Es sei vorausgeschickt, dass im Bade- und Kurort Abbach nachweislich schon im 19. Jahrhundert von der Gemeindeverwaltung großer Wert auf öffentliche Reinlichkeit und Gesundheit gelegt wurde. Offensichtlich bestanden im ganzen bayerischen Land in dieser Hinsicht noch keine paradiesischen Zustände, weil es sonst der Ministerial Entschließung vom 15. Juni 1875, veröffentlicht im Min. A. Bl. S. 299, nicht bedurft hätte.
Nachdem auch das Bezirksamt, etwas verzögert zwar, am 16. Mai 1876 den Vollzug obiger Entschlüsse verlangte, machte man sich in Abbach schon am 4. Juni daran, eine Gesundheits- und Reinlichkeits-Kommission einzurichten.
Zu ihr wurden der prakt. Arzt Dr. Faltermaier, der Apotheker Otto Knitel, der Badbesitzer Johann Koller und Bürgermeister Zöller berufen. Ihr Zweck sei, wie es heißt, „ihre Thätigkeit im Bezuge auf öffentliche Reinlichkeit und Gesundheit zu entfalten.“[1]
Dass die Sauberkeit und Schönheit des Ortes und der Umgebung den Verantwortlichen wirklich ein Anliegen war, beweist die Initiative von Bürgermeister Michael Röhrl 1886, also 10 Jahre später, einen Verschönerungsverein zu gründen, der sich „die Verschönerung der Umgebung von Abbach“ zum Ziele setzte.[2] Der Verein gab beachtliche Anstöße, wie man in Ratsprotokollen nachlesen kann.
Der schreckliche Brand in Abbach am 30. Mai 1892, dem von unten bis oben der ganze Markt zum Opfer fiel, mag die Nachhaltigkeit der obigen Intentionen in Frage gestellt haben. Ab da galt es, den Schutt aufzuräumen und die Lebensgrundlagen neu zu organisieren.
Dabei hätte sich bei aller Depression die Möglichkeit eröffnet, dem Markt ein freundlicheres und herzeigbareres Gesicht zu verleihen. Es bestanden nämlich – Kur- und Badeort hin oder her – wüste Zustände.
Der Bezirk und der Markt beschlossen zwar am 26. Juni 1892 einen „Plan zur Festsetzung neuer und Abänderung bestehender Baulinien im Markte Abbach, königlichen Bezirksamtes Kelheim“[3], festzulegen.
Die betroffenen Anlieger scheinen aber nicht vor Begeisterung in die Hand gespuckt zu haben, als es um ihre Besitzstände ging. Die Eigentümer der abgebrannten Häuser verhielten sich offenbar zu lethargisch, ja widerspenstisch, was folgender Passus in einem Bezirksamtschreiben beweist:[4]
„(..) Dagegen ist der Hinweis auf § 73 der Bauordnung nicht veranlasst, nachdem nach neuerlichem Berichte des Amtsschreibers die Abgebrannten in Abbach sich anscheinend um die baupolizeilichen Bestimmungen nicht zu kümmern scheinen. Es muss dieses Verhalten derselben um so mehr auffallen, als ja von den Abgebrannten die öffentliche Hilfe in Anspruch genommen und gerne in ausreichendem Maßstabe gewährt wurde, weshalb hier wiederum die Beachtung der öffentlichen Gesetzesvorschriften wohl am Platze wäre.“
Bei Allen hinterließ dieser Vorwurf offenbar keine positive Resonanz, was der Streit der Marktverwaltung mit dem Brauereibesitzer Ludwig Wahl (vorher Gerbel, von Eckmann/Zirngibl absorbiert!) beweist. Wahl hätte eine unschöne Einfahrtsrampe auf Gemeindegrund am Marktplatz zurücksetzen müssen, was ihn wutentbrannt schreiben ließ:
„Nachdem ich dem Auftrage des hochlöblichen Gemeindekollegiums nachkomme, bzw. nachgekommen bin, so möchte ich auch mir gestatten, meine Anträge zu stellen:
1. muss von sämtlichen Bewohnern, welche so sehr auf Einhaltung der Baulinie gedrungen haben, letztere vor allen Dingen selbst eingehalten und streng beobachtet werden und nicht durch Misthaufen, für die sich der größte der größten Bauern nicht zu schämen bräuchte, oder durch (.) „Brennholz etc.“ die Baulinie, respektive der öffentliche Weg bereits gesperrt werden.
2. muss ich bei der kgl. Regierung um eine alsbaldige Revision des Gemeindeplans gehorsamst bitten, ob die Gemeindeplätze, das sind die Gemeinde-Eigentümer alle, gegen Erlös gepachtet, bzw. gemietet, zu beliebigem Gebrauche (Mistplätze etc.) überlassen sind.
