meint man heute, dass der „Kühberg“ mit Kühen oder Kuhweide von früher zu tun gehabt hätte. Weit gefehlt! Dort hatten auch früher Kühe nichts zu suchen. Es liegt wieder ein Lesefehler zu Grunde. In der Urkunde von 1224 (Tauschurkunde wegen des Burgberges, Urk. 44 HStA.) ist als nord-östliche Grenze des von den Prüfeninger Mönchen eingetauschten Areals chublsprunne , später Kübelsbrunn, genannt. In diesem Flurbereich befindet sich heute noch der Hausbrunnen der ehemaligen Brauerei Zirngibl nahe der Kühbergstraße. Aus Kü(.) wurde Kühe und B(runne) Berg. Ende des Geistesblitzes!

Es ist urkundlich belegt, dass es viel Streit der Besitzer von Hochstetten (damals Mader) mit den Mönchen von Prüfening gab, wenn immer Markt Abbacher Ochsen auch nur aus dem Schwarzgraben soffen oder gar auf externem Grund weideten, wenn man z.B. dort mit einem Ochsengespann auf den Äckern zu tun hatte. Außerdem lag die Kuhweide in Richtung Peising. Am Mühlbachknie bei der hinteren Mühle war die Kuhtränke, oder bei der Ziegelei, zuletzt Schwögler, von denen in den Akten oft die Rede ist, wenn Instandsetzungsarbeiten zu bezahlen waren, was so alle zwei Jahre vorkam. Die Schweine wurden in Richtung Gemling geweidet, die Ziegen und Schafe bei der Geisreibe in Richtung von Hochstetten nach Graßlfing. Es hatte alles seine Ordnung. Die Hirten standen in Gemeindediensten; ihre Ernennung war ein „Staatsakt“

Beispiel 3:

Wir kennen das Wohngebiet „Hebberg“. Wer hatte bloß diesen Geistesblitz, den Berg mit bb zu schreiben? Der Fehler passierte schon vor 1934! [3]

Schon im Freiheitslibell von 1335 heißt der höckerige Berg „Höckberg“ Zu dieser Zeit war er noch dicht bewaldet,. In der Fortsbetriebskarte für den Gemeindewald von Bad Abbach des Jahres 2001 heißt er wieder genau so. Wem ist es eingefallen, dass er mit bb angemessener bezeichnet ist? Da wurde ein Bedarf an Lesenachhilfe sichtbar.

Wenn ich nachdenke und das Heute mit den Marktgassen im Grundakt der königl. Steuerkataster-Kommission d.J. 1823 (Staatsarchiv Landshut) vergleiche, könnte ich noch manches zu diesem Thema beitragen.

Hypothese
Die Hof- und Straßenkapelle in Weichs sei auch nach einigen Umsetzungen eine Gedächtniskapelle für Gefallene der Napoleonischen Kriege. Den Anfang der Erinnerung habe man mit einer Kapelle am sog. „Kapellenfeld“ gemacht.

Antwort
In Wahrheit war es ein bisschen anders, aber davon hatte nicht einmal die sehr gebildete Gutsbesitzerin Erika Seidl-Schulz Kenntnis:

1910 April 30

In einem Ratsprotokoll entdecken wir als Gegenstand der Beratung des Marktgemeinderates Abbach „Bauplangenehmigung des Hermann Fiedler Weichs.“

„Gegen den vorgelegten Bauplan des Herrn Hermann Fiedler Gutsbesitzer in Weichs, Erbauung einer Kapelle, besteht seitens der Gemeinde, keine Erinnerung.“

Es ist allgemein bekannt, dass es sich um die heutige Kapelle an der Kreisstraße Abbach–Saalhaupt vor dem Wohnhaus des Hofguts handelt. Die Fiedlertochter Maria Ring ließ die Initialen ihres Namens in das Gitter an der Eingangstür zur Kapelle anbringen, wie sich Erika Seidl-Schulz noch erinnern konnte.

Es war aber in Vergessenheit geraten, dass der Bau dieser Kapelle Voraussetzung der Abbruchgenehmigung für die St. Markuskirche war.[4]

Die Kapelle war mit Sicherheit nie als Gedächtniskapelle für die Napoleonischen Opfer von 1809 konzipiert worden. Sie war für die Initiatoren lediglich Ersatz und Zugeständnis für die gläubige und fromme Bevölkerung in der Gegend und zur Bewahrung der bürgerlichen Reputation. Um 1910 dachte vermutlich keiner mehr an Tote von 1809 oder die abgerissene Kapelle am Kapellenfeld.

1910 Juli 16

Bald darauf folgt als Gegenstand der Beratung im Marktgemeinderat „der vorgelegte Bauplan des Gutsbesitzers Fiedler Weichs auf Umänderung des Getreidestadels“. Kurz und lapidar wird erklärt:

„Gegen das Baugesuch des Gutsbesitzers Hermann Fiedler in Weichs, Umänderung des Getreidestadels, besteht von Seiten der Gemeindeverwaltung kein Bedenken.“ [5]

Über das Wie und Wohin wurde nicht lange diskutiert. Es gab nur die Möglichkeit der Erweiterung der Scheune in Richtung Distriktstraße. Wenn man die Zeichnung aus dem Burggeding-Plan von 1759 anschaut und die Farbe der Ziegelbedachung auf einer Luftaufnahme um 2000 überdenkt, sieht man eindeutig, was geschehen war: Die St. Markuskirche wurde 1910 weggeräumt. Ein blaues großes Kreuz an der Innenseite der Außenwand der Scheune gegen Süden bestätigt, dass einst die St. Markuskirche bis dorthin reichte. Beim Abbruch der Kirche wurde das blaue Merkzeichen aufgemalt.

083 Fehlinformationen Versuch einer Korrektur Foto Kapelle

Photo: Gabi Hueber-Lutz

Gnadenbild in der Straßen- und Hofkapelle von Weichs als Ersatz für die Grünsandstein Madonna in der abgerissenen St. Markuskirche (um 1370), die sich heute in Straubing befindet.

Theorie
Die Flurbezeichnung „Bohek“ komme von „ Bo“ = Bein und „hek“ =Hecke. Nein „Boh“ = Bach (mundartlich) und „ek“ = Ecke, also die Stelle, wo ein Bach, der aus der Gegend vom Sachsenberg kommt, in den Gemlinger Bach mündet und eine Ecke bildet.
[1] Fortsbetriebskarte für den Gemeindewald Bad Abbach, Stand Oktober 2001. Distrikt IX., Donauhänge, Steilwand zur Donau hin. 1,30 ha. Süd, steil ( 36-58%) Baumbestand 100 Jahre alt. Buche, Eiche, Kiefer, Fichte.
[2] Der Markt Abbach und dessen Umgebung, angefertigt den 15. Februar 1827. Archiv 8.3.1.
[3] Flurnamen von Abbach und der umliegenden Orte, Hauptlehrer Karl Heinrich, 1934. Archiv II.18.2.3.a.
[4] Ratsprotokoll Abbach 1904-1914 v. 30.4.1910. Archiv 8.6.1.a.
[5] a.a.O. v. 16.7.1910. Archiv a.a.O.

Von |2023-12-02T20:09:04+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

084: Der fast vergessene Krieg gegen Frankreich – 1870/71

In den bisherigen Chroniken von Abbach (Gandershofer, Angrüner) war die folgende Geschichte etwa fünf Zeilen wert. Dabei handelt es sich in der Folge um die Einigung der deutschen Kleinstaaten und die Gründung des deutschen Reiches.

