Zu diesem Aufsatz motivierte mich die Angst, dass sich auf dem gegenwärtigen sozialen Hintergrund auf leisen Sohlen etwas etabliert, was zum Erschrecken einiger im vergangenen Jahrhundert schon einmal eintrat: Der Rutsch nach rechts.
Ein Leitartikel in der MZ bestätigt die Gefahr von Innen, wenn sie titelt: „Ob in Österreich, Italien oder jetzt in Schweden: Rechte Rattenfänger sind in Europa auf dem Vormarsch.“[1]
Damals schlief das Gewissen, als die Heilsbringer tönten:
„Die Fahne hoch! Die Reihen fest geschlossen! SA marschiert mit ruhig festem Schritt (…)“ Den Imperativ aus dem Horst-Wessel-Lied „Die Fahne hoch“ sangen übermütige Zecher um 1950, als der Spuk vorbei war, höchstens noch im Vollrausch. Zu ihrer Kinder- und Jugendzeit gehörte dieser Marsch-Gesang zur musikalischen Standard-Ausrüstung aller Schulkinder.[2] Man verstand das Lied leider als Aufbruchsignal in eine neue, heile Zeit.
Damals, als es entstand, in der Weimarer Republik, herrschten in unserem Abbach wie in ganz Deutschland äußerst verworrene Zustände. Ein Geschichtsbuch für das 7. und 8. Schuljahr der Volksschule beschreibt die damalige Lage so[3]:
„Leider fanden die demokratischen Parteien trotz der Bedrohung der Republik von links und von rechts nicht zusammen. Sie bekämpften sich bis zum bitteren Ende, statt gemeinsam und entschlossen gegen Hitler und seine bewaffneten Banden der SA und SS ( „Sturmabteilung“ und „Schutzstaffel“) sowie gegen die Kampftrupps der Kommunisten vorzugehen.“
Kooperator German Vollath [4] verdeutlicht Abbacher Verhältnisse mit prägnanten Sätzen: „Eine schwere Zeit in Abbach! Wirtschaftliche Not. Ca. 100 Arbeitslose, die von der Gemeinde unterhalten werden müssen. Allgemeiner Wirtschaftsniedergang. Die große Zementfabrik in Alkofen wurde stillgelegt. Ergebnis der Reichstagswahl vom 31. August 1932: 640 Stimmberechtigte in Abbach, davon 135 Kommunisten, 128 Nationalsozialisten , 90 Sozialdemokraten, 260 Bayerische Volkspartei…)“
Am 5. März 1933 fand die nächste Reichstagswahl statt. Jetzt gab es schon 405 Nationalsozialisten. Das waren mehr als die Hälfte der Stimmberechtigten. Die giftige Saat im Reich und vor Ort war aufgegangen. Am 9. März konstituierte sich der Reichstag, am 23. März wurde das Ermächtigungsgesetz beschlossen. Das war das Ende der Demokratie. Am 7. April kam im Reichstag das Gleichschaltungsgesetz durch. Die Eigenständigkeit der Länder und Kommunen war erledigt.
Vor diesem Hintergrund wurden am 22. April 1933 wie überall, so auch in Abbach, die Gemeinderäte gewählt.
7 Sitze erhielt die NSDAP, 3 Sitze die Bayerische Volkspartei.
Die 7 Mandatsträger der Nationalsozialisten sind geschlossen am 1.4.1933 der NSDAP beigetreten. Fast alle waren schon vorher Mitglieder der SA oder Mitglied einer ihrer Gliederungen. ( N.S.V./ N.S. Bauernschaft/ D.A.F./ N.S.B./ S.A.R. II/ D.A.V./M.S.A)
Die politische und wertemäßige Ausrichtung der betreffenden Personen waren den Abbachern wegen ihrer Lauthalsigkeit und Umtriebigkeit wohl bekannt. Sie gehörten auch zur maßbestimmenden Haute Volee Abbachs. Trotzdem wurden sie als örtliche Heilsbringer von den schlichten und ahnungslosen Abbachern gewählt! Hatte es sich bei ihnen noch nicht herumgesprochen, dass am 27. März 1933, noch vor Ablauf der Wahlperiode und unmittelbar vor der neuen Gemeindewahl am 24. April, folgende Personen aus dem Gremium, Gemeinderat genannt, eliminiert worden waren?
Holzapfel Josef, Arbeiter, Weiß Ludwig, Arbeiter, Beer Dominikus, Maurer, Solleder Josef, Arbeiter, Kammermeier Johann, Arbeiter, Robold Xaver, Arbeiter, Schuhmann Benno, Arbeiter.
