Mit Otto I. traten die Wittelsbacher die Herrschaft im Herzogtum Bayern an. Ihm folgte sein Sohn Ludwig I. Ein wesentlicher Faktor seiner Politik war ein stark ausgeprägtes Rechtssystem. In diesem Zusammenhang spielte die Installierung eines Landgerichts zu Abbach eine herausragende Rolle. Unser Heimatort erlangte eine weitausladende, überdimensionale Bedeutung.

Eine Urkunde, die Ludwig I., Herzog von Bayern mit Sitz in Landshut, wegen seiner Geburt und Ermordung in Kelheim „der Kelheimer“ genannt, am 13. Januar 1224 mit dem Prüfeninger Abt wechselte, bringt auch die Einöde Weichs zusammen mit der Burg in Abbach erstmals in die damaligen „Schlagzeilen“.

Der Text in gekürzter Form lautet:

Loudewicus, Palatinus Comes Rheni, et Dux Bawariae, pro castro Abbach, in fundo ecclesiae Pruvingensis extructo, et pro curte Wihse, monasterio confert praedium Chungeswisen et Mäting, juduicium in Pruvening, curtem in Neuröting et summi Capellani honorem[1]

(Zu deutsch: Ludwig, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Bayern, bietet dem Kloster für die Burg Abbach, auf dem Boden der Kirche von Prüfening gebaut, und für den Amtshof in Weichs, Güter in Königswiesen und Matting, die Gerichtsbarkeit zu Prüfening, einen Amtshof in Neurötting und den Titel eines ersten herzoglichen Kaplans.)

Es ist uns nicht überliefert, wie die Weichser Bauern das Leben unter der klösterlichen Grundherrschaft empfunden hatten. Es liegen uns über diese Zeit keine Aufzeichnungen vor. Ich konnte in den Traditionen fast nichts entdecken, was auf Weichs bei Abbach zutraf. Wir wissen auch nicht, ob sie sich auf den Wechsel ihrer Zugehörigkeit vom Kloster Prüfening auf das Leben unter den Wittelsbachischen Herzögen langfristig einstellen konnten, oder ob sie von dieser Nachricht wie vom Blitz getroffen wurden. Es könnte ihnen auch egal gewesen sein.

Durch die Presse oder per Funk und Fernsehen waren sie sicher nicht – wie etwa heute – über die politischen Vorgänge vorinformiert, wenn sie sicher auch durch ihre Vögte, oder andere Gewährsleute, etwas von den Vorgängen, die sie betreffen könnten, läuten gehört hatten.

Wir dürfen den Rücktausch der Burg in Abbach zusammen mit der Curia in Weichs um Höfe in Matting und um Königswiesen auch nicht als singuläres Ereignis verstehen. Dieser Akt steht im Zusammenhang mit den politischen Intentionen der Wittelsbacher, die Hoheit im Donauraum und darüber hinaus in den Griff zu bekommen, das Land zur Einheit zusammenzuführen. Die politische Großwetterlage war von Unsicherheit geprägt. Den Wittelsbachern, mit denen man es, wie berichtet – ab 1180 zu tun hatte, kam der Umstand zu Hilfe, dass bis zum späten 13. Jahrhundert von den alten Grafengeschlechtern eines um das andere erlosch, darunter auch die von Bogen.[2]

Vermutlich hatten die Bayerischen Herzöge Otto und Ludwig schon vor 1224 Besitzungen in Abbach unter ihre Kontrolle gebracht, nachdem die Burggrafen von Regensburg zuvor die Zollrechte auf der Donau bei Abbach inne hatten, und die dortigen burggräflichen Befugnisse bereits 1205 an die Wittelsbacher übergegangen waren.[3]

Mit den Klöstern hatte Herzog Ludwig kein besonders schweres Spiel. Als Nachfolger der Grafengeschlechter, die er schon an sich gebracht hatte, kassierte er auch die Klostervogteien.[4]

Was jedoch für beständige Unsicherheit sorgte, war das frühkindliche Alter Ludwigs von erst 10 Jahren, als sein Vater Otto starb, und als seine Mutter Agnes, von Burg zu Burg reisend, erst um die Sympathien für ihren Sohn Ludwig werben musste.[5] Belastend war das unglückliche Verhältnis zu dem jungen König Heinrich, dem Sohn Kaiser Friedrichs II, verbunden mit endlosen Reibereien, ein Kirchenstreit zwischen Kaiser und Papst, bei dem der Herzog auf die päpstliche Seite neigte. Dieser ging 1230 zwar zu Ende, aber dies verhinderte nicht, dass Ludwig 1231 in Kelheim ermordet wurde.