Bismarck war es, der sich die Einheit Deutschlands zum Ziel gesetzt hatte. Mit einem Krieg gegen Frankreich, so hoffte er, könne er so viel Patriotismus im deutschen Menschen entfachen, wie zur Vollendung dieses Werkes nötig sei.

In Spanien gab es wieder einmal einen vakanten Königsthron, den Bismarck mit einem Deutschen besetzen wollte ( Leopold von Hohenzollern – Sigmaringen). Das bedeutete für den Franzosenkaiser Napoleon III., der sich dies nicht gefallen lassen wollte, Krieg. Krieg gegen Preußen, hieß das für ihn! Flugs hatte er diesen am 19. Juli 1870 erklärt.

Der Franzose stand von vorne herein auf verlorenem Posten.: 400 000 Preußen und eine Riege deutscher Staaten gegen 300 000 Franzosen.

Napoleon III. wurde am 2.9.1870 in der Schlacht bei Sedan gefangen genommen. Die Franzosen erklärten das Kaiserreich in Frankreich für abgeschafft und errichteten die Dritte Republik.

Der Krieg ging weiter, viel heftiger als vorher.

Auch Bayerns König Ludwig II. wurde trotz seines Friedenswillens bei der Zwangsläufigkeit der politischen Verhältnisse in Bayern und dem Druck aus Preußen in diesen Krieg mit einbezogen.

Es war ein erbitterter und verlustreicher Krieg.: Vom 10. Oktober bis 10. Dezember 1870 erstürmte und verlor und erstürmte wieder General von der Tann mit seinen Bayern Orleans. Sein Bataillon wurde zur Kompanie-Stärke reduziert. Die Kämpfer waren am Ende zerlumpt, barfuß, erschöpft.

In der Heimat landeten haufenweise Verlustlisten. Kriegergottesdienste in großer Zahl wurden abgehalten.

Aber am 18.1.1871 kapitulierte endlich Paris. Bismarck nutzte die patriotische Hochstimmung in Deutschland, um die Einigung zu vollenden.

Am 18. Januar 1871 wurde im Spiegelsaal von Versailles im Beisein Bismarcks und Hunderter Fürsten und Offizieren Wilhelm I. zum deutschen Kaiser proklamiert. Im April 1870 trat die Verfassung des Deutschen Reiches in Kraft. Bayern heimste für seine mühsame Zustimmung viele Zugeständnisse und Vorteile ein. Frankreich wurde zu schweren Reparationsleistungen verdammt.

Dieser Krieg hat im Marktarchiv zwar keine Spuren hinterlassen, oder das Material wurde in den 1990er Jahren hinausgeworfen. Anders war es jedoch im Pfarrarchiv. Den Bericht von dort will ich hier herholen![3]

Pfarrer Franz Xaver Steinhauser (1869 – 1872) notierte:

 

1870

„Die Kriegserklärung, welche Frankreich wegen einer nichtssagenden Ursache an Preußen ergehen ließ, erregte allerorten(.) die größte Aufregung. 22 Offiziere, welche hier ihre Siesta hielten, mussten schleunigst in ihre Garnison einrücken. Gott sei es gedankt Abbach sah und hörte vom Kriege, der zu allen Zeiten den Ruhm der deutschen Waffen erzählen wird, nur, was es in den Zeitungen las, ausgenommen die in der That großartige Leichen Feier des in der Schlacht bei Sedan verwundeten Soldaten Josef Krammel, Braumeisters Sohn von hier, welcher in Würzburg starb und dahier am 30. September beerdigt wurde.

Die Angehörigen der Pfarrei zeichneten sich durch ihre wiederholten und reichen Gaben für die Verwundeten aus.

Sonstige Opfer dieses Krieges aus der Pfarrei waren Josef Westermeier, Johann Ofenbeck Johann Fänderl und Lorenz Krammel. (Späterer Zusatz: Siehe Gedenktafeln an der Pfarrkirche, in Oberndorf und Saalhaupt)

1871

Anfangs März wurde der Friede zwischen Frankreich und dem inzwischen zum deutschen Kaiser ausgerufenen König von Preußen Friedrich Wilhelm IV, ratifiziert.

Auf allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Königs Ludwig II. von Bayern wurde für die auf dem Felde und in Folge von Verwundung oder Erkrankung gestorbenen Soldaten am 11. März ein feierlicher Trauergottesdienst mit Requiem & Libera unter zahlreicher Beiwohnung des Christ gläubigen Volkes abgehalten.

Tags darauf- am 3. Fastensonntag – war die Dankesfeier für den ruhmreichen Friedensschluss. Von Seiten der Marktgemeinde wurde alles zur würdigen Begehung dieses Festes in Bewegung gesetzt.

Sämtliche Häuser auf den Hauptplätzen waren mit Fahnen geschmückt, viele mit Inschriften verziert. Der Donner der Böller war so stark, dass unsere Nachkommen dessen Echo noch hören werden. (Späterer Zusatz: Oho !)

Die kirchliche Feier war nicht minder entsprechend. Um 7 Uhr war in der Marktskirche der Pfarrgottesdienst, um 10 Uhr das feierliche, levitierte Dankamt mit Te Deum, welchem eine zahlreiche Volksmenge beiwohnte.

Deus conservet pacem! (zu deutsch : Gott erhalte den Frieden !).

1.Oktober 1871

Der heutige Sonntag führte endlich auch die Gemeinde Abbach in die Reihe derjenigen, welche den aus ihrer Mitte ausgezogenen und glücklich heimgekehrten Kriegern ein Fest feierten. Leider war dasselbe vom Wetter nicht begünstigt, sodass der beabsichtigte Fackelzug und die Illumination unterbleiben musste. Auch bei dieser Gelegenheit musste ich die Beobachtung machen, dass für weltliche Zwecke die Abbacher Geld aufwenden, als zählten sie zu den Wohlhabendsten; gilt es einem frommen, kirchlichem Zwecke, da sind die Geldbeutel verschlossen.

Folgende Gedenktafel befand sich ursprünglich an der Außenwand der Pfarrkirche neben dem Eingang. Bei der Neugestaltung des Kriegerdenkmals auf dem Bergfriedhof wurde es in die Gesamtanlage der zwei Weltkriege 1914/18 und 1939/45 mit einbezogen. Als eigenständiges Denkmal hat die Tafel einen würdigen Platz gefunden!

084 Der fast vergessene Krieg gegen Frankreich 1870 71

[3] Notizen – Buch der kath. Pfarrei Abbach. Pfarrarchiv, Schrank 1. Kopie in der Hängekartei des Marktarchivs. Pfarrei.

Von |2023-12-02T20:02:47+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

085: Die Brandkatastrophe vom 30. Mai 1892 in Abbach – Hilfen zur Bewältigung

An diesem Tage erlebte Abbach die größte Brandkatastrophe der Geschichte, abgesehen von den Ereignissen zum Ende des 2. Weltkrieges vom 24. – 27. April 1945.

Das Feuer brach ( vermutlich durch Brandstiftung) um 14 Uhr nachmittags im Stadel der Brauerei Eckmann (heute Zirngibl) aus . Es fielen ihm 32 Gebäude, darunter 17 Wohnhäuser den ganzen Markt hinauf bis zum Bad, zum Opfer. Ein kurzer Bericht über den Brand findet man u.a.. im Abbacher Heimatbuch von Fritz Angrüner S. 84.