Mit vorzüglicher Hochachtung Ludwig Wahl, Brauereibesitzer.“[5]
Die Gemeinde prozessierte gegen Wahl auf privatrechtlichem Wege durch zwei Instanzen. Wahls Tod im Jahre 1902 bereitete dem Blocken aber ein rechtzeitiges Ende.
Obige Baulinien setzte die Gemeinde 1892 und in den Folgejahren konsequent durch.[6] Damit begannen auch die Aufräumarbeiten gegen alles, was die gute Stube des Marktes verunstaltete.
Dies war nicht das letzte Mal, dass die Gemeinde gegen Defizite im Ortsbild vorgehen musste.
Der 2. Weltkrieg war zu Ende und das sog. Wirtschaftswunder begann zu sprießen. War die Marktgemeinde Bad Abbach durch die bisherigen Bad-Herren Linxen und Höign bereits so tief in Gestaltungslethargie versenkt, dass sie in Erwartung eines Motorwechsels die nötige Sorgfaltspflicht für einen Kur- und Badeort verschlief? Am Horizont schickte ja schon die BRK-Sonne ihre ersten Strahlen! Dabei kamen die Schwachstellen am Ortsbild deutlich sichtbar an das Tageslicht! Ein Brief der Schwefelbadbesitzer Johannes Linxen und Viktor Höign an den Herrn Bürgermeister von Bad Abbach, bringt den damaligen Anblick unseres Ortes zum Ausdruck. Bürgermeister war Karl Heinrich:
„Ein Teil der Bewohner der Häuser an der Augsburgerstraße (…) gießen die gesamten Abwässer, ihren Hausmüll, die Kohlenasche usw. die ihren Häusern gegenüber liegenden Straßenböschungen hinab. Da an dieser Straßenseite kein durchgeführtes Grabensystem vorhanden ist, welches das Wasser ab- bzw. weiterleiten könnte, fließen die Abwässer in die dort liegenden Parkanlagen, Gärten und Felder und verunreinigen diese mehr oder minder stark, zerstören das Wachstum, während der Müll, die Gemüse- und Kartoffelabfälle sowie die Asche an den Zäunen liegen bleiben und dort in Verwesung übergehen und besonders in den Sommermonaten eine Brutstätte alles möglichen Ungeziefers und gefährlicher Bakterien bilden. Der Gestank, der durch diese Ablagerungen entsteht, bildet die Gratiszugabe. Es haben sich mittlerweile Zustände herausgebildet, herbeigeführt durch die Nachlässigkeit der Hausbesitzer und die Bequemlichkeit der Mieter, die jeder Ordnung und jeder Hygiene Hohn sprechen und die besonders in einem Badeort auf keinen Fall geduldet werden können.
Jeder Hausbesitzer ist gesetzlich verpflichtet, auf seinem Anwesen Einrichtungen zu schaffen zur ordnungsgemäßen Ableitung der Abwässer und Beseitigung des anfallenden Mülls, eventuell durch Anlage einer Versitzgrube bzw. durch Aufstellen von Mülltonnen, die von Zeit zu Zeit entleert werden müssen.
Wir bitten Sie daher als Leiter der Ortspolizei, zu deren Aufgabenbereich ja wohl die Überwachung der Durchführung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen gehören dürfte, dafür Sorge tragen zu wollen, dass dieser unglaubliche Zustand schnellstens beseitigt wird. Die Hausbesitzer dürften zu verpflichten sein, den vor den Zäunen liegenden Müll auf ihre Kosten sofort entfernen zu lassen.
