Anfangs November 2008 (8.11.) waren es 90 Jahre, seit der 1.Weltkrieg zu Ende ging. Er forderte 8,5 Millionen tote Soldaten – eine traurige Bilanz!

Über den 1.Weltkrieg berichtet Fritz Angrüner im Abbacher Heimatbuch S. 88 f 1 in sehr knapper Weise. Die späteren Chronisten schenkten dieser Katastrophe, die auf die nachfolgende Zeit einen so verhängnisvollen Einfluss hatte, bisher noch wenig Aufmerksamkeit. So kann es nicht schaden, wenn ich auch auf dieses Kapitel eingehe.

„Mit Gott“ beginnt der Abbacher Apotheker und Vorstand des historischen Vereins, Maximilian Hengge, ein wahrhafter Patriot, die „Abbacher Kriegs-Chronik 1914 – 18“. Heute kann man, aufgeklärt wie man ist, fragen, ob man mit diesem Gruß in Sachen Krieg und Frieden den Namen Gottes nicht missbraucht hat.

Ich kann leider nur wenige Stellen aus dem 100seitigen, von Hand geschriebenen Buch zitieren, um den Wechsel der Gefühle von Enthusiasmus bis Resignation ein bisschen nachzuzeichnen:

Und so beginnt Maximilian Hengge seine Geschichte:
„Eine ernste, schwere , aber auch wahrhaft große, gewaltige Zeit ist es, in der wir leben und die uns der große, europäische Krieg gebracht hat, den uns unser Vaterland mit dem einzigen Bundesgenossen, Österreich–Ungarn gegen Russland, Frankreich, Belgien, England, Serbien, Montenegro und Japan auszukämpfen auferlegt hat. Die Türkei ist im November 1914 als Bundesgenosse für Deutschland in den Weltkrieg eingetreten.

Mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers am 28.Juni 1914 setzten die großen Ereignisse ein und, der sich vom Berge herabwälzenden Lawine gleich, wurden weitere Kreise in ihren Bereich gezogen, bis wir schließlich mitten im Kriege gegen sieben fremde Staaten standen. (….)
Die Schicksalsstunde hat (.) über Europa geschlagen und uns zur Seite ist als getreuer Bundesgenosse der österreichische Gesamtstaat gestellt, mit dem wir Schulter an Schulter den weit überlegenen Feind erfolgreich bekämpfen.“

Am 4.August 1914 begann mit der Rede des Kaisers Wilhelm des II die Mobilmachung und schon spürte man das Schlamassel auch in Abbach.

Hengge fährt fort:„ Die Störungen des Verkehrs, die die Mobilmachung am 4. August mit sich brachte, wurden auch in Abbach beobachtet, wenn diese auch anfangs hier, wo doch die Landwirtschaft vorwiegend ist, weniger in Erscheinung traten, da die Erntearbeiten mit großem Eifer betrieben wurden.
Im Oktober klagten die größeren Ökonomiebetriebe über Mangel an Eisenbahn-Güterwägen, der jedoch mit der Zeit vollständig behoben wurde, zudem am 15.November 1914 der vollständige Verkehr auf unserer Bahn mit Ausnahme der Nachtzüge für Personenverkehr wieder einsetzte. Größere Stockungen traten anfangs beim Detail-Handel (= Kleinhandel. A.d.V.) ein, indem besonders Bargeld in erster Zeit wie vom Boden aufgesaugt war. (…) Dieses alles hat sich aber mit der Zeit größtenteils ausgeglichen, da man einsehen lernte, dass mit kaltem Blute und unter Vermeidung von Engherzigkeit sich viele Schwierigkeiten besser überwinden lassen als mit überängstlichem Hasten und Sorgen (…) so blieb die Mahnung der Behörden und einiger besonnener Männer nicht unbeachtet, die das Volk aufforderten, das aufgesparte Goldgeld der Reichsbank zuzuführen, was hier größtenteils durch die kgl. Postexpedition geschah.
Obwohl die Reichsbank bekannt gab, dass zur wirtschaftlichen Kriegsführung das Gold der Bank übergeben werden soll, indem für 100 M Goldgeld 300 M Kassenscheine ausgegeben werden können, so gab es auch hier noch engherzige Egoisten, die da glaubten, einige Hundert Mark Gold aufbewahren zu müssen, falls der Feind ins Land kommen sollte, um nicht Hungers zu sterben.“

Während am Anfang des Krieges sich der Hass der Bevölkerung hauptsächlich auf Russland und Frankreich bezog, konzentrierte sich dieser immer mehr auf England, das den Plan verfolge, „unser ganzes deutsches Volk, Frauen und Kinder eingeschlossen, auszuhungern.“
„ Gott strafe England! Er strafe es!“ wurde ein deutscher Gruß.