Die entstandenen Sachschäden können aus den im Archiv nach vorliegenden Aktenresten nur mehr annähernd erahnt werden. Bedienen wir uns hierzu eines Schreibens des Bezirksamts Kelheim vom 4. Juni 1892, eines Tages als sich der Rauch gerade erst verzogen hatte:

„Bei der gestrigen Besichtigung der Brandstelle in Abbach wurde wahrgenommen, dass noch immer Mauerwerke vorhanden sind, welche wegen ihrer Gefährlichkeit abgebrochen werden müssen., so namentlich der Deckel – Kamin bei Bierbräuer Mengin.[1] Diese Abbrucharbeiten sind unverweilt mit der größten Vorsicht vorzunehmen und hierzu geeignete Personen, nur Männer zu verwenden.

Der Schutt auf der Straße und wo es notwendig auch aus den abgebrannten Häusern ist zu entfernen und dabei zu beachten, dass nicht glimmende Balken und Holzteile liegen gelassen oder in Gefahr drohender Nähe von Gebäuden abgelagert werden. Holzteile sind bei der Entfernung tüchtig zu begießen. Insbesondere ist darauf zu sehen, dass die Kinder von den Brandstätten entfernt und namentlich bei den Abbrucharbeiten nicht zugelassen werden.

Die standesamtlichen Heberegister sind in einem sicheren Gebäude, wenn möglich im Pfarrhofe, aufzubewahren.[2] Für die verbrannten Registraturschränke sind neue zu beschaffen (…)“

Die Gemeinde und die betroffenen Brandleider konnten die entstandenen Schäden wieder einmal nicht aus eigener Kraft bewältigen. So schickte man die dringende Bitte an die Regierung, eine Spendenaktion in ganz Bayern starten zu dürfen. Der Bitte wurde durch folgendes Schreiben entsprochen:

„ Landshut den 19. Juni 1892

Königliche Regierung von Niederbayern

Kammer des Inneren.

Betreff: Sammlung für die Abgebrannten in Abbach

Seine Königliche Hoheit Prinz Luitpold, des Königreichs Bayern Verweser, haben sich Allergnädigst bewogen gefunden, zu genehmigen, dass zum Besten der durch Brandunglück am 30. Mai 1892 beschädigten Bewohner des Marktes Abbach , k. Bezirksamts Kelheim, eine Sammlung von Haus zu Haus in den Regierungsbezirken von Oberbayern, Niederbayern, der Oberpfalz und von Regensburg, dann von Schwaben und Neuburg durch die Gemeindebehörden vorgenommen werde.

Hiervon wird die Marktgemeindeverwaltung Abbach im Vollzuge der höchsten Entschließung des k. Staatsministeriums vom 18.ds Mts. Nr. 9846 mit dem Beifügen in Kenntnis gesetzt, dass das Anschreiben wegen Vornahme der Sammlung demnächst im Amtsblatte des k. Staatsministeriums des Inneren zur Veröffentlichung gelangen wird.(…)“

 

Über das Ergebnis der Sammlung liegt im Archiv ein „Haupt – Cassabuch der eingelaufenen Liebesgaben für die Abgebrannten in Abbach“ vor. Darin ist vermerkt, dass sich bis zum Ende einer Bayern weiten Spendenaktion von Juni bis September 1892 3482 Spender, vorwiegend Gemeinden, beteiligten.

Es gingen von den Gemeinden und privaten Spendern 69.678,10 Goldmark ein. Seine kgl. Hoheit Prinzregent Luitpold ergänzte mit 2000 Goldmark auf 71.678,10 Goldmark.

Davon wurden an die abgebrannten Hausbesitzer 65.400.- , an die durch den Brand geschädigten Inwohner und Dienstboten 5.840.- und für Regiekosten und Schreibpapier 190,75 Goldmark ausgeteilt. Es blieb noch ein Rest von 283,25 Goldmark, den bis zur vollständigen Abwicklung ein „Comite“ unter Leitung von Dominikus Koller verwaltete.

Am Pfingstdienstag 1892 erfolge auch die Schadensschätzung durch den Brandversicherungsinspektor zu Regensburg, nachdem es seit 3.April 1875 glücklicherweise auch schon ein Brandversicherungsgesetz und entsprechende Versicherungen gab.

Die für die Immobilien ausbezahlten Beträge sind dem Archiv nicht bekannt, aber die Entschädigungen für das Mobiliar. Dafür wurden insgesamt 24.774,55 Reichsmark gewährt, wovon der Brauereibesitzer Georg Eckmann allen schon 17.750.- , der Bierbrauer Josef Schreiner 1710.-, der Bäckermeister Michael Hermann 2100.-, der Postexpeditor Joh. Nep. Hiendlmayer 2049,55, der Spänglermeister Josef Paintner 1080, der Fragner (=Kramer) Xaver Zirngibl l70.- und Alois Bixl 15 Goldmark von der Generalagentur München der Magdeburger Feuerversicherungs- Gesellschaft erhielten[3]

Nachdem der Markt nun schon einmal abgebrannt war, forderte das Bezirksamt in Kelheim am 8. Juni 1892 die Marktgemeinde auf, vor dem Wiederaufbau eine neue Baulinie festzusetzen. Die Hauptstraße hatte dem Schreiben zur Folge kein freundliches Aussehen. Es wurde gleichzeitig auch ein behördlicher Gutachter angewiesen, der sofort tätig werden sollte, damit der Wiederaufbau nicht aufgehalten werde.

Es sei noch erwähnt, dass 1892 die Gemeinden Markt Abbach und die Landgemeinde Schlossberg-Abbach nach 40 jährigem Bestreben auf der einen und Widerstreben auf der anderen Seite vereinigt wurden. Waren es wirklich zwei anonyme Handwerksburschen, die den oben erwähnten Brand gelegt haben, oder hat es mit dem hart umkämpften Zusammenschluss zu tun?

[1] Die Brauerei Mengin ist die frühere Gerbel-Brauerei, die direkt neben der Brauerei Eckmann, heute Zirngibl, stand. Sie wurde von den Zirngibl-Vorläufern Eckmann annektiert, nachdem der letzte Gerbl Besitzer durch Uninteressiertheit und wegen desolater wirtschaftlicher Verhältnisse abgewandert war. Mengin war nur eine Zwischenlösung. Heute steht dort das Verwaltungsgebäude der Zirngibl-Liegenschaften.
[2] Das Rathaus befand sich zwar auf der Schulbruck, aber die Standesamtakten bewahrte der jeweilige Bürgermeister bei sich zu Hause auf. 1892 war der Konditor Michael Röhrl Bürgermeister; er wohnte im Markt und auch er war Brandleider.
[3] Aktenkonvolut Brand in Abbach 1892. Archiv XII.21.2.1.a.

Von |2023-12-02T19:59:53+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

086: Sippenhaftung im Nazi-Deutschland (1933-1945)

Ich wurde im Oktober 1933 geboren. So erlebte ich als Kind und Jugendlicher eine schlimme Folgezeit. Von Anfang an war mir das Schlamassel natürlich nicht bewusst, aber mit zunehmendem Alter spürte ich aus den Äußerungen meiner Eltern sehr früh intuitiv, dass sich da etwas entwickelte, wovor ihnen graute.

Am 30. Januar 1933 war Hitler Chef eines Präsidialparlaments geworden. Mit Hilfe gravierender Rechtsbrüche hatte sich eine brutale Diktatur angekündigt. Die Pressefreiheit war eingeschränkt worden. Die freien Länder waren nun mit Preußen vollständig gleichgeschaltet. Durch das Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 war der Rechtsstaat liquidiert. Der Beamtenapparat und die Justiz war von Demokraten und Deutschen jüdischer Abstammung schnell gesäubert.

