Im Leben eines christ- katholischen Abbachers galten früher (bis in die 1960er Jahre) – Evangelische waren Mangelware – nicht nur die 10 Gebote Gottes als Richtschnur für das Leben, sondern auch die fünf Gebote der Kirche. Sie nicht einzuhalten, galt bei der zuständigen Obrigkeit als Inobedienz, d.h. als schwerer Ungehorsam, der im Extremfall nach dem Tod den Verlust der Seligkeit zur Folge hätte.
Das vierte Kirchengebot zitiere ich zur Erinnerung ( und es lautet eigentlich immer noch so) : „ Du sollst wenigstens einmal im Jahr deine Sünden beichten! Das fünfte „Du sollst wenigstens einmal im Jahre die hl. Kommunion empfangen und zwar in der österlichen Zeit!“[i]

In Befolgung dieser religiösen, (früher auch bürgerlichen) Pflichten, standen in der Karwoche Stunden lang nicht abreißende Menschenschlangen vor den Beichtstühlen in der Markt- und Pfarrkirche. Jeder Katholik musste in den saueren Apfel beißen, sein Hirnschmalz aufwühlen, um in seine finsteren Seelenwinkel einzudringen, ob er nicht doch … usw. Mancher hatte echte Schnitzer auf dem Kerbholz, die er sich für die Karwoche zur Eliminierung aufgehoben hatte. Hatte er keine, erfand er das Übliche.
In der Karwoche „saß“ in der Regel auch ein „fremder Herr“ ( = nicht der eigene Pfarrer), der einem das Bekenntnis leichter machte, oder man fuhr einfach zu den Karmelitern nach Regensburg, die einen nicht kannten.
Mir persönlich war die Sache als Bub zwar auch unangenehm, aber ich hatte vor dem örtlichen Pfarrer keine Bedenken, weil er von mir so wie so alles schon wusste. Es war mir höchstes der Umstand peinlich, dass ich gestehen musste, dass ich als Ministrant aus der Messweinflasche „genascht“ habe.
Als Ausgleich hielt ich es für ein außerordentliches Werk der Frömmigkeit, wenn ich mit einem Putztrupp von Frauen in der Karwoche mithalf, die Glocken und die Glockenstube auf dem Kirchturm wie die ganze Kirche und das Inventar zu reinigen. Einmal im Jahr musste es ja geschehen, droben in der „großen Kirche“, wie drunten in der Marktkirche.
Was sich da an Taubendreck, Spinnweben und Undefiniertem angesammelt hatte, spottete jeder Beschreibung. Die Expedition fand deshalb in der Karwoche statt, weil in ihr die Glocken aus Trauer für den leidenden Heiland immer schon schwiegen.
Zum Osterfest sollte jedenfalls alles in göttlichem Glanz erstrahlen. Ich persönlich schrubbte am liebsten mit dem Reisigbesen in der Glockenstube auf dem Turm um die Glocken herum. Ein Staubsauger für das Gebälk war noch nicht erfunden. So wirkte ich eher als Staubaufwirbler. Manchmal trieb ich es so toll, dass dem Schneider und Mesner Xaver Engl die Luft weg blieb. Ich selbst hinterließ hernach den Eindruck, als hätte ich an einer gerade erst erfundenen Dreschmaschine als Heizer an der Dampfmaschine gewirkt.
Ich aber war davon überzeugt, dem gekreuzigten Heiland das Leiden ein wenig gemildert zu haben, wofür er mir schon den Staub von meiner Seele wegblasen könnte. Nur dann könnte ich am bevorstehenden Osterfest mit dem göttlichen Herrn fröhlich Auferstehung feiern.
Vorher fand jedoch zu Hause bei Mama in der Badewanne, einer großen, runden, blechernen und in einer mit dem Wasserkübel eingefüllten Seifenlauge – einen Anschluss an die örtliche Wasserleitung hatten wir im Haus Nr. 13 vor Kriegsende noch nicht – und unter der Wurzelbürste der Mutter das Fest „Mariä Reinigung“ statt, ganz außerhalb der Reihe des liturgischen Kalenders.
Und wie erlebe ich, und wie erleben die meisten Leute heute das Osterfest, und wie bereiten wir uns heute darauf vor? – Ja, wir sind ein säkularisiertes Volk geworden. Wenn wir doch wenigstens unseren Kindern und Enkelkindern, oder gar einem Kind einer alleinerziehenden Hartz IV Empfängerin mit einem Osternest eine Freude machen würden!

Osterbrunnen des Obst- und Gartenbauvereins (OGV) 2011
Osterbrunnen des Obst- und Gartenbauvereins (OGV) 2011

[i] Großer Katholischer Katechismus. Kösel Verlag München .München 1948, S.205.