Und so geht es im Bericht weiter:
„Weihnachten und Neujahr wurde wie überall, so auch hier in stiller Weise gefeiert. Wäre nicht vielfach der Vater, Bruder, Sohn usw. abwesend, so hätte nichts an den großen europäischen Krieg erinnert, der bereits im sechsten Monat dauert. Die allgemeine Volksstimmung wird am besten durch folgenden Vers geschildert:
Zeppeline vor, Flieger heraus!
Zieht durch die Luft, schützt Hof und Haus!
Gott sei mit Euch in schwerer Not,
Behüte euch vor frühem Tod !“

Doch auch durch Hymnen der Zuversicht ließ sich der Tod nicht aufhalten. Aus Abbach wurden 191 Männer in den Krieg eingezogen. Bis zu seinem Ende, und ein bisschen darüber hinaus, mussten 60 Männer ihr Leben lassen.
Als am 17.März 1917 der Kriegszustand mit Amerika unter Präsident Wilson eintrat, stieg die Zahl der Feinde auf elf. In der Heimat wurde die Gesamtlage kritisch.

Hengge schreibt weiter: „Die täglichen Bedarfsartikel wurden von Monat zu Monat geringer. Es musste in der Haushaltung gespart werden mit allen vorhandenen Mitteln. Die Lebensmittelnot in den Städten stieg von Tag zu Tag. Es mussten auf dem Land Sammelstellen errichtet werden, die Eier, Butter, Schmalz für die Stadt ablieferten. Für den Kammeralverband Kelheim hat Kaufmann Windl die Lebensmittelsammelstelle übernommen, und sind durch Einkauf aus der Abbacher Umgebung große Mengen abgeliefert worden. (…)“

Weiter heißt es: „Die Stimmung im Volk wird mit der Aussicht, dass der letzte Entscheidungskampf im Westen durchgefochten wird, besser als in vergangenen Monaten, in denen manche Familien die Not des Krieges kennen lernten, seitdem der Schleichhandel und Gesetzesübertretung stark zugenommen hatten und das Durchhalten vielen Familien erschwerten.“2

Ein Schlaglicht auf die Leiden des Volkes schon im zweiten Kriegjahr werfen auch die Kgl. Bezirksamtsschreiben an die Gemeindebehörden:
„Betreff: Einschränkung des Brotverbrauches“3
„Betreff: Kriegs-Wanderkochkurse“4
„Betreff: Verkehr mit Mehl – Erfassung der Selbstversorger“5
„Betreff: Landesratsverordnung zur Erhebung der Ernteflächen vom 1.- 4. Juli“6
„Betreff: Eiereinschränkung“7
„Betreff: Maßnahmen gegen Preistreibereien: Bis längstens 28. Juli ist zu berichten, welche Wirkungen bisher die Erlasse des Generalkommandos über die Bestrafung von Preistreibereien beim Lebensmittelverkauf, über Verhütung von Missständen beim Vieh- und Eierhandel, beim Handel mit Butter und Rindschmalz (..) hatten.“8
Das Bezirksamtschreiben trägt den Vermerk „Eilt“!
„Betreff: Fleischversorgung des Heeres: Laut Mitteilung der Zentralstelle zur Beschaffung der Heeresverpflegung ist die Lieferung von Rindern, Schweinen und Schafen für Heereszwecke erheblich im Rückstande. (…) Die bisherigen Fehlmengen stellen die regelmäßige Verpflegung und damit die Schlagfertigkeit der Armee in Frage.(..) Dem Herrn Bürgermeister wird zur Pflicht gemacht, nachdrücklich auf die Viehbesitzer einzuwirken, damit nicht die bereits angedrohte Enteignung durchgeführt werden muss, (…)“9
So hießen die Mandate schon in den ersten Jahren des Krieges. Er sollte aber noch drei ganze, lange Jahre dauern!

Am Anfang des Jahres 1918, schreibt Hengge, habe erstmals eine kirchliche Sylvesterfeier stattgefunden, in der der Cooperator Sterz unter anderem berichtet habe, dass allein im Jahre 1917 11 Krieger den Heldentod gefunden hätten. Damit war aber das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Die Ernte des Todes dauerte bis zum 8. November 1918.

Wenn eine Familie das Los traf, erreichte sie vielleicht ein Brief folgenden Inhalts:
„ Im Felde, 20.8.1918
Geehrte Familie Pfeifer!
Während meiner fünfwöchentlichen Aushilfe an der Front verstarb am 5.8.1918 nachm. 6.15 Uhr im hiesigen Lazarett, zu dem ich eigentlich gehöre, Ihr lieber Gatte und Vater, der Landwehrmann Johann Pfeiffer v. 5. bay. Ers. Inf. – Regt.11.Komp. an den Folgen einer schweren Handgranatenverletzung. Nachträglich noch mein herzlichstes Beileid zu dem bitteren Verluste. Trösten Sie sich damit, dass er den schönsten Tod, den Ehrentod für sein Vaterland sterben durfte. Er ruhe in Frieden! (….)“10

M. Hengge beschließt sein Tagebuch mit der Bemerkung: „Am 8. November 1918 mit Einführung der bayerischen Republik und der Gewalt und Rohheit, dass zwei schwere Steine dem Chronikschreiber in die Fenster geworfen wurden, schließt die aus Patriotismus und Heimatliebe begonnene Aufschreibung über die wichtigsten Ereignisse in der Zeit von August 1914 bis 8. Nov.1918“11
(Es folgen noch Heldenlisten.)

