021 Zur Abbacher Madonna im Karmelitenkloster Straubing

Die „Abbacher Madonna“ befindet sich im Kreuzgang Obergeschoss des Karmeliterklosters zu Straubing. Sie stammt aus der Spätgotik, etwa um 1380. Sie kam 1909 durch Vermächtnis des Abbacher Pfarrers Maximilian Glas (von 1900 bis 1909 Pfarrer in Abbach) in den Besitz des Straubinger Klosters. Die Figur ist 110cm hoch, aus Stein gehauen und war ursprünglich rot gefasst. Das Jesuskind auf dem Schoß der Mutter hält die Hand über ein Vögelchen und schaut liebevoll zur Mutter auf. (Siehe Photo!)

Zur theologischen Interprertationen des Vogels in der Hand des Kindes, das auf dem Schoß seiner Mutter sitzt, habe ich folgende Meinung:
Die schützende Hand des göttlichen Kindes über dem Vogel soll ausdrücken, dass das Kind über den Menschen und alle Kreatur zu Lebzeiten, besonders aber in der Stunde ihres Todes, wacht, ihnen Geborgenheit vermittelt, sie endlich aufnimmt („mein bist du“) in das ewige Leben im Jenseits. Die Geste drückt Vertrauen und Hoffnung aus, und soll dem Sterben die Bitterkeit und den erdrückenden Ernst nehmen.

In dieser Meinung wurde ich durch das ZDF am Sonntag, 31.08.2007, 19.30 Uhr in der Sendung „Terra X“ bestärkt.

Der Bezug zum Sterben rührt nach meiner Auffassung daher, dass Madonnen mit Kind und Vögelchen vorwiegend in Seelhäusern, Friedhofkirchen und Allerseelen Nischen in Kirchen vorkommen, so außer in Sossau z.B. in der Grabeskirche in Deggendorf, auch in Saal a.d. Donau. Zu Madonnen dieser Art gibt es eine ausgedehnte Literatur.1

Ich erinnere mich auch an Darstellungen von Kunstlehrern in meiner theologischen Ausbildungszeit: Wäre die Hand geöffnet, wäre dies ein Hinweis auf Mt 6,26, wo von den Vögeln des Himmels gehandelt wird, die nicht säen und ernten und doch nicht verhungern müssten: Ein Zeichen für den Grund einer gewissen Sorglosigkeit, die dem Menschen gut anstehe.

Eine Mitarbeiterin2 machte mich auf das Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 4, Freiburg i.Br. 1974 Sp.241 ff aufmerksam. Wäre der Vogel eine Taube, handelte es sich um den Hinweis auf die Hl. Dreifaltigkeit, die Gaben des Geistes, den Hl.Geist, den das Kind vermittelt. In der Ikonographie sei die Taube ein Symbol für Humilitas und Spes. (Milde und Hoffnung)

Die Frage, warum die Madonna aus Grünsandstein geschaffen ist, den es in Gegend des Bayerischen Waldes, wo die meisten Madonnen dieser Art vorkommen, überhaupt nicht gibt, beantwortete ich mit dem Hinweis, dass ein etwaiger Künstler aus unserer Gegend diesen Stein im Bergrücken von der Lengfelder Flur, der sog. Steinballe, über die Blöße und den Mühlberg bis in das Weixer Becken., zum Teil im Tagebau, z.T. in gemäßigten Tiefen hätte gewinnen können.

Was jedoch lange offen blieb, ist die Frage, warum und wie die Madonna von Abbach nach Straubing kam.

Nach langen Recherchen habe ich dazu heute eine Antwort:

Zur Einöde Weichs bei Bad Abbach gehörte früher eine Kirche, die dem Evangelisten Markus, einem Patron des Bauernstandes, geweiht war.

Schon im zweiten Herzogs Urbar von 1280 ist sie erwähnt: „Aber Weihs ein taever (.). Aber Weihs ein hof (.). Aber ze Weihs von der chirchen ze vogtreht LX schaeffein frisching“.3
1280, das ist die Zeit der Hochgotik.

Im Marktarchiv wie Pfarrarchiv von Bad Abbach wird an mehreren Stellen von der Kirche in Weichs berichtet4:
Im Notizenbuch der kath. Pfarrei Abbach ist aus dem Jahr 1756 vermerkt:
„5. Weichs. Zwei ganze Bauernhöfe samt einem Gotteshaus. Allda ist eine Kapelle zu Ehren des Evangelisten Markus, wird drin Kirchweihfest gehalten. Da in dieser Kapelle, ob selbe schon mit ehrlichen Mitteln versehen, jedennoch das Jahr nur einmal, nämlich am Fest des hl. Markus, wo die Pfarr mit dem Kreuz dahin geht, ein Gottesdienst gehalten worden, im Übrigen aber das ganze Jahr öd, das ist ohne hl Messe, folgend ohne Ehre Gottes und seiner Heiligen, dagestanden.
Also habe ich im Jahre 1756 höchst dorthin die Vorstellung deswegen gemacht und erhalten, dass wenigstens alle Monat eine hl. Messe zu Ehren des hl. Markus sowohl für die lebenden als auch für die verstorbenen Wohltäter gelesen und aus dem Guthaben dieser Kapelle bezahlt würde. Wie innen beim Rückschlag bei den Kirchen zu sehen.“

(Die Kirche war also dem hl. Evangelisten Markus geweiht nicht wie in dem Werk „Das Regensburger Visitationsprotokoll von 1589/90, Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg/ Beiband 12/2003, herausgegeben von Paul Mai. Nach ihm war sie dem hl Martin gewidmet, ein Druckfehler!).