Am 6.3.1933 schrieb mein Vater in sein Tagebuch, dass er 70 Pfennige bei einer Siegesfeier der SA eingenommen habe. Was hat die SA da bei einem Fackelzug mit Blasmusik wohl gefeiert? Den bereits erfolgten politischen Umbruch oder die Missetaten, die bald folgen sollten? Ich muss erinnern, dass mein Vater als Trompeter einer Orts ansässigen Blaskapelle auf Betreiben der Abbacher Nazis der ersten Stunde gegen sein Widerstreben mitzuwirken hatte. Die Feier war offenbar trotzdem beeindruckend und offenbarte den Gusto der neuen Kraft strotzenden Elite.

Der Bürgermeister, zugleich Ortsgruppenleiter der NSDAP, und der Ortsbauernführer hatten an dem pseudo-militärischen Ereignis offenbar Gefallen gefunden. Sie beschlossen die Gründung einer SA Blaskapelle, die man immer wieder brauchen könnte.

Mein Vater verweigerte aber den Beitritt zur SA und die Mitwirkung bei der Kapelle. Damit war das Projekt vorläufig gescheitert, weil es keinen Ersatz gab. Welch ein Frevel! Das sollte seine Folgen haben! Dies hat man meinem Vater nie vergessen. Aber mit seiner Weigerung, bei künftigen Events solcher Art künftig nicht mitzuwirken, begann für ihn und seine eben erst gegründete Familie ein folgenschweres und bitteres Dasein.

Im Jahre 1936 erfolgte der erste Streich gegen meinen Vater:

War nicht sein Vorfahre ein Judensohn? Sein Vater hieß nämlich Karl Kraus, geboren 1872. Dieser ließ einmal verlauten, dass seine Ahnen in Altenberg (im Volksmund „Altenbirg“) gelebt hätten. „Altenbirg also? Lag dieses Gebirg nicht in Österreich?“ Und in Österreich war doch gerade ein Karl Kraus, geboren 1874 als System-Kritiker und Schreiber verderblicher Bücher aufgefallen („Die Fackel“, A.d.V.)! Gab es da bei meinem Vater einen Geburtsfehler? Stammte er gar von einem Juden ab? Dieser Sache musste nachgegangen werden!

Es zeigte sich, dass die neuen Abbacher Herren eigentlich keine Abbacher waren. Sie kannten seit Jahrhunderten gewachsene familiäre Bindungen nicht. Auch einige bekannt-dumme Emporkömmlinge, die von nichts eine Ahnung hatten, waren politisch und gesellschaftlich nach oben geschwemmt worden. Und ihnen war die frühere Widerspenstigkeit meines Vaters noch erinnerlich.

Bis zur endgültigen Klarheit der nun herrschenden Riege wurde mein Vater für Wochen in „Schutzhaft“ genommen. Der „arische Nachweis“ erst brachte die Entlastung. Es stellte sich heraus: Die direkten Vorfahren lebten seit 1835 in Abbach und kamen aus Riedenburg. Der Pfarrer brachte es an den Tag.

Wer nahm meinen Vater auf diese Art in die Klemme? Waren es zwei ortsbekannte ledige Nazi-Damen? – Es wurde noch lange Zeit in der Familie gerätselt. Mir sind die Namen der Verdächtigen im Gedächtnis geblieben, aber aus Datengründen will ich sie nicht nennen.

Mein Vater wurde am 11.3.1940 nach Polen zur Wehrmacht eingezogen. Gleich hernach folgte der zweite Streich:

Meine Mutter bläute mir, ihrem sechs Jahre alten Sohn, immer wieder ein, dass ich ja niemand sage, was zu Hause so gesprochen wird. Auch dürfe ich in der Schule nicht sagen, was Papa aus dem Krieg schreibe.

In der Tat wurde ich in der Schule öftere Male danach gefragt, und ich antwortete immer: „ Er schreibt nur „ es grüßt dich und küsst dich dein (.)“.

Das war ja unverfänglich! Aber hatte ich jemals auch etwas Gefährliches gesagt?

Jedenfalls wurde meine Mutter unerwartet zur landwirtschaftlichen Arbeit dienstverpflichtet. Wo könnte sie diesen Dienst ableisten? war die Frage. Sie hatte Glück, ihr Vater war im nahen Saalhaupt während des ganzen Krieges geschäftsführender Bürgermeister und selbst Mitglied der Partei. Er hatte gute Verbindungen zur Kreisbehörde. So durfte meine Mutter auf seinem Hof den Dienst antreten. Sie sollte täglich mit dem Fahrrad zwischen Abbach und Saalhaupt verkehren. Bei der Rückkehr am Abend solle sie die Einkaufstasche bei einem am Ortsrand wohnenden SA Mann und rathausnahen Freund umkehren müssen, ob sie nicht etwas Essbares mitgebracht hätte. Das war ihr striktest untersagt worden.

Unmittelbar darauf folgte der dritte Streich:

Da meine Mutter angeblich wegen ihrer Pflicht nicht genügend Aufsicht über mich führen konnte, wurde ich selbst 1940 vor dem üblichen Lebensalter zur Hitlerjugend annektiert. Der Grund war sicher die ideologische Unzulässigkeit meiner Eltern und die Befürchtung schädlicher Einflüsse ihrerseits.

Ich war aber kein zuverlässiger „Pimpf“ und entzog mich weitgehend dem Einfluss des Fähnleinführers, der aus Elberfeld stammte und mir als Preuße sowieso in seiner Ausdrucksweise nicht entsprach.

Dies führte am 16. Oktober 1942 zum vierten Streich:

Frühmorgens, bevor meine Mutter sich auf den Weg nach Saalhaupt machte, erschien der genannte Fähnleinführer in unserer Wohnung und verlangte, dass ich ihn begleite. Wohin sollte ich folgen? Keine Auskunft. Es sei eben eine unabdingbare Obliegenheit zu erledigen. Unsererseits wurden meiner Erinnerung nach keine Bedenken laut. Aber was erwartete mich sogleich?

Im Eilschritt ging es den Ort hinaus, am Löwendenkmal vorbei in den sog Seidl-Steinbruch, an der glatten Grünsandsteinwand vorbei in die weite Schlucht. Da standen schon viele Männer, auch einige Frauen. Mäuschenstill stierten sie zur gleichen Stelle am linken Steilhang hinauf, wo emsiges Treiben stattfand. Die Leute in der Schlucht erkannte ich wegen ihrer Kleidung und Kennzeichnung als Gefangene. Sie sollten sich das Kommende geschehen gut merken. Aber was sollte ich dabei? Wozu wurde ich an diesen Ort geführt? Darüber wurde nie ein Wort gesprochen.

Ein langes Brett wurde über den Abgrund herausgeschoben, an einer Kiefer vorbei, die krumm über die Kante gewachsen war. An ihr war ein Strick angebunden. Bald erschien ein hagerer Mann, an dessen Hals das andere Ende des Strickes befestigt war. Nachdem er das Ende des Brettes erreicht hatte, schnappte dieses nach unten und schlug mit einem lauten Knall an die Felsenwand. Der Mann da oben war abgestürzt und regte sich nicht mehr. Durch die Menge unten ging ein dumpfes Raunen. Keiner sagte etwas. Ich sah zwar, dass da einer aufgeknüpft worden war, verstand aber nicht, warum dazu meine Anwesenheit nötig war.

Im Eilschritt ging es mit dem Fähnleinführer zum Ort zurück, bis zum Rathaus. Da blieben wir stehen, und allmählich folgten die zerlumpten Leute von vorher. Wir mussten warten, cirka eine Stunde, bis gegen Mittag. Da brachte man einen Bruckwagen, der nach seiner Art eine flache Ladefläche hatte. Gleich darauf wurde der Tote Mann darauf geworfen. Woher und wie sie ihn brachten ist mir nicht aufgefallen. Jeder Einzelne der Anwesenden musste um dem Wagen schreiten und sich den Gehenkten ansehen. Der Letzte, der an der Reihe war, war ich.

