Exzerpt aus 18 Briefen und 1 Karte des Franz Xaver Marchner an Otto Baumann aus den Jahren 1973 bis 1984

Wie es scheint, empfanden sich beide Künstler als seelenverwandte Schicksalsgenossen. Es galt „Solamen socios habuisse malorum“. („Es ist ein Trost, im Elend Genossen zu haben“ – lateinisch) Dies ist der Leitsatz über alle Briefe.

Hier ein paar Kostproben:

Weltschmerz – Ergebung

1.2.1978

Heute früh erst konnte ich Ihren Brief vom 30.12.1977 aus Parkstetten dem Briefkasten entnehmen. Ich danke Ihnen sehr für Ihre tiefschürfenden Gedanken zum Dasein. Ich weiß vieles vom Leben und ich habe es in letzter Zeit oft gedacht und geäußert, ich möchte es in dieser Form ein zweites Mal nicht mehr haben. Vieles durfte ich erkennen und auch erleben, aber es war vieles auch so bitter hart, dass ich oft, in den besten und stärksten Jahren meines Lebens, weinte. Was, und ich glaube da sind wir Schicksalsgenossen, unser Leben so besonders hart gestaltete, ist die äußerst differenzierte Sensibilität für alle Empfindungen, Lüste und tiefsten Schmerz ansprechbar, und gleichzeitig minimal begabt für den heutigen Lebenskampf. Ich frage mich oft, wieso ist es mir nicht gegeben, oder vielen Künstlern, dass er wirtschaftlich ohne Sorgen leben kann von seiner Arbeit. (mit einer Familie!). Ich stimme dem Goethegedanken völlig zu, aber unbewusst kann man nur leben, wenn man jung ist, die Rechnung( en) für die schönen Stunden kommen aber mit Sicherheit im Alter. Wir können die Gesetze und Pläne unseres Schöpfers nicht ändern, alle und alles auf dieser Erde müssen das Kommen und Gehen schweigend hinnehmen, und ich glaube, es ist richtig und auch gut für uns alle. Nur der Gedanke, dass Hunderte von Generationen, die vor uns gelebt haben, noch lebten, dieser Gedanke allein gibt schon die Antwort. Seit längerer Zeit ist auch in mir das Bedürfnis zur geistigen Ordnung wach, denn man weiß weder den Tag noch die Stunde. Ich glaube, dass Gott uns so gewollt hat, wie wir sind. Vielleicht hilft unsere Arbeit anderen Menschen, die es noch schwerer haben, dass ihre Seele angerührt wird und Freude empfindet. Zu Ihrem Bilderverkauf meinen Glückwunsch!

Über Zahnprobleme und die Oberndorfer

Aus Ettal am 16.3. 1977

Herr Baumann, sind Sie mit den Zähnen vorsichtig! Die können einen ganz schön mitnehmen. Ich halte mich immer noch ein bisschen an der Zahnarztwand fest, um immer ein bisschen in Kontrolle zu sein. Goethe hat schon, wenn er von großem Schmerz sprach, von Zahnschmerz gesprochen. Ich hoffe, Sie haben auch das gut hinter sich gebracht. Nur nicht nachgeben. Sie sind ein unverwüstlicher Oberndorfer. Die reißen die Zähne mit der Beißzang.

Zu Frauen und die Kunst

Aus München am 30.11.1977

Ihren Brief habe ich mit großer Aufmerksamkeit gelesen und glaube, Sie auch zu verstehen, denn einige der Frauen, die mich umgeben haben, waren ähnlichen Kalibers, allerdings waren einige darunter, die waren „ unter dem Strich“. Da hat nur der Sex gestimmt. Ansonsten wurde mir das „Korsett“ immer sehr schnell zu eng. Auch hatte ich für Frauen nie Geld. Ich war froh, dass ich zu leben hatte und in Ruhe arbeiten konnte. Einige Male war ich sehr nahe daran zu heiraten, bekam dann immer wieder Angst, verwaltet zu werden, und so suchte ich stets das Weite wie Josef.

Aber zusammengefasst: Eine ist zu viel und keine ist zu wenig.

Ohne Geld als Maler zu leben ist mir immer sehr schwer gefallen, vielleicht hätte ich es getan, glücklich bin ich auch nicht. Ich glaube aber , der Mensch klingt nur voll in der Zweisamkeit, und für sein künstlerisches Tun ist eine Frau schon notwendig. Der Pferdefuss ist eben die sich daraus ergebende Enge.
Zum gleichen Thema aus dem folgenden Brief

Ihrer Frau möchte ich hier mehrmals sehr herzlich danken, dass sie sich so großzügig zeigte, und das große Opfer der „Trennung“ so widerspruchslos auf sich nahm. Aber eine kleine Trennung ist zwischendurch für eine Ehe auch einmal gut.