Die Grafenherrschaften waren mit wenigen reichsunmittelbaren Ausnahmen zu Ende. „Der Fürstenstaat selber blieb die eigenste Schöpfung der Herzöge (selbstverständlich schon seit Otto von Wittelsbach, dessen einziger Sohn Ludwig I. war, A.d.V.); sie hatte das Land zur Einheit zusammengezwungen, hatten das Beamtentum (…) geschaffen. Was Wunder, wenn bei ihnen der Gedanke Wurzel schlug, dass diese ihre Schöpfung nun auch ihr ganz persönliches Eigentum wäre, und sich eine privatrechtliche Auffassung des Staates durchzusetzen begann.“[6]

Nicht lange nach dem bekannten Übergang von Weichs an die Wittelsbacher 1224 erscheinen die Weichser bereits im ersten (1229) und zweiten (1280) Herzogsurbar.

 

1229/37

Wiese ain taverne (offenbar Weichs 1, A.d.V.) div giltet zwaelf mvtte waitzen, und ain swin oder sehzic pfennige.

Von der vogetaie Wiese (offenbar Weichs 2, A.d.V.) git man sehzig scheffine frischinge.

Wihse zwaeine hove die geltent zwaelf mvtte waitzen, vier und fvnzig mvtte rocken, fvnf mvtte gersten, vierzig mvtte habern und ain halpgilt[7]

1280

Aber Weihs ein taver XII mutt waitz, I swin fver LX.

Aber Weichs ein hof XII mutt waitz, LIIII mutt Rokk., V mutt gersten, XL mutt habern, I halbgueltiges swein.

Aber ze Weichs von der chirchen ze vogtreht LX schaeffein frisching [8]

An anderer Stelle des 1. Herzogsurbars:

Weihs

Item Weihs taberna .., sita iuxta Haimelkhouen

Item Weihs curia

Item de aduocatia Weihs[9]

Die Begriffe Taverne und Kurie (Amtshof) sind geklärt wie der der Kirche.

Über den Begriff Aduocatia musste ich in das Lexikon des Mittelalters greifen. Dort heißt es unter dem Begriff „Vogtei“ allgemein: „ Den Begriffen „V“ und „Vogtei“ liegen lat. Advocatus, advocatia zugrunde. Sie bezeichnen eine breite Palette von Institutionen Gemeinsam ist den unterschiedl. Begriffsinhalten die Tatsache, dass Personen im Auftrag – oder zumindest formal beauftragt – Herrschaft ausübten, Verwaltung organisierten, Abgaben einzogen, Gericht hielten oder bei Prozessen die rechtliche Vertretung übernahmen. Die Beauftragung zur Stellvertretung war in ihrer Wirkung ambivalent. Sie konnte sowohl Herrschaft als auch Unterordnung begründen. Die Polyvalenz der Begriffe und die vielfältige Anwendbarkeit der zugrundeliegenden Tatbestände erschweren das Verständnis, verweisen aber zugleich auf Wesensmerkmale der mittelalterlichen Verfasssung, die Macht von Schutz ableitete und keine eindeutige Scheidung in „privat“ und „staatlich“ kannte. (…)“[10]

Auch das Lateinlexikon des Adam Friedrich Kirsch von 1774, das durch sein Alter dem „Sitz im Leben“ noch näher stand und besonders die Schutzfunktion zum Ausdruck bringt, könnten wir befragen: „Aduocatio (.) 1.)Beystand, Fürsprache. 2)Versammlung etlicher Freunde, vor Gerichte Beystand zu leisten. 3.) Fürsprecheramt. 4.) Rathschlag 5.) die Frist, die man sich ausbittet, um sich bey seinen Freunden wegen seines Prozesses Raths zu erholen.“ Ein Aduocator sei ein Armenbeschützer, ein Advocatus ein Freund, der uns bei unserem Prozesse mit seinem Rathe beysteht, und vor Gerichte durch seine Gegenwart zu erkennen gibt, dass er sich für uns interessierte, ein Fürsprecher der eines Wort redet, oder die Sache vor Gerichte treibet.“[11]

Daraus sieht man, dass sich auf Weichs 2 bereits 1229 und 1280 eine Instanz befand, die mit einer echten Gerichtsfunktion ausgestattet war, eine Stelle der ordentlichen Rechtspflege.

So wird diese Aufgabe im Abbacher Freiheitslibell Ludwig des Bayern 1335 zu Recht als

„ von altem Herkommen“ wieder aufgegriffen.

[12]

 

 

[1] Pölsterl, Günther. A.a.O. S. 76.

 

[2] Vgl. Hubensteiner, Benno. Bayerische Geschichte. Süddeutscher Verlag, München 1980, S. 92.

 

[3] Vgl. Pölsterl, Günther. A.a.O.S.76.

 

[4] A.a.O. S. 93..

 

[5] Spindler, Max. A.a.O.Bd. I, .S.16 .

 

[6] A.a.O. S.95.

 

[7] MB 36,1, 102. In: Pölsterl, Günther . A.a.O. S. 80.

 

[8] A.a.O.

 

[9] A.a.O.

 

[10] Schmidt, H. J.. In: Lexikon des Mittelalters 8, Sp.1811-1814

 

[11] Kirschius, Adamus Friedericus. Cornu Copiae Linquae Latinae, Leipzig 1774 , Sp. 74

 

[12] Freiheitlibell 1335