Und wie geht die Geschichte weiter?

Um die Jahre 1910 hatte der damalige Besitzer der Einöde Weichs 1-2, Hermann Fiedler, ein Protestant, die Absicht, seine Scheune zur Straße hin zu erweitern.5 Er richtete an die Marktverwaltung ein Baugesuch um Vergrößerung des Getreidestadels. Der anschließende Beschluss lautete:„ Gegen das Baugesuch des Gutsbesitzers Hermann Fiedler auf Änderung des Getreidestadels bestehen von Seiten der Gemeindeverwaltung keine Bedenken.“

Die Gemeindeverwaltung hatte also keine Bedenken.
Aber das bedeutete doch, dass die Kirche zum hl. Markus weichen musste.
Nun ja, sie stand ohnehin schon Jahrhunderte öde da und diente dem Kultus nicht mehr.

Im Regensburger Visitationsprotokoll von 1589/90 wird schon berichtet:„Licet haec ecclesiae altare habeat consecrationis signum inviolatum nullum tam ibi sacrum amplius fit, sicuti et a longo tempore omni ornatu orbata et derelicta manet.“ 6

(deutsch: Obwohl der Altar in der Kirche ein unverletztes Konsekrationszeichen hat, findet dort kein Gottesdienst mehr statt, so ist sie (die Kirche, A.d.V.) auch seit langer Zeit jeglichen Schmuckes beraubt und liegt verlassen da.“

Aber offenbar gab es von gewissen Seiten, bestimmt des Pfarrers Glas, Bedenken gegen den Abriss. Diesen Bedenken wollte Fiedler gerecht werden und stellte Bauantrag zur Errichtung einer (zwar kleineren) Ersatzkapelle, ebenfalls an der Straße, näher am Wohnhaus.

Die Entscheidung des Magistrats lautete natürlich wie oben: „Gegen den vorgelegten Bauplan des Herrn Hermann Fiedler, Gutsbesitzer in Weichs, Erbauung einer Kapelle, besteht Seitens der Gemeinde keine Erinnerung.“

Aber Pfarrer Maximilian Glas, die protestantischen gegenwärtigen und kommenden Besitzer im Auge, von denen er keine besondere Vorliebe zu Maria vermutete, ging schon einmal auf Nummer sicher: Er nahm mit oder ohne einen Einspruch des Besitzers Fiedler, Lochblechfabrikant in Regensburg/Stadtamhof, die Madonna, die sich in der Kirche befand, zu sich.
1909 war des Pfarrers Todesjahr. Die Madonna vermachte er vor seinem Tod (wohl Sicherheits halber, oder aus besonderer Verbundenheit mit den Karmelitern) dem Kloster in Straubing.

Die beabsichtigten Baumaßnahmen konnten nun schadlos und ungehindert ihren Lauf nehmen.

Die protestantischen Besitzer Fiedler und dann ab 1913 die ebenfalls evangelischen Pächter und späteren Besitzer Ernst Schulz und Johann Seidl (letzterer war zwar katholisch, aber evangelisch verheiratet!) hatten Geschichtsbewusstsein und Verständnis für Tradition. Obwohl sie den heiligen Martin, der den Mantel mit dem Bettler teilte, als Ehrenbild lieber gehabt hätten, entschieden sie sich bei der neu errichteten Kapelle wieder für die Madonna mit dem Kind, die in etwa genau so aussehen sollte, wie die frühere, die man habe fahren lassen.

Wie sich beim Augenschein zeigt, obsiegte das traditionsgebildete Gewissen. In der Kapelle hat heute wieder eine Madonna mit Kind, ein Ölbild aus der Zeit um 1850 stammend, ihre Heimat gefunden, die der „Abbacher Madonna“ in Straubing, allerdings ohne Vogel, verblüffend ähnlich sieht.7

 1 Die Kunstdenkmäler von Bayern, Stadt und Bezirksamt Straubing, Stadt und Bezirksamt Deggendorf.
Oberneier, Macel. Das Meisterwerk, Kunstschätze aus Altstraubing, Attenkofersche Buch- und
Kunstdruckerei, 1970
Huber, Alfons. Ein namentlicher Personalstatus der Pfarrei Sossau aus dem Jahr 1660. In: Jahresbericht des
historischen Vereins für Straubing und Umgebung 107/2005 (Abbildung des Sossauer Gnadenbildes)
Weidinger, Erich. .Die Apokryphen, verborgene Bücher der Bibel. Pattloch V. 1989.
Singer, Brun, König. Der Kosmos Vogelführer, Francksche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1971.
2 Jennifer Dobschenzki, Magistra der Geschichte, Uni Regensburg
3 Pölserl, Günther. Mallersdorf – Das Landgericht Kirchberg, die Pflegegerichte Eggmühl und Abbach
Kommission für bayerische Landesgeschichte, München 1979 S.80
4 Briefprotokolle 1775-77. Eintrag vom 16.11.1776, S.114. Archiv von Bad Abbach 8.6.3
Notizenbuch der kath. Pfarrei Abbach. Um 1750, Einträge Pfarrer Kreitl, Neuhörl, 5. Zu Weichs. Pfarrarchiv,
Schrank 1.
5 die Kapelle betr. Ratsprotokoll vom 30. April 1910; die Scheune betr, vom 16.Juli 1910.
6 Pölsterl,. Günther. A.a.O. S. 193
7 Erinnerungen von Hermann Seidl-Schulz an Erzählungen seines Großvaters Hermann Doerfler und anderer Vorfahren . Die Erzählungen waren aber in Vergessenheit geraten, bis ich jetzt in dieser Richtung recherchierte.