Weil Bad Abbach gegen Ende des Krieges (1944/45) die kroatische Botschaft beherbergte, könnte einer auf die Idee kommen, als habe der Ort im 3. Reich diplomatischen Rang und überregionale politische Bedeutung gehabt. Eine solche Behauptung wäre reine Hochstapelei
In Wirklichkeit war Bad Abbach nur Zufluchtsort der Botschaft, wahrscheinlich gerade deshalb, weil es so unbedeutend war, und die Reichsregierung es vor Luftangriffen und vor der heranrückenden Ostfront für so sicher hielt wie die Orte der Kinderlandverschickung. Das Nobelste jedoch, was der Ort damals aufzuweisen hatte, Haus Nr.10 des Bad Hotels und das Hotel Waldfrieden, wurden Sitz der Botschaft.
In meiner frühen Jugend war ich als Nachbarsbub Zeuge, wie der Bad Abbacher Aufenthalt der kroatischen Botschaft Wohnwert mäßig vorbereitet wurde. Gewiss war man gegen Ende des Krieges allseits bescheiden geworden. Aber Hs. Nr.10 war eine alte Burg und für die Bediensteten der Botschaft unzumutbar. Hier mussten Heizungsinstallateure und Elektriker her und flugs tätig werden, weil die Zeit „ bis zum Endsieg“ drängte.
Die fremden Handwerker waren Kroaten. Sie schleppten lange Eisenrohre und andere Materialien herbei, die man zu dieser Zeit nur mehr mit Bezugschein oder auf dem Schwarzmarkt kapern konnte.
Ein emsiges Treiben von Männern im Zwirn und blauem Drill setzte ein. – Entwickelte sich Abbach gar zur Trutzburg für den Führer im Stadium des Endschlags? – Bürgermeister Georg Frank und Kreisleiter Albert Alzinger mischten sich in aufgeregte Gespräche auf der Straße. Der unwissende Beobachter konnte sich keinen Reim auf das Schauspiel machen, bis endlich eines Tages Klarheit bestand: Die kroatische Botschaft kommt nach Bad Abbach!
Wer in Bad Abbach weiß heute noch Bescheid über dieses Ereignis an einem wichtigen Wendepunkt der deutschen Geschichte?
Als einer der wenigen letzten Zeugen rette ich die ehemalige kroatische Botschaft in Bad Abbach offenbar vor dem Vergessen.
Dr, Jozo Dzambo, Mitarbeiter des Adalbert Stifter Vereins in München, bot mir authentische Hilfe für meine Arbeit an. Er begleitet die Wege des bedeutenden kroatischen Dichters Ljubo Wiesner (* Zagreb 1888 – + Rom 1951) literarisch und übersetzte dessen Manuskript „Zum ersten Mal nach Bad Abbach 14. III. 1945 – 9. V. 1945“ aus dem Kroatischen in die deutsche Sprache.
Er schrieb in einem Brief an Widmar Hader, den dieser an mich, einen möglichen Zeitzeugen, weitergab:
„Als im Frühjahr 1945 das Deutsche Auswärtige Amt (zumindest ein Teil des Amtes) nach Bad Gastein verlegt wurde, wurden auch Diplomaten anderer Staaten, die auf deutscher Seite kämpften, nach Bad Gastein „in Sicherheit“ gebracht. Ungarn, Japaner, Kroaten… versammelten sich in diesem malerischen Badeort, der aber bald von den Amerikanern besetzt wurde. (…). Wie die kroatische Diplomatengruppe nach Bad Abbach kam und wer diese Entscheidung getroffen hat, ist mir nicht bekannt. Offenbar war sie dort nur auf „Durchreise“ (…) Vielleicht hat man, zumindest in einigen Kreisen, den Bad Abbacher Aufenthalt als vorläufig betrachtet.![1]
Ein paar Sätze zur Geschichte der hier zu Ort eingerückten Kroaten seien mir zum besseren Verständnis noch erlaubt:
Während des 2. Weltkrieges proklamierten die in Jugoslawien einmarschierten Achsenmächte einen selbständigen Staat Kroatien mit der Absicht, die gesamte politische Opposition, z.B. Serben und Juden zu eliminieren. Die Kroaten kämpften im Krieg auf der Seite der Deutschen.[2]
Die Botschaft der Kroaten wurde in Berlin errichtet und der oben erwähnte Ljubo Wiesner, aus dessen Tagebuch-Manuskript ich zitieren darf, war während des Krieges Mitarbeiter dieser Botschaft. Offenbar fungierte er zeitweilig auch als Kurier zur Regierung in Zagreb.
Die Kroaten waren, wie es schien, in Abbach allgemein willkommen und als Freunde bei Jung und Alt geschätzt. Unter den Emissären der faschistischen Regierung in Zagreb waren bestimmt auch einige, die mit der hiesigen nationalsozialistischen Clique seelenverwandt waren. Nicht aber Ljubo Wiesner, der Autor meiner Quelle. Dies entnehme ich seinem Manuskript in der Übersetzung von Dr. Jozo Dzambo. Er war ein religiös eingestellter Mann, von traditioneller Frömmigkeit geprägt[3], mit einer gewissen Distanz zum Wahnsinn des „großdeutschen“ Nationalsozialismus..[4].