Einige von ihnen sollen der kommunistischen Partei, oder einer anderen Partei, die die Ziele der vorigen unterstützt, angehört haben.[5] Der Führer hatte doch jüngst befohlen, dass „den Mitgliedern, die einer kommunistischen Partei (…), der sozialistischen Arbeiterpartei oder einer Organisation angehören, welche die Ziele der genannten Parteien unterstützt (…) mit sofortiger Wirksamkeit die Ausübung ihrer Ehrenämter untersagt“ ist.[6] Es galt für sie: „Führer befiehl, wir folgen dir!“
Die verbliebenen Ehren- und Herrenmenschen in Abbach waren:
Georg Frank, Distrikttierarzt, Ortsgruppenleiter,
Johann Seidl, Gutsbesitzer, Bezirksbauernführer,
Heinrich Zirngibl, Brauereibesitzer, Ortsgruppenkassenwart,
Adam Meindl, Bäckermeister , früherer Bürgermeister,
Bernhard Feldmeier, Bäckermeister,
Xaver Hermann, Bäckermeister,
Xaver Kötterl, sen. Maschinenhändler,
Johann Karl, Kaufmann.[7]

115 SA marschiert politische Lage Abbach um 1933

Die Herren trugen ihr Parteiabzeichen stolz am Revers zur Schau! (Photo Archiv)
Waren da nicht noch die Vertreter der „Bayerischen Volkspartei“? Was hatten die nach dem Gleichschaltungsgesetz noch für eine Existenzberechtigung? Es dauerte nicht lange, bis diesen Männern etwas schwante.
Schon am 27. Juni 1933 schickte der Badbesitzer und Gemeinderat Viktor Höign, ein einflussreicher Mann in dem kleinen Abbach, an den Herrn Bürgermeister Frank folgendes Schreiben:
„Aus den Vorkommnissen der letzten Tage ist zu schließen, dass der Begriff der verfassungsmäßig garantierten persönlichen Freiheit aufgehört hat zu bestehen, wie jede freie Meinungsäußerung und Kritik nicht mehr erlaubt sind. Damit entfallen die Grundlagen, die für die Ausübung eines öffentlichen Ehrenamtes, wie das eines Gemeinderates unbedingte Voraussetzungen bilden! Unter diesen Verhältnissen kann ich es mit meinem Gewissen nicht länger vereinbaren, ein Amt zu bekleiden, dessen weitere Ausübung mich dauernd in Gewissenskonflikte bringen muss. Ich ziehe daher die Konsequenzen und lege hiermit mein Amt als Gemeinderat nieder. Mit vorzüglicher Hochachtung Höign.“[8]
Seinem Beispiel folgten am 19. Juli 1933 die weiteren Gemeinderäte der „Bayerischen Volkspartei“ Josef Schuderer und Josef Aumeier, beide Landwirte und die Ersatzleute Johann Adlhoch, Kaufmann und Hans Seidl, Malermeister. Ehre ihrem Andenken!
Waren alle anderen Abbacher dümmer als die Letztgenannten?
Nun merkten die im Gemeinderat verbliebenen Nazis endlich, dass sie nur mehr sieben sind. Sie richteten daher an den Kreisleiter in Kelheim die Bitte, wenigstens auf neun aufstocken zu dürfen. Dem Gesuch wurde am 15.10. 1934 entsprochen. Es durften Johann Huber, Zimmermann, Betriebszellenobmann, und Heinrich Waldrab, Hilfskassier, Ortstruppenführer, nachrücken. Letzterer war seit 1.11.1931 bereits aktiver SA-Mann.[9]

115 SA marschiert politische Lage Abbach um 1933 NSDAP Schreiben

Am 16. Oktober 1935 sollte klar werden, wer letztlich das Sagen in Abbach hat. Neben dem Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Georg Frank wurde Johann Seidl in Weichs zum 1 Beigeordneten und Heinrich Zirngibl von Abbach zum 2. Beigeordneten bestimmt.
Diese drei bestimmten, wohl gemerkt unter dem Einfluss einiger, auch weiblicher, Flüsterer aus der NSDAP, über Wohl und Wehe der (Bad) Abbacher von 1933 bis 1945.
Auch die Herren Donderer, Beauftragter der N.S.D.A.P, Kreisleiter Albert Alzinger und sein Stellvertreter Schmidt ließen sich in Bad Abbach immer wieder einflussreich vernehmen.
Als 1945 das „1000 jährige Reich“ vorbei war, rückten nach kurzem gesellschaftlichen Abtauchen die meisten von ihnen, soweit sie noch nicht gestorben waren, mit Duldung des „schlichten Volkes“ wieder zu ehrenhaften Positionen auf.