Schon im Frühling 1922 berief Bürgermeister Meindl einen Kriegerdenkmal–Ausschuss ein, dem Dr.Schmitz, Apotheker Hengge, Gutsbesitzer Seidl, Bildhauer Roggenhofer, Steinbruchbesitzer Schuderer und der Kirchenmaler Seidl angehörten.

Das Kriegerdenkmal wurde am Ortsausgang an der Augsburgerstraße, gegenüber dem späteren alten Rathaus aufgestellt, nachdem man von den Badbesitzern Linxen und Hoegn den Standplatz erwerben konnte.

Es war ein monumentales Werk entstanden, das ein knieender Soldat in
feldmarschmäßiger Ausrüstung krönte. Die Namen der Helden wurden in vier Tafeln gemeißelt. Der Fliegerleutnant Heinrich Geigl wurde auf einem Extrarelief hervorgehoben. Während der Nazizeit war das Kriegerdenkmal oft Ausgangs- oder Zielpunkt von Gedenkfeiern und Aufmärschen.

Im Jahre 1959 wurde das Kriegerdenkmal in den Friedhof auf dem Berg in eine eigene Nische versetzt. Der damalige Bürgermeister Otto Windl enthüllte die um die Helden des 2.Weltkrieges erweiterten Beitafeln unter Beisein der Abbacher Bevölkerung.

Trotz großer Not, die während des 1.Weltkrieges auch in der Heimat herrschte, gab es in Abbach erfreuliche charitative Initiativen:
Am 15. Mai 1915 berichtet Apotheker Hengge, dass in Abbach eine „Webzeugsammlung“ stattfand, womit man die Soldaten an der Front mit warmer Winterwäsche ausrüsten wollte. Die Aktion lief unter dem Titel „Krieger Wollwoche“. Außer Geld wurden in Abbach 5 ½ Zentner Wollsachen abgeliefert.12

Der selbe Chronist berichtet aus dieser Zeit: „Auf Anregung des kgl. Bezirksamts Kelheim wurde in den ersten Kriegswochen ein eigener Ausschuss für die Fürsorgetätigkeit für die Angehörigen Abbacher Krieger gegründet. Außer dem Bürgermeister sowie einigen Gemeindeausschussmitgliedern wurden in dieses Gremium noch die Herren Hochw. Herr Pfarrer Tempel sowie Distrikttierarzt Frank gewählt. Besonders Letzterer entfaltete anfangs eine rührige Sammeltätigkeit, so dass zu diesem Zwecke namhafte Summen zusammenkamen. So viel bekannt wurde, haben sämtliche hiesigen Vereine 50 – 100 M gespendet. Es wurde auch das Vereinsvermögen der Abbacher Liedertafel, die leider seit Jahren wieder inaktiv war, auf Anregung des früheren Vorstandes, sowie der noch vorhandenen Mitglieder in der Höhe von 130 M zu diesem Zweck (…) übergeben. Aus der staatlichen Fürsorge für die Angehörigen der Kriegsteilnehmer (…) sind bis Februar 1915 nur kleine Summen zur Verteilung gekommen, und zwar in der Form des Ankaufs von Lebensmitteln. Zu letzterem Zweck wurde vom Bürgermeister eine von der Regierung eingeschickte Summe von 300 M verwendet.“ 13
Um diese Angabe zu komplettieren sei hinzugefügt, dass vom August 1914 bis 31.März 1915 65 Familien und Einzelpersonen in Abbach mit 6 bis 30 RM monatlich, je nach Familiengröße, mit insgesamt 1950 RM unterstützt wurden.14

1 Angrüner, Fritz. Abbacher Heimatbuch, Abbach 1973, S. 88 f
2 Kriegs-Tagebuch 1914 – 1918 des Apothekers Maximilian Hengge/ Auszüge
3 Bezirksamtschreiben v. 02.01.1915
4 Bezirksamtschreiben v. 27.02.1915
5 Bezirksamtschreiben v. 27.03.1915
6 Bezirksamtschreiben v. 27.06.1915
7 Bezirksamtschreiben v. 12.07.1915
8 Bezirksamtschreiben v. 20.07.1915
9 Bezirksamtschreiben v. 17.08.1916
10 Brief aus der Front an die Fam. Pfeifer, dem Archiv gegeben von Jos. Sedlmeier
jetzt Beilage zum Kriegstagebuch.
11 Hengge Maximilian Kriegs- Tagebuch 1914 –1918. S.79
12 Hengge,. Maximilian. Abbacher Kriegs-Chronik 1914 – 18, S.7,13. Archiv von
Bad Abbach XVI.14.2.2.
13 A.a.O. S.13.
14 Verzeichnis der Empfänger von Familieunterstützung, Liste I, August 1914 bis 31.
März 1915. Archiv von Bad Abbach 7.6.2.