Hier sei ein Beispiel von der deutsch-kroatischen Freundschaft unter den jungen Leuten erwähnt:
Im Herbst 1944 fand auf dem damaligen „Turnplatz“ ( heute Rheumakrankenhaus am Kurparkbach) ein Fußballspiel „zwischen Abbach und Kroatien“ statt, ein spannendes und hartes Spiel. Ich selbst war als Zuschauer dabei. Am Ende stand fest: Sieg für Abbach! Bei aller Freundschaft kam es am Ende aber trotzdem zu einer Rauferei.
Auch Fritz Angrüner, den Abbachern als der Verfasser des Abbacher Heimatbuchs von 1973 bekannt, selbst Stütze der damaligen Abbacher Fußball-Mannschaft, kann sich noch an dieses Spiel erinnern.[5]
Wie das Spiel zu Stande kam, ist mir heute noch ein Rätsel. Fast alle jungen deutschen Männer über 16 waren ja in der Agonie des 3. Reiches zum Militär eingezogen, und auch den Kroaten konnten nicht gut 11 junge Leute am Ort als Fußballer zur Verfügung gestanden sein. Es mussten auf beiden Seiten Legionäre mit von der Partie gewesen sein, was mir persönlich aber damals kein Problem bereitete.
Und hier ein Beispiel, wie die Freundschaft unter Erwachsenen allmählich tiefe Wurzeln schlug:
Einer der kroatischen Installateure war Mirco Cvijic. Er und ein paar andere, z.B. ein gewisser Peter, dessen Nachname ich nie kannte, blieben nach dem Krieg in Abbach. Mirko heiratete die Kriegerwitwe Maria Ernst, geb. Ströbl. Bis zu seinem Tod ( + 27.05.2001) war Mirco in Bad Abbach angesehener Mitbürger.
Auch einige andere Kroaten verließen Bad Abbach nach dem Krieg nicht sogleich. Von Pilek sagt Wiesner: „Er wird vorläufig in Bad Abbach bleiben, dann will er nach Berlin, wo seine Frau herstammt. Auch das Ehepaar Draganovic bewegt sich nicht fort aus Bad Abbach.“[6]
Wie es Kroaten bekanntermaßen anstand, waren sie katholisch, und die Leute von der Botschaft praktizierten ihren Glauben auch öffentlich und sichtbar.
So lesen wir unter dem 15.IV. 1945, einem Sonntag, als der Kanonendonner der Amerikaner aus der Ferne schon dumpf über die Donau herüber zu hören war:
„Um 11 Uhr hätte eine feierliche Messe (statt am 10. April) in der Pfarrkirche neben dem Friedhof stattfinden sollen (wahrscheinlich hat Kovacevic den Pfarrer nicht richtig verstanden: die Messe wurde unten im Ort, in der Kapelle, gefeiert). Das ganze Botschaftspersonal in Bad Abbach hat sich um 11 Uhr auf dem Friedhof eingefunden und dort vor der Kirche vergeblich bis 12 Uhr gewartet. Ein schöner sonniger Dorffriedhof mit Ausblick auf die Donau und in die weite Umgebung.“[7]
Was sich in der so genannten „Sozialabteilung“ der Botschaft im Waldfrieden abspielte, was sich vollzog und was sich dort entwickelte, war uns gewöhnlichen Einheimischen unzugänglich und daher unbekannt Der Großteil des Botschaftspersonals befand sich im Bad Hotel Der Hauptsitz der Botschaft war aber, wie ich glaube, der „Waldfrieden“. Das Gebäude war mehr als heute in die malerische Umgebung versenkt und strahlte Ruhe und Frieden aus.
Vorher flickte man dort deutsche Lazarettinsassen für den weiteren Einsatz an der Front zusammen. Nur ab und zu schickte der Luftkrieg seine bedrohlichen Signale auch in diese Idylle.
Unter dem 16.IV. berichtet Wiesner: „Nachmittags haben wir vor dem Tunnel (Bunker) im Waldfrieden die Bombardierung von Regensburg beobachtet. Es war ein wunderschöner Tag. Um 3 Uhr nachmittags flogen über uns vielleicht zehn amerikanische Flugzeuggeschwader hinweg, und jedes von ihnen warf über Regensburg eine Signalbombe ab, die eine weiße, schaurige Spur hinter sich herzog. Kurz nach jeder dieser Bomben war von dort eine Serie gewaltiger Explosionen zu hören, und über der Stadt schoss an einigen Stellen, über die Häuser von Bad Abbach hin, roter und schwarzer Rauch auf. Es könnte etwa eine halbe Stunde gedauert haben, dann trat tödliche Stille ein.“[8]