Nur Johann Seidl aus Weichs musste im Internierungslager in Moosburg büßen, weil ihm Bürgermeister Frank in weiser Voraussicht 1942 noch das Amt des Ortsgruppenleiters aufgedrückt hatte. .[10] Diese Buße hätte ihm bald das Leben gekostet.
Wenn es der Ehrenrettung der „schlichten Abbacher“ dient, sei noch darauf verwiesen, dass die Menschen in den Orten rund um Abbach in dieser Zeit ebenso von den neuen Herren eine soziale Wende erhofften und sich täuschen ließen.
Bei der Reichstagswahl am 05.03.1933 haben in Poikam der Liste „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Hitlerbewegung) mit den Kandidaten Adolf Hitler, Rudolf Heß, Franz Selte, Wilhelm Frick, Ernst Röhm, Franz von Papen, Hermann Göring, Walter Darre, Alfred Hugenberg, 106 von 111 Wahlberechtigten zugestimmt. Die fünf fehlenden Stimmzettel waren nicht mehr aufzufinden.[11]
Am 14.10.1933 waren die Deutschen zu einer weiteren Volksabstimmung aufgerufen. Ein im vorausgehenden Reichstag am 30.11.1929 gescheiterter Gesetzentwurf „gegen die Versklavung des deutschen Volkes“ wurde als Volksentscheid wieder vorgelegt. Die bisher schon erfolgten und bekannten Einschnitte in die Freiheit des Einzelnen und der Gemeinschaften wurden im Beitext zum Stimmzettel u.a. aufgeführt. Dieser endete mit dem Passus:
„Billigst Du, deutscher Mann, und Du, deutsche Frau, diese Politik Deiner Reichsregierung, und bist Du bereit, sie als den Ausdruck Deiner eigenen Auffassung und Deines eigenen Willens zu erklären und Dich feierlich zu ihr zu bekennen?
Es antworteten in Poikam wieder von 111 Stimmberechtigten 108 mit „Ja“ und nur 3 mit „Nein“![12]
Die übrigen nach 1973 nach Bad Abbach eingemeindeten Orte haben ähnliches Material vor dem Anrücken der Amerikanischen Besatzungsmacht oder sonst irgendwann vor der Abgabe ihrer Archivmaterialien an den Markt Bad Abbach vernichtet.
In den beiden Orten Bad Abbach und Poikam war dies wegen der Aktenwirrnis und Unordnung nicht möglich! (Zustand vor dem Jahr 2000 bekannt!).
[1] MZ v. 22.09.2010 S. 4.
[2] Fachgruppe Musik in der Fachschaft II des NSLB München I. Unser Lied, Liederbuch für höhere Schulen. Verlag Anton Böhm & Sohn, Augsburg und Wien. Horst Wessel, Berliner Sturmführer, starb am 25. Feb. 30 . Obiges Liederbuch S. 3. Im Besitz des Verfassers.
[3] Hampel Dr., Johannes, Seilnacht, Franz. Wir erleben Geschichte. Ein Arbeitsbuch für den Geschichtsunterricht, II. Bd. 7.u.8. Schuljahr, Bayerischer Schulbuchverlag, München 41970, S.186.
[4] Vollath, German. Aufzeichnungen. Geheimes Papier, das bei der Renovierung der Marktkirche unter der Emporenbrüstung gefunden wurde. Notizen- Buch der kath. Pfarrei, Beilage. Pfarrarchiv Schrank 1.
[5] Schreiben des Bezirksamts Kelheim an den Markt Abbach vom 27.3.1933. Archiv III.18.4.2.a.
[6] Rundbrief 373 des Bezirksamts Kelheim an die Stadt- und Gemeindebehörden vom 22. März 1933. Archiv II.18. 1.1.a.
[7] Gemeindewahl April 1933. Wahlmappen. Beilagen. Archiv III.18.4.2.a
[8] Schreiben Höigns an den Bürgermeister von Abbach Frank vom 27.06.1933. Archiv II.18.4.2.a.
[9] Schreiben der Kreisleitung an den Ortsgruppenleiter Bürgermeister Frank v. 15.10.1933. Archiv a.a.O.
[10] Alle Angaben aus Archiv III. 18.4.2.a, II. 18.1.1.a., 7.2.1.a.
[11] Vorhandene Stimmzettel aus Poikam in Konvolut Poikam II.6.11.2.b.
[12] Archiv a.a.O. / Kopien: Archiv Abbach III.4.2.a.