Ich prägte mir dieses Bild für mein Leben ein. Wenn es mir später durch den Kopf schoss, glaubte ich, ich hätte einen bösen Traum gehabt.

Erst nach dem Krieg wurde in Bad Abbach von diesem Vorfall geredet. Gewisse Leute wurden beschuldigt, aber niemand sprach es laut aus. Was war 1942 passiert? Was lag damals vor?

Es habe sich um einen polnischen Fremdarbeiter in einem Abbacher Handwerksbetrieb gehandelt, der sich zwei Mädchen unsittlich genähert haben soll. Eine der Mütter habe Anzeige erstattet. Bevor es zum Prozess gekommen sei, habe sich die Geheime Staatspolizei des Falles bemächtigt. Diese machte bekanntlich immer schnellen Prozess, der immer mit Tod endete.

Im Archiv suchte ich jetzt, vielleicht kurz vor dem Ende meiner Tage, den Wahrheitsgehalt meines bösen Traumes, der mich immer noch begleitet:

Der Mann war „Felix Haberko, römisch katholisch, wohnhaft in Abbach, (…). Er ist am 16. Oktober 1942 um 10 Uhr 05 Minuten in der Gemeindeflur Bad Abbach verstorben. Der Verstorbene war geboren am 21. März 1910 in Wolkorn, Kreis Olkusz. (…)[1]

Vater Winzenty Haberko verstorben. Mutter Marianna geborene Swidzinska verstorben. Der Verstorbenen war nicht verheiratet.

Eingetragen auf schriftliche Anzeige der Geheimen Staatspolizei Regensburg. Der Anzeigende —– Ein Druckwort gestrichen. Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben der Standesbeamte Frank. Todesursache Genickbruch.[2]

Dazu wäre noch Vieles zu sagen, aber über manches muss ich aus Rücksicht schweigen. Der geschichtlichen Wahrheit über diese Zeit war ich es schuldig, dass ich von diesem Erlebnis berichtete.086 Sippenhaftung in Nazi Deutschland

Wir sind mit den Streichen noch nicht am Ende. Anfangs April des Jahres 1945, man hörte von ferne bereits den Donner der alliierten Panzer und Kanonen, brachte die Post einen Einschreibbrief.

Er enthielt die Aufforderung an mich, dass ich in das Straflager nach Vilsbiburg einzurücken hätte.

Meine Mutter klemmte, wie üblich, das verhängnisvolle rote Papier mit Umschlag an das Türchen des Küchen Büfetts. Es folgte ein tägliches Rätselraten, was das sollte und was zu tun sei. Meine Mutter war ratlos und trostlos. Es könnten doch umgehend die Amerikaner oder sonst wer die Front zu uns bringen!

Eines Tages ging sie zur Post, um in einem Brief den Vater in Dänemark um Rat zu bitten. Das war sicherlich aussichtslos. Die Post wird bestimmt keine Feldpostbriefe mehr befördern. Aber da saß am Schalter das Fräulein Schmitt, bis zum Endsieg nationalistisch eingestellt: „Jetzt muss ihr Sohn ja ins Gefängnis“, sagte sie zur Mutter und grinste verräterisch. Mutter antwortete: „Mein Sohn wird nicht eingesperrt, lieber lasse ich mich einsperren.“

Aber so einfach war die Sache nicht und die Tage huschten nur so dahin.

In ihrer Not fragte sie den Ortspfarrer, was sie tun soll. Der Pfarrer riet, ich könne in seinen Keller kommen, und er werde mich verstecken. Es dauere nicht mehr lange, bis der Spuk zu Ende sei. Meine Mutter solle, falls sie gefragt werde, sagen, dass ich ins Lager abgereist sei. Kein Mensch könne beim obwaltenden allgemeinen Trubel mehr nachkontrollieren, ob sie die Wahrheit sage. Ich folgte seinem Rat, zog für drei Wochen in den Pfarrerkeller ein, wo mich die Pfarrersköchin mit Speis und Trank versorgte. Den „Gestellungsbefehl“ ertränkten wir in der Toilette.
Wie es weiter ging, können Sie in meinem Aufsatz „Wie ich selbst das Ende des zweiten Weltkrieges erlebte“ nachlesen.

[1] Geb. Reg. der Gemeinde Wolkorn Nr. 76/10.
[2] Standesamt Bad Abbach, Sterbematrikel Nr. 21 / 1942. Archiv 37.3.

Von |2023-12-02T19:57:38+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

087: Ein Stückchen Brot bitte, ein Stückchen Brot – Über das KZ – Aussenlager vor Saal

Ich hatte um das Jahr 1944 ein Erlebnis, das mich nachhaltig beschäftigte. Wegen der häufigen Luftangriffe auf das Meserschmitt – Flugzeugwerk in Regensburg – Prüfening sollten Teile der Rüstungsfabrik in den Wald zwischen Abbach und Saal verlegt werden. Beim Aumeier Altwasser , in der Nähe der Bergflur „Am Ring“, wurden Stollen in den Fels getrieben. Dort sollte im Schutz des Berges die Flugzeugproduktion weitergehen bis zum „Endsieg“.

Die Spreng- und Schachtarbeiten mussten russische Kriegsgefangene verrichten. Die Arbeiten endeten nicht selten tödlich. Für sie hatte man an der Straßengabelung Teugn / B 16 vor Saal ein Extralager errichtet. Es ging dort zu, wie in einem richtigen KZ ( = Konzentrationslager).

Ich begegnete einmal einem Trupp dieser armen, gequälten, ausgehungerten, entwürdigten Menschen. Meine Saalhaupter Großmutter Sophie Schmidbauer, die eine couragierte Frau war, war mit dem Pferdefuhrwerk auf der Landstraße unterwegs, um meiner Tante Rosl in Abensberg, ihrer Tochter, aus dem eigenen Wald Zaunstangen zu bringen. Ich saß hoch oben auf der Fuhre. Großmutter hatte erlaubt, sie zu begleiten.

Offensichtlich hatte sie von anderen Passanten schon von den Zuständen bei Saal gehört. So stieg sie ein Stück nach Teugn vom Wagen und nahm eine schwarze Riementasche zu sich. Die eine Hand führte die Pferde am Halfter, die andere trug die lederne Tasche. So passierte sie mit dem Fuhrwerk die via dolorosa (deutsch: die Marterstraße).

Wie erwartet wurden Trupps ausgemergelter Schemen hin- und hergetrieben. Die Augen steckten ihnen tief in den Höhlen. Unter den Lumpen, die sie bei der Kälte am Kopf und am Leibe trugen, sah man nichts als Haut und Knochen. Im Vorbeihuschen drückte sich dieser oder jener Russe an meine Großmutter heran und flehte: „ Panie, – chleba – proschi panie – chleba – proschi panotschko!“

Da griff meine Großmutter hastig in ihre Ledertasche und holte ein Stück Brot heraus, das sie dem Ärmsten zuschob.

Dies erregte aber die Aufmerksamkeit der anderen. Es gab ein Gedränge um meine Großmutter herum. Alle wollten etwas haben. Viele streckten die Hand aus und bettelten um die Barmherzigkeit eines Brotbissens.

Da preschte einer der SS-Bewacher herbei und schrie: „He, pascholl! Weg da!“ Er trieb die Russen wie ein Wachhund auseinander. Meiner Großmutter gegenüber ließ er seinem Zorn feien Lauf. Er trat ihr mit den Stiefeln in die Hüfte. Dann beeilte er sich, seine Schwadron zu ordnen.

