1934 schloss Hitler den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt. Als aber Polen den Verträgen Hitlers nicht mehr traute, suchte es bei England und Frankreich Rückhalt. Da erteilte Hitler für den 1.9.1939 den Befehl zum Angriff auf Polen. Das Grauen des 2.Weltkrieges begann. Dieser entwickelte sich zu einem Flächenbrand, der die ganze Welt überzog.
Auch in Bad Abbach erlebten wir es schmerzhaft und angsterfüllt, wie unsere Väter und Ehemänner, wehrfähige Männer jeglichen Standes und Alters, schließlich auch Frauen, zum Wehrdienst einberufen wurden. Ich selbst erfuhr diesen Schmerz als Kind nachhaltig und einprägsam, wie mein Vater als einer der ersten schon 1939 nach Polen eingezogen wurde. Meine Mutter und wir zwei Kinder bangten, wie ungezählte andere Kinder Abbachs, ab da täglich um das Leben und die Unversehrtheit unseres Vaters und sehnten seine Heimkehr herbei.
Nur einige Akzente und Mosaiksteinchen des Kriegsbildes, das ich aus meiner Kinderzeit noch in Erinnerung habe, seien aufgeführt:
Immer, wenn eine Todesnachricht vom Felde kam: „Auf dem Felde der Ehre ist für Führer und Großdeutschland den Heldentod gestorben“, fand in der Kirche zum hl. Nikolaus der Heldengottesdienst statt. Es ging mir als Ministrant durch Mark und Bein, wenn der magere Chor das „Ich hatt`einen Kameraden“ sang, und die Böllerkanone knallte.
Die Altstoff- und Heilkräutersammlungen habe ich auch noch im Kopfe. 1942 z. B. hieß es einmal: „Ein Jahr stolzester Erfolge unserer Wehrmacht liegt hinter uns, aber auch ein Jahr größter Anspannung auf allen Gebieten. Wenn unsere Feinde die Rohstoffarmut unseres Vaterlandes auf ihre Rechnung setzten, haben sie unter vielem anderen vergessen, dass deutscher Erfindergeist und deutsche Organisation dort Rohstoffwerte schafft, wo plutokratische Gedankenarmut und jüdischliberalistische Wirtschaftführung am Ende ist.“ 1
Auf unserem Schulspeicher häuften sich Berge von Altpapier, Knochen, Schrott und Alttextilien. Als Dank wurden für ganz Deutschland 5 eigenhändig von Reichsmarschall Hermann Göring signierte Brustbilder für die Sammelsieger ausgelobt.2
In unserer Schule wurden auch auf Befehl des Bezirkschulrats großflächige Heilkräuterteppiche zum Trocknen aufgelegt.3
Auch Texte diesen Inhalts wurden zur Kenntnis gebracht:
„Luftschutzmaßnahmen bei Abwurf von Brandbomben, Brandplättchen usw. in Wäldern und ländlichen Bezirken.“4
Landratsschreiben an die Bürgermeister jedwelchen Sachverhalts oder Bedarfs hatten Hochkonjunktur. Im März 1945 waren es bereits 1041 der Amtsstelle des Landrats. Sie zu analysieren wäre eine interessante Aufgabe für sich. Dem Archiv liegen Hunderte davon vor.
Im März 1945 gab es die Schulen betreffend folgende Hiobsbotschaft:
„In den letzten Wochen musste eine Reihe von Schulgebäuden als Lazarette, Hilfskrankenhäuser, Entbindungsheime freigegeben werden. Mit einer weiteren Inanspruchnahme von Schulgebäuden für diese Zwecke sowie für Unterbringung von Flüchtlingen ist in steigendem Maße zu rechnen .(…)“5
Die Schulleiter hatten aber dafür zu sorgen, dass in geeigneten Ersatzräumen wenigstens ein Notunterricht stattfand. In Abbach geschah dies z. B. im Kellerraum des damaligen Kindergartens. Die Schule wurde im April 1945 zerschossen. Aber dennoch mussten dort Flüchtlinge hausen. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt, eine Schütt Stroh am Boden war ihr Nachtlager. Es dauerte lange, bis dort wieder Schule möglich war.
Was meine Erinnerung als Kind stark prägte, waren die angstvollen Nächte. Wegen der ständigen Bombardierungen gab es 1944/45 kaum mehr eine ungestörte Nacht. Wenn die Sirene heulte, hieß es heraus aus dem Bett und mit dem Lebensnotwendigsten ausgerüstet in den Luftschutzkeller rennen. Für meine Familie war dies der Badkeller, der sich tief in den Schossberg bohrt. Er war dann voller Menschen, die sich wie aufgescheuchte und verängstigte Tiere aneinander drängten.
Wir empfanden es als eine Erlösung, als die Sirenen nach dem Krieg sogar im Falle einer Brandkatastrophe schwiegen. An ihrer Stelle blies mein Vater Alfons Kraus, sen., wie vor dem Krieg, sogleich ab seiner Heimkehr aus englischer Kriegsgefangenschaft bis 1950 beim Ausbruch eines Brandes das Feuersignalhorn an festen Punkten Abbachs, die er mit dem Fahrrad erreichen konnte.