Schwefelbad Linxen und Höign.“[7]
Es stank aber nicht nur in der Augsburgerstraße, sondern an allen Ecken und Enden des Ortes: Im Mai des gleichen Jahres schreibt der Bürgermeister Karl Heinrich an das Landratsamt Kelheim:
„In der Kochstraße in Bad Abbach (Landstraße II. Ordnung) ist bei dem Hause Nr. 7 Geigl Matthias – die Straße bei jedem stärkeren Regenwetter in 3 mtr. Breite und ca. 15 mtr. Länge überschwemmt. (…)“
Die Straßengrabenstelle bei Geigl hing mit dem Wasserabfallgraben Mühlbach (leider zum Müllbach degeneriert), zusammen, den das Wasser-Wirtschaftsamt in Regensburg ewig nicht in Ordnung brachte.[8]
Nach Karl Heinrich wurde Otto Windl 1952 Bürgermeister in Bad Abbach. Noch 1953 musste er an einen Anlieger der Kochstraße, der aber in Kelheim wohnte (Name im Schreiben genannt, Anmerkung des Verfassers) dieses Schreiben schicken:
„Betreff: Abdeckung der Mistgrube vor Ihrem Anwesen in Bad Abbach: Der Marktgemeinderat Bad Abbach hat in der Sitzung vom 11.5.1953 einstimmig beschlossen, dass Ihnen die Auflage zu machen ist, die Mistgrube vor Ihrem Anwesen in Bad Abbach Kochstraße 6 ½ abzudecken. Sie werden daher ersucht, die Abdeckung alsbald vorzunehmen.“[9]
Kommen wir an ein anderes Ende des Marktes! Wie die Kochstraße war auch die Straubingerstraße, Saugasse genannt, noch eine Schotterstraße. Aber es zeichnete sich eine Lösung ab:
Der Bürgermeister schrieb an das Landratsamt: „Für die Genehmigung und Ausführung der Arbeiten zur Aufschotterung und Teerung der Kreisstraße (Ortsdurchfahrt Straubingerstraße in Bad Abbach) sprechen wir Herrn Landrat sowie dem Kreistag den herzlichen Dank im Namen der Marktgemeinde Bad Abbach aus. Gleichzeitig erlauben wir uns eine Übersicht über den von der Gemeinde geleisteten Beitrag beizulegen.“[10]
Aber war da nicht am Ende der Straße in luftiger Anhöhe ein ärgerlicher „Stinkelbrunnen“ aktiv, der jetzt nicht mehr an die geteerte Straße passte?
So schrieb man: „Betreff: Miststätte in ihrem Anwesen. Der Marktgemeinderat Bad Abbach hat in der Sitzung vom 20.9.1954 beschlossen, dass Sie aufzufordern sind, den Zustand der Miststätte in Ihrem Anwesen abzuändern. Nach Ansicht des Marktgemeinderates sollen Sie entlang der Straße eine kleine Mauer aufführen und ungefähr in der Mitte der Miststätte eine kleine Grube ausheben, dass die Jauche dort zusammenläuft und nicht auf die Straße abgeleitet wird. Sie werden ersucht, die entsprechenden Anordnungen noch vor Einbruch des Winters zu treffen:“[11]
Bad Abbach 1944 vom Hungerturm aus gesehen, 1950 noch unverändert![12]
Dies waren Schnappschüsse aus der Zeit um 1900 und 1950. Und wie ging es weiter? Es wurde in der folgenden wirtschaftlichen Blütezeit viel gewerkelt und geschafft. Aber die Verantwortlichen im Markt traten offensichtlich ihren Esprit an das Rote Kreuz ab – in der Hoffnung: „Die werden es schon richten!“ Viele Einheimische profitierten lange Zeit vom prosperierenden Kur- und Badegeschäft und übersahen, wie sich anderwärts die Orte in Eigeninitiative mauserten und herausputzten. Als aber der Kurbetrieb wegen der Gesundheitsreform zum Erliegen kam, verließen die protegierenden Herren das Schiff und hinterließen ratlose Waisen.
Jetzt, im Jahre 2010, wird wieder in die Hände gespuckt. Die Abrissbirne soll es nun richten. Was soll aus den kranken BRK Hinterlassenschaften werden, wenn geschätzte 1,3 Millionen € dem Luftmachen gewidmet worden sind?
Hoffentlich wird dann, ja möglichst bald, Bad Abbach schöner und angemessener, „weil wir uns das wert sind!“[13]
[1] Protokoll Buch über die Verhandlungen des Ausschusses bei der Marktgemeinde Abbach vom 4. Juni 1876. Archiv 8.6.2.a.
[2] Marktverwaltung Abbach. Liste des gegenwärtigen Vereinswesens, 10. Januar 1889. Archiv Hängekartei, Markt., Arbeitsraum.
[3] Baulinienplan vom 26. Juni 1892. Archiv 14.3.2.a.
[4] Bezirksamtschreiben vom 26. Juli 1892. Archiv a.a.O.
[5] Brief Ludwig Wahls an den Marktrat von Abbach v. 1.7.1901. Archiv II.18.1.3.a.
[6] Baulinienplan 1892. Archiv 14.3.2.a.
[7] Brief der Badbesitzer Linxen und Höign an den Bürgermeister von Bad Abbach vom 12.1.1949. Archiv 14.3.2.a.
[8] Brief des Bürgermeisters Heinrich an das Landratsamt Kelheim vom 14.5.1949. Archiv a.a.O.
[9] Brief des Marktgemeinderates Bad Abbach an Herrn Alois H. vom 19.5.1953. Archiv a.a.O.
[10] Brief an das Landratsamt vom 20. August 1954. Archiv a.a.O.
[11] Brief an Herrn M.M. vom 1.10.1954. Archiv a.a.O.
[12] Archivbild von der Stadt Abensberg zur Verfügung gestellt. Online-Ordner Bad Abbach „Eigene Bilder“.
[13] Beachte MZ vom 30.09.2010, S. 48 !