Wir aber setzten unseren Weg mit dem Wagen fort. Großmutter setzte sich zu mir auf die Fuhre und sagte kein Wort mehr. Trotz der empfangenen Fußtritte war sie froh. Ihr sei auf diesem Weg Jesus begegnet , sagte sie einmal. So war sie überzeugt, weil sie eine gläubige und fromme Bauersfrau war.[1]

[1] Man verzeihe mir eine eventuell falsche Schreibweise der russischen Wörter. Ich bin dieser Sprache nicht kundig und kann mich nur an das Phonetische erinnern.

Von |2023-12-02T19:45:58+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

088: Vom Schwarzmarkt nach dem 2. Weltkrieg und von der Währungsreform 1948

Eigentlich gab es auch in der Notzeit nach dem Krieg fast jeden Artikel zu kaufen. Man musste nur die rechte Adresse und das entsprechende Geld besitzen, oder besser einen begehrten Tauschartikel. Man hieß die Bezugsquellen den „Schwarzen Markt“. Dort zahlte man üblicherweise 10-fache Preise.

Ein einfaches Schulheft kostete 5 Reichsmark; 1 Pfund Zucker konntest du um 20 Mark bekommen. Münzen wurden nicht mehr geprägt, Briefmarken ersetzten einfach die Kleinmünzen. Sie galten als ordentliches Zahlungsmittel.

Auch ich nahm Kontakt zum Schwarzen Markt auf. Ich organisierte in der Bäckerei, der ich nahe stand, Brothefe. Dazu hatte ich als angehender Stift leichten Zugang. Der Abnehmer war ein Pole aus dem UNRA-Lager Zigetsdorf. Er brauchte die Hefe zum Schnapsbrennen. Seinen Namen nannte er nie. Papa und ich nannten ihn „Mister Gefe“. Er konnte das Wort Hefe nicht aussprechen. Die UNRA- Leute waren, wie es den Anschein hatte, ein zusammengewürfeltes Ausländer Gesindel. Man verzeihe mir das despektierliche Wort. Aber damals waren verzwickte Verhältnisse. Die so Gekennzeichneten trieben uns Einheimische aus den Wohnungen, bestahlen und beraubten uns. Einen brachten sie in einer Nacht sogar um. Sie nahmen ungestraft Rache für die Verfolgung in der Nazizeit. UNRA war die Abkürzung für „United Nations Resarch Agency“. Wir gaben dem Kürzel einen anderen Sinn: „Uns Nehmens Rein Radikal Alles!“

Wie ich den Mister Gefe so eifrig kommen sah, und er als Gegenleistung sogar Stoffballen, die er sicher vorher irgendwo gestohlen hatte, für die Schneiderei meines Vaters brachte, da ahnte ich, wie begehrt der Tauschartikel Schnaps war.

Ich hatte bald das Verfahren der Schnapsbrennerei in Erfahrung gebracht. Es dauerte nicht lange, dann konnte ich Zuckerrüben und Kornschnaps für den Bedarf von Mister Gefe brennen. Alkohol war einträglicher als Hefe. Es war mir nicht bewusst, auf welch gefährlichen Gleisen ich mich bewegte. In dieser chaotischen Zeit war auch die Moral auf der Strecke geblieben.

Im Juni 1948 fand unverhofft über die Nacht die Währungsreform statt. Nur die Naiven, und meine Familie gehörte wohl dazu, traf sie unvorbereitet. Es wird allen Habenichtsen so ergangen sein. Wir hatten kein übriges Geld, darum war uns die Wirtschaft kein Problem. Aber plötzlich war die Reichmark im Verhältnis 10 : 1 abgewertet. Ab jetzt führte die Reichsmark den Namen „Deutsche Mark“. Jeder Deutsche, ob Kind oder Greis, bekam auf der Gemeindekanzlei 40 DM sog. Kopfgeld. Das war sein Neuanfang. Es hieß, alle seien jetzt gleich. Aber einige waren gleicher! Manche Kaufleute in Bad Abbach hatten rechtzeitig die Waren, die anderen auf Lebensmittelkarten oder Bezugsscheine zugestanden wären, gehortet für den Tag X.

Schon am Tag darauf waren ihre Läden und Schaufenster mit rarsten Sachen gefüllt. Man konnte um die DM alles kaufen, was man haben wollte.

Woher waren die Sachen bloß über die Nacht gekommen? Es war doch noch kein Lieferauto eingetroffen.

Ab da ging es aufwärts. Ich war gerade aus der 8. Klasse der Volksschule entlassen worden. Mein Wissensstand in manchen Fächern war nicht so ganz prächtig, was den Zeitumständen entsprach. Die Grenzen und Gepflogenheiten des „Großdeutschen Reiches“ hatten sich aufgelöst. Ich war ja von den damals üblichen 8 Schuljahren kriegsbedingt nur 6 Jahre anwesend. Das kompensierte man durch Frühreife und Raffinesse.

Von |2023-12-02T19:43:02+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

089: Kriegsbedingte Prägung der heranwachsenden Generation

Preußische Militaristen prägten den Spruch: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge!“ Heute dämmert es leider immer noch nicht jedem in Deutschland und sonst auf der Welt, dass der Krieg eher das Ende von allem ist.

Wir Älteren klagen oft über die Defizite der heutigen Jugend, betrachten sie als die Generation der letzten Tage, doch auch wir Alten hingen an zweifelhaften Zielen und verehrten dubiose Idole. Diese könnten vor unserem jetzigen kritischen Gewissen nicht mehr bestehen. Wir selbst waren damals sicher ganz anders, aber sicher noch mehr auf dem Holzweg als die Heutigen. Wir sangen in der Grundschule und bei den Zusammenkünften der Hitlerjugend:

„ Es zittern die morschen Knochen der Welt vor dem großen Krieg.

Wir haben den Schrecken gebrochen, für uns ist`s der große Sieg.

Wir werden weitermarschieren, wenn alles in Scherben fällt.

Denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt!“

 Und wie hat das alles geendet! Tragisch für unser Volk, tragisch für jeden Einzelnen, tragisch auch für mich. Das Tanzen lernte ich nicht, aber das Marschieren. Die heitere Seite des Lebens blieb mir verborgen, dafür prägte mich, wie viele, über Gebühr der Ernst des Lebens.

Gewiss ist das Leben ein Kampf. Früher oder später kommt fast jeder zu dieser Erkenntnis, auch jeder in dieser Fun-Gesellschaft. „Das Leben ist ein Spiel“, heißt es in einem heutigen zum Nachdenken anregendem Abschiedslied, das einschränkend gleich hinzufügt: „und wer es recht zu spielen weiß, gelangt ans große Ziel.“

Was im „Großen vaterländischen Krieg“, den unser verblendetes Volk von 1939 bis 1945 führte, und die Erwachsenen, Männer und Frauen, verhängnisvoll inszenierten und im Ernst betrieben, das spielten wir Kleinen als Nachwuchs- und Zwergsoldaten mit Begeisterung nach:

„Kriegerln“ hieß dieses Spiel. Bei ihm gab es Freunde und Feinde, Verwundete und Tote, Sieger und Besiegte. Da pflegten wir das Vokabular der Zwietracht, übten Hass und Feindschaft, verteilten Hiebe und schlugen Wunden. „Gelobt sei, was dich stark macht!“ war oberste Erziehungsmaxime. Die Buben von der Saugasse und vom unteren Markt kämpften gegen die vom oberen Markt und vom Kochzipfel. Die vom Schlossberg waren eine ganz besondere Klasse. Gegen die bestand eine komische, fast angeborene Fehde.