Von den Lebensmittelkarten, einem lebenserhaltenden Grundinstrument kargen Lebens während aller Hungerjahre vom 1.Weltkrieg bis zur Währungsreform 1948, muss ich noch berichten:
Wenn es regelrecht zuging, gab es keinen Bissen im Mund der Menschen, der nicht vom Vaterland durch Marken verordnet worden wäre. Ein Missbrauch derselben war ein schweres Delikt. Auch sonst gab es vom Fahrradschlauch bis zum Küchenbesen nichts zu kaufen, wofür man keinen Bezugschein brauchte.
Wer nur in geringster Hinsicht als Selbstversorger eingestuft werden konnte, dem wurden die diesbezüglichen Marken gestrichen. In dieser Zeit blühte das „Hamstern“ bei den Bauern, das „Fringsen“ (nach Kardinal Frings, Köln, benannt, der „Mundraub“, z.B. Klauen von Kartoffeln von fremden Äckern ohne Gewissensbisse, für legal hielt, wenn man sich nur nicht erwischen ließ), Tauschgeschäfte für Lebensmittel waren hoch im Schwung.
An Weihnachten 1942 gab es pro Person auf Lebensmittelmarken zusätzlich 2 Eier – und man war darüber glücklich!6 An Weihnachten 1944 wurden 2 Eier, 125g Fleisch und 125g Süßwaren pro Person als Sonderration zugeteilt.7
Am 8.Mai 1945 ging der 2.Weltkrieg zu Ende. Wir Abbacher erlebten das Kriegsende Ende April 1945 mit Angst und Schrecken. Doch darüber ist in Heimatheften genug geschrieben worden.
Was hat uns am Ende der „totale Krieg“, den uns Hitler und sein Propagandaminister Göbbels voraussagten, gebracht?
16 Millionen Soldaten waren insgesamt gefallen, die Zahl der Menschen, die durch Luftangriffe umkamen, lässt sich nicht feststellen. Insgesamt soll es im 2.Weltkrieg 40 Millionen Tote gegeben haben.
Die Abbacher Listen von 1945 über Kriegsgefangene, Vermisste, verschollene und Gefallene sprechen eine erschütternde Sprache.8
Am Kriegerdenkmal im alten Friedhof sind einschließlich der Vermissten 156 Kriegsopfer aus Bad Abbach verzeichnet.
Über 29 Millionen junge Menschen kehrten weltweit als Blinde, Kranke, Arm- und Beinamputierte heim. In den Vernichtungs- und Zwangsarbeitslagern wurden 11 Millionen Menschen ermordet. Dazu gehören auch die Geschundenen und Toten im Lager Saal/Do., ganz in unserer Nähe. Dann die Flüchtlinge, die nach dem Potsdamer Abkommen im August 1945 innerhalb von zwei Stunden ihr Heimathaus verlassen und einen Marsch in die Fremde mit ungewissem Ausgang antreten mussten.
In Deutschland waren 4 Millionen Wohnungen zerstört, weitere 4 Millionen gingen durch Vertreibung verloren.9
Auch in Abbach war das letzte kaum zumutbare Loch, nach Abbacher Quartierlisten ca. 300,10 mit Flüchtlingen besetzt. Die meisten wohnten im Bad, Hs. Nr.10. Jugendliche waren ohne Lehrstelle.
Wieder einmal stand unsere Heimatgemeinde vor dem Ruin, und keiner hätte damals geglaubt, dass ihm einmal ein Wirtschaftswunder folgen könnte.
Für uns Kinder gab es bis es so weit war zum Glück die Schulspeisung. Aber nicht alle Eltern waren in der Lage, monatlich 1.70 DM zu bezahlen. Da übernahmen sog. Paten, 20 Einzelpersonen, die Freiwillige Feuerwehr, der TSV, die Pfarrei, die CSU und SPD, besonders Viktor Höign und Peter Grgas, 70 Patenschaften zu je 7.-DM. So wurde uns Kindern in schwerer Zeit, ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage der Eltern, die Gesundheit erhalten und eine normale körperliche Entwicklung ermöglicht.11
1 Rundschreiben Nr.61/42 des Regierungspräsidenten für den Wehrwirtschafts-bezirk XIII Fürth i.Bay. v. 21.2.1942
2 Schreiben des Landratsamts Kelheim an die Schulleitungen v. 8.4.1942
3 Anweisung des Bezirksschulrats Wiesend v. 22.5.1942
4 Der Landrat von Kelheim an die Schulleitungen v. ?.5.1942
5 Landratschreiben Nr. 1041 v. 23.03.1945
6 Landratsschreiben v. 30.11.1942 Ernährungsamt Nr. 2194
7 Landratsschreiben v. 13.12.1944 Ernährungsamt Nr. 2475
8 Siehe Listen im Archiv von Bad Abbach XV.14.1.3
9 Vgl. Bay. Schulbucg Verlag. Wir erleben Geschichte. SS.221 – 226
10 Siehe in Archiv Bad Abbach XV
11 Schulspeisung, verschiedene Zusammenhänge. Archiv von Bad Abbach I.
10.4.1.a bis I.10.4.3.b.