Wir bauten Bunker und Gänge, unterminierten die Erde an der Donau, in Gärten und auf der Blöße. Wir zerstörten sie uns gegenseitig und nach allen Regeln der Kriegslist. Wir verteilten „Eiserne Kreuze“ und führten Dienstgrade. Wir gehörten auch zu bestimmten Waffengattungen. Die Mädchen verbanden die Wunden, die wir Buben uns geschlagen hatten.

Nicht selten halten sich heute noch unter uns die seltsamen Überbleibsel, nach denen die einen Wunden schlagen dürften, die die anderen heilen müssen. Auch als Kinder hielten wir oft lange Distanz nach solchen Schlachten. Oft riecht es nach Krieg gegen den Erbfeind.

Finden wir dennoch immer wieder zusammen? Manche Menschen lernen nichts dazu. Wer nichts dazulernt, ist tot!

Kommen wir noch einmal zu einem typischen Spiel meiner Kinderzeit zurück. Es handelt sich um die jährlich üblichen „Kastanienschlachten“. Früher gab es in Bad Abbach eine Riesenanzahl von Kastanienbäumen: Im Park, in der Allee, auf dem Schlossberg, hinter der Vest, in allen Biergärten. Heute sind sie am Verschwinden, die guten, weitausladenden, kühlenden Laubdächer an den Straßen und Wegen, in den Gärten und Hinterhöfen. Ihre Früchte sind fast Mangelware geworden. Dafür wurden die Straßen erweitert, es wurden Kongresshallen und Wandelgänge gebaut.

Immer, wenn es Herbst wurde, reiften die stacheligen Dickhäuter tonnenweise heran. Sie prasselten mit den Schalen zu Boden, zerbarsten auf der Erde und gaben die braunweißen Kastanien frei. In verschiedenen Formen und Größen lagen sie da und luden uns Kinder zum Spielen ein.

Wenn der Oktober sich dem Ende zuneigte, oder wenn gar die Sonne an den ersten Novembertagen Nachmittags noch einmal die Nebel aufriss, dann rechten wir Buben ganze Laubberge im Park oder hinter der Vest zusammen. Wir bauten damit Burgen und Wälle und rüsteten uns mit „Munition“ aus für den Krieg der Flachländer gegen die Gebirgler vom Schlossberg. Wenn dann die Kastanien, die eigentlich so freundlich zum Spielen einladen wollten, als Waffen und Wurfgeschosse missbraucht wurden, gab es „Veilchen“ an den Augen, blaue Flecken am Körper und an den Beinen.

Ob die Rauflust im vorigen Jahrhundert, in dem Abbach und Schlossberg zwei verschiedene Gemeinwesen waren, die voneinander relativ unabhängig waren, auch in Kastanienschlachten ihre Befriedigung fand, darf hier tunlich bezweifelt werden. Nach meinem Studium der Ratsprotokolle waren nämlich die Kastanienbäume um 1890 in einer großen, friedlichen und einträchtigen Gemeindeaktion von der Bevölkerung von oben und unten angepflanzt worden. Darum schließe ich Böses aus. Von Anfang an wuchsen die Kastanienbäume den kommenden gemeinsamen Generationen entgegen, sahen sie kommen und gehen, vereinigten sie diese in ihrem Schatten zu Geselligkeit, Feiern und Spiel. Nur in unserer verruchten Zeit lieferten sie den Buben die Idee zu Kampf und Krieg, musterten sie die Sieger und Besiegten aus, die Starken und die Schwächlinge, die „Herrenmenschen“ und die „Minderwertigen“.

Ein ähnliches Schlachtfeld boten die Altwasser an der Donau; der „Meier-Maxl-Bau“, der „Kötterl-Bau“, der (vulgo) „Leck-mich-am Arsch-Bau“. Bei hohem Wasserstand waren diese Altwässer Fisch- und Anglergründe, in Trockenzeiten Dreck- und Schlammgruben, die uns Buben an den Nachmittagen zu Lettengefechten einluden. Die feindlichen Lager formten und kneteten ganze Lehmknödelarsenale. Sie packten gelegentlich einen Kieselstein mit ein. Wenn die Zeit reif war, und wenn sich genügend Dampf angestaut hatte, ging es mit einem wahren Sperrfeuer aufeinander los. Nur gut, dass die Donau damals noch unbelasteter war und jederzeit zum Bade einlud. Hier wurde man den Schlamm wieder los und das gemeinsame Baden, Springen und Tauchen vereinigte alle wieder in Eintracht.

Von |2023-12-02T19:41:45+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare

090: Verquere Erziehungsmittel und Erziehungsziele in Nazi-Deutschland

Jetzt gerade, im Frühjahr 2010, offenbarte sich zum Erschrecken des ganzen Landes, ja Volkes, das Ausmaß verabscheuenswürdigen sexuellen und körperlichen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in Kirche und Gesellschaft. Was wir wahrnehmen, und wovon die Presse voll ist, ist sicher nur der Gipfel des Eisbergs.

Ich selbst wurde in einer Zeit groß, in der uns Kindern, den sexuellen Missbrauch einmal ausgeklammert, viel zugemutet wurde. Man dachte zu Hause und in der Schule, wo es auf der Rück- und Breitseite oft nach Brand roch, an den Spruch „O heiliger Sankt Florian, etc.“.

Meine Schulzeit war „gesegnet“ mit der Prügelstrafe und mit dem ganzen unpädagogischen Instrumentarium. Auch scheute sich fast kein Lehrer, davon Gebrauch zu machen. Nach heutigen Maßstäben (nach 1970) gerechnet, wäre das ganze Lehrerkollegium meiner Schulzeit mindestens jede Woche einmal in den „Erholungsurlaub“ auf Staatskosten geschickt, oder völlig erneuert worden.

Warum war man sich dessen nicht bewusst, dass Lob viel mehr Gutes bewirkt als Tadel, dass man mit einem Tropfen Honig mehr Fliegen fängt als mit einem Fass Essig, dass es jedem Hund gut tut, wenn man ihn streichelt?

Solches Reden sei unrealistisch oder opportunistisch? Ich weiß selbst aus einer 40-jährigen Erfahrung als Lehrer und Schulleiter – und meine Zeit war im Vergleich zum Jetzt noch eine harmlose und himmlisch friedvolle Welt – wie ungezogen, frech, ja unverschämt viele Schulkinder schon ab der Grundschule zu ihren Lehrern sind. Ich weiß aus meiner Erinnerung als Rektor eines großen Schulzentrums aber auch noch, dass es nicht selten auch an einem Lehrer oder einer Lehrerin lag, wenn es Zoff gab.

In der Hauptsache lagen die Probleme darin, dass die Menschen dazu neigen, von einem Extrem in das gegenteilige zu fallen. Davon sind die Lehrer und Lehrerinnen, Erziehungsmittel und –ziele nicht ausgenommen. Am besten wäre die Tugend der Mäßigung oder der goldene Mittelweg.

Von Johann Amos Comenius bis noch zu Pestalozzis Zeiten galten virga et baculus (dt. Stock und Rute) als Wappenzeichen für den Lehrer. Aus diesem Erbe hat sich die unrühmliche Tradition wohl unbewusst bis in unsere Zeiten fortgesetzt. Der Stecken kam oft und geschwind zum Einsatz, leider früher als die Überlegung und Besinnung!

In meiner Schulzeit machte der Hauptlehrer und Schulleiter von diesem „Hilfsmittel“ häufig Gebrauch. Freigiebig verabreichte er Tatzen (= Stockschläge auf die Hände, je drei oder sechs), manchmal auch Übergelegte (= Arschprügel mit einem Stock oder „spanischen Rohr“). Der Hauptlehrer war sozusagen der Exekutor der Empfehlungen der untergeordneten weiblichen Kräfte, wenn diese eine Tracht Prügel wegen der Tragweite des Vergehens oder aus eigener Hilflosigkeit für angezeigt hielten. Eine gelegentlich vom Wesen her cholerische Unterklassenlehrerin vernagelte den Kleinen die Knöchel der geballten Hand mit einem Schlüsselbund, und sie war bekannt für diese Art des Vollzugs.

Bedauerlicher Weise trauten die Kinder zu Hause dies nicht zu sagen, weil es sonst gleich noch einmal etwas setzte. Der Lehrer galt in der Nazi-Zeit ja als Autoritätsperson und sakrosankt, zumal wenn er auch noch in der Partei war.

Mein Schulleiter hatte einen ungewöhnlichen Verschleiß von Stöcken. Er fühlte sich berufen, alle Faulenzer und Umtreiber der ganzen Schule durchzuhauen, sobald er ihrer handhaft wurde. Aber nicht zuletzt deswegen galt er als zwar strenge aber angesehene Autoritätsperson. Manchmal fetzte er den Stock auch nur auf die erste Bank, dass vom Knall alle erschraken, und der Ernst der Stunde augenblicklich offenbar wurde. Manchmal mussten die Delinquenten vor der angedrohten Exekution selbst einen Haselnussstecken besorgen. Er musste fingerdick und länger als einen Meter sein, am besten gleich zwei oder drei, damit Vorrat vorhanden sei, wenn etwa ein Stecken vorzeitig abbrach oder ausfranste.

Ich erinnere mich eines gewöhnlichen Falles: Ein Mitschüler hatte keine Hausaufgabe im Rechnen. War ihm die Aufgabe zu schwer oder war er zu faul? Das Resultat war zu Beginn der Unterrichtsstunde von allen in der Bank gegen den Mittelgang zu schieben. Auf der Schiefertafel des besagten Kameraden stand „Geht nicht!“, was wohl so viel wie „für mich unlösbar“ bedeutete.

Dafür wurde er vom Hauptlehrer am Ärmel aus der Bank gezerrt, über die erste Bank gelegt, und in Bezug auf die fünf Buchstaben windelweich gedroschen. Wegen der Häufigkeit solcher Maßnahmen hat sich der Betroffene schon einmal etwas in der Hose verstaut, um die Übergelegten zu entschärfen. Aber manchmal hat ihm der Pädagoge in seiner Hitzigkeit die Schutzwehr nach dem ersten Schlag aus der Hose gezogen.

Wen nimmt es Wunder, wenn auf diese Weise malträtierte Kinder den Zeitpunkt erwarten, an dem den Lehrer der Blitz trifft, und die Schulzeit zu Ende geht, damit man das Empfangene an andere weitergeben kann?

An dieser Stelle nehme ich Bezug auf mich selbst. Mich persönlich hat nie ein weltlicher Lehrer mit dem Stock geschlagen oder geohrfeigt. Nur mein sonst geschätzter Religionslehrer hat mir sechs Tatzen, auf jede Hand je drei, verabreicht, weil ich die 10 Gebote nicht lückenlos aufsagen konnte. Weil es sonst keiner tat, darum blieb mir vielleicht ein ungetrübtes Verhältnis zu gewöhnlichen Stecken, die ich gern bei all meinen Bewegungen mit mir führte. Es könnte ja sein, dass für mich ein Stecken ein Hilfsmittel gegen meine vielgeschichteten Ängste war, die ich nie gezeigt oder zugegeben hätte. Ich habe mich vielleicht hinter dem Stecken versteckt, oder mich auf den Stecken gestützt. Ich hätte ihn gleich zur Hand gehabt, wenn ich seiner bedurfte.
Auf diese Weise hat dann das niedliche Steckerl mit dem Krieg zu tun, mit dem Krieg im Kleinen, der für ein hilfloses Kind oft ein Großer ist.

090 Verquere Erziehungsmitte und Erzielungsziele in Nazi Deutschland

Hier im Bild ist der letzte vorhandene „Spanische“ oder Tatzenstock aus der Volksschule von Bad Abbach zu sehen. Ihn soll der Schulleiter, später Bürgermeister, zuletzt benutzt haben. Das Relikt wurde freundlicher Weise von meinem ehemaligen Mitschüler Willi Spanner dem Archiv überlassen.

So weit zu den Erziehungsmitteln. Aber ich versprach noch Ausführungen zu den Erziehungszielen in der Nazizeit. Im Mittelpunkt der „Erziehungsarbeit“ der Nazis stand die Angst vor und der Hass gegen den Feind.

Es war ein beliebtes Gruppenspiel auf dem Pausenhof, das sich „Fürchtet ihr den schwarzen Mann“ nannte. An Hauswänden, auf jeden Fall an jeder Telefonstelle, glotze einen ein mannsgroßes Plakat an, das einen schwarzen Mann darstellte. Darauf stand zu lesen: „Pst, Feind hört mit!“ Feinde wurden nicht selten mit Marokkanern oder Negern verglichen, die, wenn sie kämen, unsere Frauen vergewaltigten. So heizte man überall Ängste und Hass an.

Es war am 17.8.1943. Es fand ein Angriff auf die Messerschmitt-Flugzeugfabrik in Prüfening statt. Mama und wir zwei Geschwister rannten in den Luftschutzkeller beim Bad. Die Flak (= Flieger-Abwehr-Kanone) ballerte aus allen Rohren. Man hörte auch das bedrohende Surren von Fliegermotoren. Wurde ein Flugzeug getroffen, pfiff es über den Himmel und zerbarst irgendwo in der Nähe. Gelegentlich zog man die Köpfe ein, weil man befürchtete, das brennende Ungetüm könnte auf unseren Keller stürzen und uns lebendig begraben.

Einmal wurde nach einem Alarm Entwarnung gegeben (langanhaltender, gleichmäßiger Sirenenton ohne Steigung und Senkung). Irgendjemand musste entdeckt haben, dass ein Tomi oder Ami aus einem brennenden Bomber ausgestiegen war. Sicher war auch dieser angsterfüllt oder siegeshungrig in seinem fliegenden Blechkäfig aus seinem Heimatland über die Grenzen unseres Vaterlandes gekommen, um uns Böses anzutun.

Jetzt trug ihn ein Fallschirm langsam zu Boden, aber in eine ungewisse Zukunft.

Da ging ein Geschrei und Gekeife und Geschiebe durch die hinaufgaffende und hinaufzeigende Menschentraube.

Eine besonders eifrige Nazi-Frau, sie war gerade Witwe eines Armeemajors geworden, in der Gemeindearbeit beschäftigt, tat sich hervor. Sie verlangte von den Anwesenden, Müttern und Kindern, dass wir dem feindlichen Soldaten in das Gesicht spucken, wenn er von den ausgeschwärmten Gendarmen eingefangen und durch das wartende Spalier geführt wird.

Weil die Anstifterin mit einem lebenswichtigen Vollzug für alle in Bad Abbach zu tun hatte, ließen sich einige Frauen und Kinder beschwatzen, den gefangenen Flieger anzuspucken.

Für den feindlichen Soldaten, der auch ein Mensch war, war dies sichtlich demütigend. Ich habe ihn nicht angespuckt, ich hätte es nicht fertig gebracht, und wenn man mich erschlagen hätte.

Von |2023-12-02T19:40:04+01:002. Dezember 2023|Lesebuch|0 Kommentare
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